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18. März 1908. Zur Entwicklungsgeschichte des Eisenkunstgusses. Stahl und Eisen. 389 Stätten der Handwerker zu treffen waren, konnten sicher sein, da richtigem Verständnis für die Eigenart ihrer Formengebung zu begegnen. Die einfache Sprache, die sie redeten, war die der Zeitgenossen, die großen Gedanken, die hier geoffenbart, oft von der bem Humor gewürzt den Einschlag bildeten, sprachen durch Gestalt und Form zum inneren Menschen. Erzählungen aus der biblischen Ge schichte bildeten das Leitmotiv des dieFläche zierenden Bilderschmuk- kes. Begebenheiten aus dem alten Testament wurden mit solchen aus dem neuen kecklich in Parallele gestellt, ja nicht selten spielten Momente aus der grie chischen oder römischen Mythologie hinein. Da herrscht Leben, üppiges Leben, Freude an froher Gestaltungskraft, ge paart mit hohem tech nischem Können und weisem Maßhalten in Verwendung der künst lerischen Ausdrucks mittel. (Tafel 1 Fig. 2.) Das Wirken von Meister hand ist auch in späte ren Werken unverkenn bar. Die sie belebenden Figuren, die Ornamente, zeigen die Eigentümlich keiten der künstleri schen Sprache ihrer je weiligen Entstehungs zeit (Abbildung 3). Das breite Roll werk in Ver bindung mit Menschen- und Tiermaske, Wap pen, Monogramm usw. löst sich allgemach in das leichte, symmetrisch zur Vertikalachse ange ordnete Ornament der Frühzeit des 18. Jahr hunderts angehörend auf. Selbst die Launen der Rokokozeit, die die Flächen unsymmetrisch mit leichtem Rankenwerk überziehen, sind durchaus erträglich (Tafel 2 Fig. 3). Witz und Grazie edelt auch diese Schöpfungen menschlicher Phantasie; sie stehen uns jetzt nahe, nachdem die mit unverdauter Schulweisheit über sättigten Kunstkenner endlich aufgehört haben, denjenigen das Sehen zu verekeln, denen sich jedwede Aeußerung der Kunst als vollgültiger Ausdruck des Geistes ihrer Zeit offenbart hat. Ja die oft geradezu erschreckend nüchternen Erzeugnisse aus der Frühzeit des 19. Jahrhun derts, der Empirezeit, gewinnen unter diesen Gesichtspunkten be trachtet an Interesse. Diese Zeit, völlig im Banne eines vermeint lichen Klassizismus be fangen, versucht,Kunst fragen öffentlicher und privater Natur aus schließlich in einer äußerlich an antike Vor bilder erinnernden Form zu lösen (Tafel 2 Fig. 1 und 4). Die antike Architek tur bietet reichlich Ge legenheit, künstlerisch schaffenden Geist in olympischen Gefilden spazieren zu führen, aber auch für kleine unscheinbare Gegen stände sind entspre chende Muster bald ge funden. Die Gelegen heit, in Symbolen seine Gefühle kundzugeben, wird mit einem feuch ten und einem lächeln den Auge willkommen geheißen. Die Uneigen nützigkeit deutscher Frauen, die, um Geld zu schaffen, den kühnen Eroberer Napoleon I. aus heimischen Gefilden zu vertreiben, ihren Gold- undSilberschmuck mit solchem aus Eisen guß gefertigtem ver tauschten, findet Aus druck in den Dar stellungen brennender Opferaltäre, natürlich römischer oder griechi scher Form; in leich tem Relief die kleine Fläche der Anhänger belebend, gesellt sich dann und wann der schwebende, pfeilschießende Cupido oder das verschlungene Händepaar, Treue bedeu tend, hinzu (Abbild. 4). Wir lieben heute über diese einseitige Auffassung antiker Kunst gelinde zu lächeln. Es will uns unverantwortlich erscheinen, daß Gebrauchsgegenstände oftmals Gestalt an- Abbildung 4. Eisernei - Schmuck um 1813. (Kunstgewerbe- Museum Düsseldorf.)