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Leiter des technischen Teiles Dt-Ing. E.Schrödter, Geschäftsführer des Vereins deutscher Eisen- hüttenleute. Kommissionsverlag von A. Bagel-Düsseldor. STAHLUNEISEN ZEITSCHRIFT Leiter des wirtschaftlichen Teiles Generalsekretär Dr. W. Beumer, Geschäftsführer der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutsdher Eisen- und Stahl industrieller. FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENWESEN. Nr. 12. 18. März 1908. 28. Jahrgang. Zur Entwicklungsgeschichte des Eisenkunstgusses.* Von Julius Lasius. (Nachdruck verboten.) A us dem Fenster der Rüstkammer eilt der Blick über leichtgewellte Höhenzüge, die fern aus dem Frühnebel hervortreten. Dunkel trotzt der Tannenwald zur Rechten; um die Bergkuppe zu Füßen des Schlosses stehen die Riesen geschart — sturmerprobt — darüber hinweg fegt der Wind in das kahle Geäst ragen der Buchen. Ihr Laub deckt den Boden, braun- rot-golden leuchtet es, betaut, im Glanze der Morgensonne. Dazwischen eilt der rauschende Wildbach, in hohen Sätzen die moosbewachsenen Felsen umspülend, talab. In das Stimmengewirr fliehender Wasser geister mischen sich von fern die dumpfen Schläge eines Hammerwerkes. Pfeifend fährt der Wind durch die Esse, Rauch und Funken stieben aus kurzgedrungenem Kamin. Dunkle Gestalten in leichtem Drillichgewand gehen ge schäftig dem Tagewerk nach. Die Fürsorge des Landesherrn hat hier ein Eisenwerk errichtet. Die Lage des Tales ward günstig befunden; die weithin mit üppigem Wald bestand bedeckten Hänge treten zurück — breit dehnt sich seine Sohle. Der Gießbach zwängt sich gurgelnd durch engen Bretterverschlag, um nach wiedererlangter Freiheit in hohem Bogen, glitzernd im Sonnenschein, in die Schaufeln des Wasserrades einzufallen. Dienstbar soll er menschlicher Kulturarbeit werden; seine Kraft treibt den Pochhammer und das Gebläse. Einen langen Weg der Entwicklung mußte die Technik der Eisen-Gewinnung und -Ver arbeitung unter großen Schwierigkeiten sich bahnend ausbauen, bevor es ihr endlich gelang, neben der Herstellung des schmiedbaren Eisens Eisen auch fließend — als Gußeisen in Formen zu fangen. Mit dem Bekanntwerden des Eisens mag früh schon sein Schmelzen beobachtet wor den sein — etwa bei stattgehabten großen Bränden, seine willkürliche Erzeugung fällt erst * Nach einem auf der Versammlung deutscher Gießereifachleute am 7. Dezember 1907 zu Düssel dorf gehaltenen Vortrag. in spätere Zeit, etwa in die Mitte des 15. Jahr hunderts und geht Hand in Hand mit Verbesse-' rungen, gewonnen durch Erfahrungen im prak tischen Eisenhüttenbetrieb. Die Einführung höhe rer Schmelzöfen, die Nutzbarmachung der Wasser kraft zum Betrieb der Gebläse ermöglichte erst die Erzeugung eines kohlenstoffreichen und damit leichtflüssigen Eisens direkt aus den Erzen. Aus gerüstet mit diesen Hilfsmitteln spielt sich das wechselreiche Leben in der Eisen- und Gießhütte des späten Mittelalters ab. Gemächlich schaffend sehen wir den Arbeiter, der gleichzeitig Künstler, Former und Gießer ist, eifrig bemüht, die holzgeschnittenen Modelle in geschmackvoller Anordnung auf die Form tafel verteilen. Kurze Bruchstücke scheinen diese flach gehaltenen Ornamentstreifen, Figuren und Maßwerkfüllungen zu sein doch wie ge schickt weiß sie der Meister zu gruppieren. Der Heilige, in Mitte der Tafel, in faltenreiches Gewand gehüllt, scheint in würdevoller Ruhe, den Wanderstab in der Hand, von dannen schrei ten zu wollen; flugs umgibt ihn der Rahmen, eine einfache Kehlleiste, die nach oben mit laub werkähnlichem Baldachin abschließend den Vater Joachim zwingt, auf seiner Stelle zu verweilen. Vater Joachim soll er heißen, so steht’s auf der untergelegten Fußleiste geschrieben, und nun ist die Gruppe als geschlossenes Ganzes vollendet. Mit Nägeln werden die Teilstücke auf der Unter lage befestigt, damit sie beim Umdrehen der Platte, die das Abformen im feinen Sande bedingt, sich nicht von der Stelle bewegen können. Hell erstrahlt plötzlich der enge, sonst nur von kleinen Lichtöffnungen spärlich erleuchtete Arbeitsraum, fließendes Eisen ergießt sich aus der Pfanne über eine eben fertiggestellte Form. Der Abdruck im Sande erscheint im grellen Lichte besonders scharf, nun — ist er den Blicken entschwunden. Mit rasch zunehmender Erkaltung der Gußplatte weicht aus dem Raume der helle Schein; es beginnt die Ab rüstung und sie zeigt uns die so im offenen Herd guß hergestellte Ofenplatte als gelungenes Werk. XII.28 1