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30 Stahl und Eisen. Aus Fachvereinen. 28. Jahrg. Nr. 1. Schränkungen der Betriebe erblickt habe. Diese Strömung sei in erschreckender Weise in der ersten Session des neuen Reichstages hervorgetreten. Sie habe dem Zentralverband Deutscher Industrieller zu der Aktion Veranlassung gegeben, die in den Be schlüssen seiner Delegiertenversammlung vom 28. Ok tober dieses Jahres zum Ausdruck gelangt sei. Im Hinblick auf die großen Leistungen der Industrie für die Sozialpolitik, auf denen aber auch wesentlich der große Aufschwung des deutschen Wirtschaftslebens beruhe, sei die feindselige Stimmung nicht zu ver stehen, die in der öffentlichen Meinung und besonders in den Verhandlungen des Reichstags deutlich erkenn bar zum Ausdruck gelange. Im Reichstage sei sie besonders hervorgetreten in den Verhandlungen vom 26. November dieses Jahres über die Interpellationen der Konservativen und Sozialdemokraten bezüglich der Kohlenpreise. Der Abgeordnete Dr. Stresemann, der wiederholt erklärte, daß er im Namen seiner poli tischen Freunde, also der Nationalliberalen, spreche, habe der Großindustrie, und namentlich der rheinisch westfälischen Industrie, gegenüber eine außerordent lich feindselige Stellung eingenommen. Der Abg. Dr. Stresemann sei Geschäftsführer des Vereins der sächsischen Industriellen, der besonders die kleineren und mittleren Betriebe umfasse. Die scharfen Angriffe gegen das Kohlensyndikat, der lediglich von ihm ver tretene Konsumentenstandpunkt sei damit vollständig erklärt, nicht aber die Stellung der Nationallibe ralen Fraktion des Reichstages, die auch noch in anderen Beziehungen Stellung gegen die Industrie genommen habe. Er, der Geschäftsführer, werde es für die nächste Zukunft für eine seiner wesentlichsten Aufgaben erachten, die deutsche Großindustrie zu ver anlassen, ihre Stellung zu der Nationalliberalen Partei des Reichstages zu revidieren und Schlüsse daraus für ihr ferneres Verhalten dieser Partei gegenüber zu ziehen. Der Geschäftsführer legte dar, wie die im Reichstage so schwer angegriffenen Syndikate bis jetzt dazu beigetragen hätten, einen jähen Niedergang der Konjunktur zu verhüten, und wie sie auch ferner in dieser Beziehung günstig wirken würden. Er schloß seinen Vortrag mit dem Wunsche, daß die Industrie auch in weniger günstigen Zeiten ihre Spannkraft be wahren und bald wieder sich auf der früheren Höhe bewegen möchte. Der Bericht wurde mit lebhaftem, anhaltendem Beifall aufgenommen. Nach Erörterung innerer Vereinsangelegenheiten wurde sodann die Hauptversammlung geschlossen. Aus der ersten Sitzung der westlichen Wasserstraßenbeiräte. Daß die Wasserstraßenbeiräte eine Einrichtung sind, die zu nutzbringenden Erörterungen die rechte Stelle bildet, zeigte der Verlauf der Verhandlungen, die am 21. Dezember 1907 zu Münster i. W. gepflogen wurden. In der unter Vorsitz des Staatsministers Ober präsidenten Frhrn. v. d. R e c k e abgehaltenen Sitzung des Wasserstraßenbeirats für den Dortmund-Ems- Kanal legte Oberbaurat Klausen den Plan für die Ergänzungsbauten dar, die an diesem Kanal notwendig sind. Es handelt sich um eine zweite Verbindung Dortmund-Henrichenburg, die einen Kostenaufwand von etwas über 6 Millionen Mark erfordert. Es soll eine Schachtschleuse gebaut werden, wie sie in diesen Abmessungen bisher noch nirgend ausgeführt worden ist. Die neue Schleuse ist unten geschlossen durch eine Wand, in der sich ein Tunnel befindet, durch den man in den Kanal fährt. Es ist ein Gefälle von 14 m zu überwinden, zu welchem Zwecke die Schleuse im ganzen eine Höhe von 20 m hat. Auf jeder Seite sind fünf Sparbecken vorgesehen, durch die mehrere Hunderttausende Mark an Betriebskosten gespart wer den. Behufs Sicherung gegen Einflüsse des Bergbaues ist beim Henrichenburger Hebewerk ein Sicherheits pfeiler vorhanden von 600 m Radius oder 1200 m Durchmesser. Die Schachtschleuse ist nach der einen Seite hin durch diesen Pfeiler gedeckt, nach der andern Seite hin muß eine gleiche Sicherung ge troffen werden. In der Erörterung des Vortrage fragt zunächst Abg. Dr. Beumer an, warum man nicht ein zweites Hebewerk an Stelle der Schachtschleuse baue. Er wünsche, auf alle Fälle hier festgestellt zu sehen, daß dafür höchstens die Kosten, nicht aber etwa die Sicherheit und die Leichtigkeit des Betriebes maßgebend gewesen seien. Das Henrichenburger Hebe werk, mit dem die erbauende Firma Haniel & Lueg ein Musterwerk deutschen technischen Fortschritts geliefert habe, sei von anderen Staaten als Vorbild für ähnliche Anlagen ins Auge gefaßt. Um so nötigei sei im Wasserstraßenbeirat die Feststellung, daß nicht etwa Betriebsmängel des Hebewerks zu dem Plan einer Schachtschleuse geführt hätten. Oberbaurat Klausen bestätigt dies in vollem Umfange und stellt fest, daß nur die Kosten maßgebend für die Schacht schleuse gewesen seien. Reg.- und Baurat Mathies führt dann in längerer Darlegung die Notwendigkeit aus, die Schleuse in größerer Breite, also in 12 m statt in 10 m lichter Weite auszubauen. Dem schließen sich durchaus Geh.-Rat Oberbürgermeister Schmie ding, Baurat Beukenberg und Landeshauptmann Dr. Hammerschmidt an, letzterer mit dem Hin weise darauf, daß man für ein geringes Mehr an Bau kosten die Möglichkeit der doppelten Transportmenge eintausche, die doppelte Einnahme brächte und an der deshalb die Provinzen als Garantieverbände auf das lebhafteste interessiert seien. Oberbürgermeister Fürbringer und Landeshauptmann Lichtenberg haben gegen die Erbreiterung nichts einzuwenden, wenn man für die Strecke Dortmund-Emden und Dortmund-Hannover dieselben Konsequenzen ziehe. Demgegenüber weist Abg. Dr. Beumer darauf hin, daß der Kanal Rhein-Herne-Dortmund nicht ein eigent licher Kanal, sondern vielmehr ein großer Hafen sein werde, für den besondere Verhältnisse in Betracht kommen. Schließlich wird mit 20 gegen 1 Stimme folgender Beschlußantrag Mathies - Beumer an genommen: „Der Wasserstraßenbeirat hat von den Mitteilungen der Staatsregierung zu Punkt 3 der Tages ordnung Kenntnis genommen und ersucht die Königl. Staatsregierung, in eine erneute Prüfung der Frage einzutreten, ob es sich nicht empfiehlt, der Schacht- schleuse bei Henrichenburg mit Rücksicht auf die Außergewöhnlichkeit des Bauwerks neben der größeren Länge auch eine größere Breite — 12 m statt 10 m — zu geben und von dem Ergebnis der Prüfung dem Wasserstraßenbeirat Mitteilung zu machen. Die Erörterungen des Wasserstraßenbeirats für den Rhein-Herne-Kanal und die Lippe- Wasserstraße setzten zunächst sehr lebhaft bei der Feststellung der Geschäftsordnung ein, indem Landeshauptmann Dr. v. Renvers berechtigte Klagen erhob, daß in dem Gesamt - Wasserstraßenbeirat die Provinzen als Garantieverbände nicht vertreten seien, Klagen, denen hoffentlich das Staatsministerium ab helfen wird. Oberbaurat Herrmann erörterte sodann in lichtvollem Vortrage die Baupläne zum Rhein-Herne- Kanal und ging dabei des näheren auch auf die bau lichen Maßnahmen ein, die zur Verhütung von Schädi gungen durch Bodensenkungen vorgesehen seien. Re gierungsrat a. D. Scheidtweiler nahm daraus Ver anlassung, auf die großen Lasten hinzuweisen, die den am Kanal gar nicht interessierten Zechen und Hütten aus den bergpolizeilichen Vorschriften zur Sicherung der Kanalstrecke erwachsen würden, und fragte an, ob sich nicht noch die Kanalmündung von Ruhrort nach Dorsten verlegen lasse. Im übrigen wünscht er,