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24 Stahl und Eisen. Der neue Kinzua - Viaduct in Nordamerika. 22. Jahrg. Nr. 1. Der neue Kinzua-Viaduct (Abbildung 3) ent spricht in seinen Hauptabmessungen zwar dem alten, da man die vorhandenen steinernen Grund pfeiler benutzen konnte, in der Ausbildung der Eisenconstruction selbst sind aber mehrere er hebliche Abweichungen zu verzeichnen, die theils auf einen Wandel in den Anschauungen einzelner amerikanischen Brückenbautechniker zu Gunsten einer gröfseren Hinneigung zu den europäischen Bauweisen schliefsen lassen, theils aber ein Ab weichen von bewährten Grundsätzen der Brücken baukunst bedeuten, das auffallen mufs. Nach Abbildung 4 beträgt die Gesammtlänge der Eisenconstruction 625,7 m, die Höhe vom Wasserspiegel bis Schienenoberkante 91,74 m. Es sind 20 Gerüstpfeiler angeordnet, deren Säulen stellungen 11,74 m Abstand haben. Zwischen den Pfeilern verbleiben Oeffnungen von 18,6 m. Die Säulen haben die gleiche Seitenneigung von 1 : 6 wie bei dem alten Viaduct. Während die alte Construction Gelenkverbindungen enthielt, ist man nunmehr zu Nietverbindungen über gegangen und hat die Gelenkverbindungen nur | beschleunigt hat, vor allem aber die Zahl der [ auf der Baustelle zu schlagenden Nieten ver- ( ringerte. Selbstverständlich bedingt das Weg lassen der Diagonalen bei gleicher Steifigkeit der Construction einen erhöhten Materialaufwand, da die übrigen Constructionstheile dafür auf Biegung in Anspruch genommen werden. Anderer seits ist die stark nach oben verjüngte Form der Pfeilerstellungen geeignet, den Material verbrauch wieder herabzudrücken, so dafs die gewählte Anordnung im ganzen für den vor liegenden Fall doch keinen allzu grofsen Material aufwand bedingt haben mag. Wenn die An ordnung indessen mit einer Materialersparnifs begründet wird,* so glauben wir, dafs ein Trug- schlufs vorliegt, sofern die Ersparnifs nicht auf Kosten der Steifigkeit der Construction erzielt worden sein sollte. Der Längsrichtung nach sind die beiden zu einem Gerüstpfeiler gehörigen Säulenstellungen durch ein doppeltes Netzwerk und an der Basis in den unteren Gefachen bei 11 Mittelpfeilern aufserdem noch durch wage rechte Längssteifen verbunden (Abbildung 4). Abbildung 4. bei einigen untergeordneten Constructionstheilen beibehalten. Ferner ist man bestrebt gewesen, alle Bautheile möglichst steif zu construiren, Flacheisen kommen aufser bei der Herstellung zusammengesetzter Profile nicht vor, auch Rund eisen, die früher so beliebt waren, hat man beinahe gänzlich vermieden. Völlig neu ist aber die Querausbildung der Gerüstpfeiler. Man hat nämlich die Quersteifigkeit der Pfeiler nicht, wie allgemein üblich, durch Einziehen von Diagonalen in die von den Säulen und den wage rechten Steifen gebildeten Felder zu erreichen gesucht, sondern durch Bildung einzelner Steif rahmen, so dafs in der Längsrichtung der Brücke freie Durchblicke durch die Pfeiler entstehen (Abbildung 5). Zu dem Zweck sind zunächst die Säulen an und für sich möglichst steif con- struirt. Sodann hat man in Höhenabständen von rund 18,9 m sehr hohe Quersteifen zwischen die Säulen gespannt und in die von den Säulen und den Quersteifen gebildeten Ecken Kniestücke genietet (Abbildung 6). Dabei ist man zu einer erheblich gröfseren Feldertheilung gekommen, hat also viel weniger einzelne Constructionstheile erhalten, was die Aufstellung erleichtert und Ob die zuletztgenannten Längssteifen später etwa noch weggelassen worden sind, wie es nach einzelnen photographischen Aufnahmen den An schein gewinnt, entzieht sich unserer Kenntnifs. Die Säulen wurden mit dem Querschnitt (Ab bildung 7) in Längen von rund 19,2 m aus Winkeleisen und Platten in der Werkstatt her- gestellt, die einzelnen Stücke stumpf aneinander gestofsen und die ihrer Höhenlage nach mit den Mittellinien der wagerechten Quersteifen zu sammenfallenden Stöfse durch vier Bleche ge deckt (Abbildung 8). Die Deckbleche sind durch Verticalwinkel versteift, die gleichzeitig zum Anschlufs der Längssteifen in den unteren Ge fachen dienen; aufserdem sind an jedem Stofs vier wagerechte Versteifungswinkel an die inneren Säulenwände gelegt. Die Säulen sämmtlicher Pfeiler haben von oben gerechnet in allen in gleicher Höhe liegenden Geschossen den gleichen Querschnitt; in den drei oberen Geschossen sind sie aus vier Winkeleisen von 152 X 102 X 9,5 mm und zwei Platten von 610 X 11 mm mit 229 qcm * „Proceedings of the American Society of Civil Engineers“, November 1900 Seite 1068.