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8. April 1908. Hauptversammlung der Nordwestlichen Gruppe. Stahl und Eisen. 507 Vorschriften für Gas- usw. Anlagen am Platze, zumal doch bekannt sei, daß in vielen Fällen seitens der Feuerversicherungs - Gesellschaften statt der Anwendung von Gas die Verwendung von Elektrizität zu Lichtzwecken direkt vor geschrieben werde. Für Gasbeleuchtung denke man aber nicht an eine polizeiliche Ueberwachung. Auf Grund dieser eingehenden Ausführungen konnte der Minister denn auch zunächst ein Fallenlassen besonderer polizeilicher Vorschriften für die Ueberwachung des Betriebes elektrischer Anlagen in Aussicht stellen. Auch die eingehen den Erörterungen über die Unzweckmäßigkeit des Entwurfes der Polizeiverordnung an sich ließen den Minister nicht darüber im unklaren, wie wenig wohlwollend, ja geradezu feindlich die gesamte Industrie der geplanten polizeilichen Ueberwachung auch der Errichtung elektrischer Anlagen gegenübersteht. Es wurde deshalb als empfehlenswert hingestellt, den größeren indu striellen Werken eine möglichst weitgehende Selbstüberwachung einzuräumen, derart, daß bei spielsweise elektrischen Betrieben mit einer Ma schinenleistung von mehr als 1000 KW. das Selbstüberwachungsrecht durch einen Werk beamten eingeräumt würde. Auch die umständ lichen und schwerfälligen Anzeige-, Abnahme- und regelmäßigen Prüfungs-Bestimmungen wur den aufs schärfste gegeißelt, so daß die Indu strie auch in diesem Falle damit rechnen kann, daß diese Bestimmungen, wenn auch nicht zum größten Teile aufgehoben, so doch wesentlich gemildert werden. Da tagtäglich neue Fort schritte auf dem Gebiete der Elektrotechnik zu verzeichnen sind, läßt sich die fortschreitende Entwicklung und Anwendungsfähigkeit der Elek trizität eben nicht in ein starres System zwingen. Der Verlauf der Verhandlungen läßt darauf schließen, daß in Kürze den maßgebenden indu striellen Vertretungen ein neuer, den Wünschen der Industrie sich mehr anpassender Entwurf zugänglich gemacht wird, und daß ihnen dann nochmals Gelegenheit gegeben wird, zu den ver schiedenen Fragen Stellung zu nehmen. Die industriellen Kreise können im übrigen nicht genügend darauf aufmerksam ge macht werden, welche unheilvollen Fol gen im vorliegenden Falle durch eine engherzige Polizeiverordnung entstehen können. Die Vertreter unserer westlichen In dustrie glauben, mit dem Bewußtsein von Berlin zurückgekommen zu sein, daß Minister Delbrück in richtiger Würdigung der Verhältnisse in eine nochmalige eingehende wohlwollende Prüfung der ganzen Frage eintreten wird, da er den Bestrebungen der Industrie wohlwollend und verständnisvoll gegenübersteht und bereit ist, ihr Erleichterungen zu verschaffen, wo dies nur irgend angebracht und möglich ist, sie also auch mit Polizeiverordnungen gern verschonen will.“ Wir können nur hoffen und wünschen, daß dieser gute Geist des Antibureaukratismus auch in anderen Ressorts immer weiter um sich greife; denn die Industrie leidet unter keinem andern Uebel so sehr, als unter der Bureaukratie, die Fürst Bismarck einmal in der ihm eigenen ge nialen Art mit einer Boa constrictor verglichen hat, die den Körper unseres Wirtschaftslebens umschlinge und ibn zu erdrücken drohe, wenn man ihrem verderblichen Treiben nicht rechtzeitig Einhalt tue. Dr. W. Beumer, Geschäftsführendes Mitglied im Vorstand der Nordw. Gruppe des Vereins deutscher Fisen- und Stahlindustricller. II. Protokoll über die Hauptversammlung vom 2. April 1908. Zu der Hauptversammlung waren die Mit glieder durch Rundschreiben vom 6. März 1908 eingeladen. Die Tagesordnung war wie folgt festgesetzt: 1. Ergänzungswahl für die nach §3 al. 4 der Statuten ausscheidenden Mitglieder des Vor standes. 2. Bericht über die Kassenverhältnisse und Beschluß über die Einziehung der Beiträge. 3. Jahresbericht, erstattet vom geschäftsführen den Mitgliede des Vorstandes. 4. Etwaige Anträge der Mitglieder. Die Hauptversammlung wird um 1 Uhr mittags durch den Vorsitzenden, Herrn Geheimrat S e r v a e s, eröffnet. In Erledigung der Tagesordnung werden zu 1. die nach dem Turnus ausscheidenden HH. General sekretär H. A. Bueck, Kommerzienrat Dr-Ing Guilleaume, Kommerzienrat Kamp, Kom merzienrat Klein, J. Massenez, Kommerzien rat G. Ziegler und Kommerzienrat Eugen v. d. Zypen wiedergewählt. An Stelle des Hrn. Geh. Finanzrat Jencke, der mit Rücksicht auf die weite Entfernung seines Wohnsitzes ge beten hat, aus dem Vorstande auszuscheiden, wird Hr. Oberbürgermeister a. D. Haumann- Köln gewählt. Zu 2. wird das Präsidium ermächtigt, die Bei träge für das Jahr 1908/09 bis zur vollen Höhe einzuziehen. Zu Rechnungsprüfern wurden die Herren Geh.-Rat Lueg und Mannstädt gewählt. Zu 3. wird der vorstehend abgedruckte Jahres bericht des geschäftsführenden Mitgliedes des Vorstandes einstimmig genehmigt. Zu 4. stimmt die Hauptversammlung dem von Hrn. Geheimrat Weyland angeregten Gedanken einmütig zu, im Anschluß an den Stahlwerks- Verband ein die gesamte deutsche Roheisenerzeu gung umfassendes Roheisensyndikat zu bilden. Der Vorsitzende: A. Servaes, Geh. Kommerzienrat. Das geschäftsf. Mitglied des Vorstandes: Dr. W. Beumer, M. d. A.