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26. Februar 1908. Nachrichten tom Eisenmarkte— Industrielle Rundschau. Stahl und Eisen. 317 Eine Steigerung der österreichischen Roheisen erzeugung erscheint auch dadurch unmöglich, daß die derzeit erschlossenen heimischen Erzlagerstätten, mit Ausnahme des steirischen Erzberges, eine stärkere Ausbeutung kaum mehr zulassen. Selbst dasjenige Unternehmen, welches in Oesterreich infolge seines Erzbesitzes in erster Linie berufen erscheint, der zu erwartenden weiteren Steigerung des Eisenverbrauches zu entsprechen, die Oesterreichisc.h - Alpine Montan gesellschaft, kann diese Aufgabe nicht frei erfüllen, sondern hängt von der Möglichkeit ab, die erforder lichen Koksmengen aus dem Auslando zu beschaffen. Es löst jedoch die ihm naturgemäß zukommende Aufgabe zurzeit in der Weise, daß es sich von der Pflege der Ausfuhr in dem Maße zurückzieht, als von ihm die Befriedigung des Inlandsverbrauches erwartet wird. Die großen Anlagen der genannten Gesell schaft werden jetzt schon durch den Inlandsbedarf allein voll in Anspruch genommen und können so in rationeller Weise ausgenutzt werden. Dieses wachende Eintreten des Inlandsverbrauches für die Ausfuhr zeigt sich bereits in der Handels statistik der letzen Jahre, aus der hier angeführt sei, daß im Jahre 1906 an Handelseisen 53 100 t und an Blechen 28 300 t zur Ausfuhr gelangten, während in den ersten 11 Monaten des Jahres 1907 an Handels eisen nur mehr 39 000 t und an Blechen 19 300 t aus geführt worden sind. Ein weiterer Rückgang dieser Ziffern zugunsten des Inlandsabsatzes kann wohl auch für die nächste Zukunft vorausgesagt werden. Ander seits zeigt die Einfuhr von Roheisen, insbesondere von Gießereiroheisen, dessen Erzeugung allerdings nicht nur mangels des Brennstoffes, sondern auch mangels der geeigneten Eisenerze, kaum mehr ge steigert werden kann, ein stetes Anwachsen. Wäh rend im Jahre 1905 nur 37 900 t Gießereiroheisen ein geführt wurden, zeigt das Jahr 1906 eine Einfuhr von 54 900 t, und die ersten 11 Monate des Jahres 1907 brachten sogar eine solche von 1151001. Dieinländischen Verbraucher werden aus diesen Gründen auch in Zukunft darauf angewiesen sein, für die Deckung ihres Bedarfes das Ausland heranzuziehen, wie ja heute sogar solche österreichische Hochofenwerke, die selbst Gießereiroh eisen erzeugen, als Käufer im Auslande auftreten. Kurz gesagt, die vorteilhafte Lage der öster reichischen Hüttenwerke, die eine weitere Dauer der günstigen Verhältnisse verspricht, besteht darin, daß auf der einen Seite ein weiteres Anwachsen des in ländischen Eisenbedarfes mit Sicherheit zu erwarten ist, es auf der andern Seite aber keine Ueberproduk- tion gibt, ja, daß die Möglichkeit einer solchen ge radezu ausgeschlossen erscheint. Wenn noch einige Umstände die österreichischen Hüttenwerke und andere mit ihr in Verbindung stehende Industrien für die nächste Zeit reichliche Arbeitsgelegenheit erwarten lassen, so ist vor allem hervorzuheben, daß die ge radezu unhaltbaren Verkehrsverhältnisse auf den öster reichischen Eisenbahnen zu einer großzügigeren Aus gestaltung der Schienengeleise und der Fahrbetriebs mittel gebieterisch drängen, und daß drei große Städte, nämlich Wien, Prag und Brünn, sich anschicken, aus gedehnte Wasserversorgungsanlagen auszuführen. Der Bedarf an eisernen Röhren allein kann für diese An lagen mit 750001 beziffert werden, und zwar dürften diese im Laufe der nächsten drei Jahre angefordert werden. Hierzu treten noch jene anderweitigen Bauherstellungen für die genannten Wasserwerksanlagen, die gleichfalls auf die Eisenindustrie zurückwirken. Die Bergwerkskrise in Bilbao. — Zur augen blicklichen Lage in Bilbao berichtet der französische Vizekonsul,* daß die Ausfuhr von Eisenerzen erheb- * „Echo des Mines et de la Metallurgie“ 1908, 17. Februar. lieh zurückgegangen ist. In den ersten 14 Tagen des Jahres 1906 wurden 214346 t, in demselben Zeitraum 1907 200 700 t und vom 1. bis 17. Januar 1908 nur 160000 t ausgeführt. Diese Ziffer erscheint noch überraschend, da die Zahl der in den Bilbaofluß ein gelaufenen Schiffe stark abgenommen hat, die Erzvor räte auf den Gruben sich stark anhäufen, viele kleinere Gruben den Betrieb eingestellt und die großen Unter nehmer ihre Verladungen eingeschränkt haben. In Bilbao weiß jedermann, daß die Abschlüsse in Eisen erzen für das Jahr 1908 nicht erneuert worden sind. Zum erstenmal seit 20 Jahren sind die Verträge mit den großen Londoner Agenten bei Beginn des Jahres nicht vollzogen worden, Verträge, die, gewöhnlich zwischen September und Dezember abgeschlossen, eine normale Förderung sichern und den Erzmarkt befestigen. Wenn auch die Bewegung im Hafen noch günstig beeinflußt wird durch früher bereits getätigte Ge schäfte, so herrscht doch allgemein die Auffassung, daß eine starke Verschärfung der gegenwärtigen Flaue unausbleiblich ist. Allerdings begegnet man noch sehr optimistischen Ansichten und will nicht zugeben, daß neben der allgemeinen mißlichen Weltlage auch noch andere Ursachen schuld an den augenblicklichen Verhältnissen sind. Zu diesen gehört auch die Hart näckigkeit, mit welcher die Grubenbesitzer sich wei gern, zu den jetzigen Preisen zu verkaufen. Die Herren halten es für angebracht, lieber eine vorüber gehende ungünstige Lage zu erzeugen, als in Verhand lungen einzutreten, die in Zukunft Gefahren bringen könnten, nach dem Sprichworte „Unser Geröll kann warten, es verfault nicht“. Einige Pessimisten sind dagegen der Ansicht, daß die englische Eisenhütten industrie den Weg nach dem Biskayischen Meerbusen für längere Zeit vergessen könne, wenn sie sich von Norwegen und Schweden aus einzudecken vermögen. Ihnen wird allerdings erwidert, daß die skandina vischen Erze sich mit den seit einem halben Jahr hundert gelieferten Bilbaoerzen nicht messen können. Diese Erze sind bekanntlich frei von schädlichen Be standteilen, während die skandinavischen höheren Phosphorgehalt aufweisen. Die Lösung dieser müßigen Streitfrage gehört der Zukunft an. Viele suchen auch den Grund der augenblick lichen Krise in der Erschöpfung der Lagerstätten. Die Lager in Somorrostro, Galdames, Orconera, la Pena und Bilbao la Vieja sind nicht unerschöpf lich, werden aber mindestens noch auf 10 Jahre für den englischen und deutschen Bedarf ausreichen. Die französische Eisenindustrie kommt als Abnehmer kaum in Betracht, da die Hochöfen des Ostens und des Nordens keine spanischen Erze beziehen. Die Ge sellschaften de Denain und d’Anzin verschiffen weniger als 3000 t monatlich nach Boulogne und Dünkirchen, verkaufen jedoch die Erze sofort weiter, während die Hütten in La Palice, Pauillac und Boucau sich nicht mehr in Bilbao, sondern in San tander eindecken. Das so vorzügliche Erz „Campanil“, welches früher den Reichtum Bilbaos ausmachte, das rote Hämatiterz mit 56 bis 60 °/o Eisen, 5 bis 8 0/o Kiesel säure, 0,5% Mangan, 0,05% Kalk, Spuren von Phos phor und Schwefel ist gänzlich verschwunden. Viel leicht könnten noch einige Gruben, unter anderen die der Socit franco-beige, noch einige Tausend Tonnen dieses Erzes fördern. Das La-Vena-Erz, von der selben Zusammensetzung, jedoch leicht zerreiblich, ist auch seltener geworden. An Spaten und „Rubio“ sind noch große Massen vorhanden. Obschon phosphor reicher und arm an Schwefel, weisen dieselben Eisen gehalte von 53% auf. Zwei Vorstädte Bilbaos sollen auf diesen Lagerstätten erbaut sein, deren Reichtümer vielleicht überschätzt werden, die jedoch noch Erze für ein Vierteljahrhundert liefern können.