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Hainaut, haben sich durch das Aufkommen der Maschine nicht in dem Mafse einschüchtern lassen, wie die Nagelschmiede in Lüttich. Aufserdem besitzt Charleroi und Umgebung eine dichtere Bevölkerung, von welcher ein namhafter Theil alljährlich für eine gewisse Zeit die Heimath verläfst, um als Ziegelmacher, Maurer, Zimmer maler u. s. w. im Auslande während der Bau periode zeitweise lohnende Beschäftigung zu suchen und die übrige Zeit in ihrer Heimath mit Anfertigung von Nägeln auszufüllen. Mit unter hat in der dortigen Gegend der Arbeit geber aufser der Nagelschmiede noch eine Ketten- oder Schraubenschmiede, um sich und seinen Arbeitern bei etwaigem flauen Geschäfts gänge in dem einen oder dem anderen Zweige über schlechte Zeiten hinauszuhelfen. Nach der ganzen Entwicklung der letzten Jahrzehnte steht indessen fest, dafs die Nagelschmiederei, be sonders in den Gegenden von Lüttich und Char leroi, im Rückgänge begriffen ist, und dafs sie im Laufe der Zeit mit der Zunahme der Arbeitslöhne und dem Fortschreiten der Maschinenindustrie vielleicht ganz verschwinden wird. Ob dies zu be dauern ist oder nicht, läfst sich schwer entscheiden. D ie grofse Fabrik hat, vom socialen Standpunkte aus betrachtet, zweifelsohne ihren bedauerns- werthen Einflufs auf die Moral der dort beschäf tigten Arbeiter; diesem Einflufs kann jedoch beim Fabrikbetrieb durch entsprechende Einrich tungen für das allgemeine Wohl und die Bildung des Arbeiterstandes, sowie in besonderen Fällen durch tactvolles Vorgehen der Direction in der Regel begegnet werden. Ueberdies herrscht auch in den kleinen Handschmieden, wo jeder Arbeiter gewissermafsen sein eigener Meister ist, oftmals nicht mehr Moral als in der grofsen Fabrik, denn auch hier gewinnt der böse Einflufs Einzelner leicht die Oberhand, ohne dafs daun, wie in der grofsen Fabrik, ein Oberhaupt vor handen wäre, welches eingreifen und mit Nach druck Halt gebieten könnte. Das Verhältnifs zwischen Arbeitgeber und Arbeiter ist nämlich in den Handschmieden ein beiderseits fast un abhängiges. Es beschränkt sich von Seiten des Arbeitgebers in der Regel auf die Ausfolgung der Bestellung, sowie des zu deren Ausführung nöthigen Materiales und auf die Zurücknahme, Prüfung und Bezahlung des fertigen Erzeug nisses, wogegen der Arbeiter die ihm übergebene Bestellung mit möglichst wenig Aufwand an Zeit und Mühe auszuführen sucht. Der Arbeit geber ist durch den commerziellen Theil des Geschäftes fast vollständig in Anspruch ge nommen und hat weder Zeit noch das richtige Verständnifs, auf den Arbeiter irgendwelchen Einflufs auszuüben oder ihm bei der Ausführung der ihm übergebenen Bestellung mit Rath und That an die Hand zu gehen. Er kümmert sich nur um die richtige Ausführung des von ihm übernommenen und zu bezahlenden Erzeugnisses, versteht indefs von dem eigentlichen Gewerbe so gut wie nichts und wäre auch nicht imstande, einen einzigen tadellosen Nagel selbst anzu fertigen. Man findet übrigens selten Arbeit geber, welche sich mit handgeschmiedeten Nägeln allein befassen; fast alle sind eigentlich Eisen händler, welche auch eine kleine Werkstätte besitzen, in der Ketten, Schrauben, Muttern und dergl. angefertigt werden. Der Verkaufsladen enthält aufser den currenten Stabeisensorten auch fertige Erzeugnisse aller Art, selbst Ma schinennägel neben der handgeschmiedeten Waare. Der eigentliche, mit handanlegende und die Aufsicht führende Meister fehlt in der Regel, und der Arbeiter übergiebt seine Arbeit un mittelbar dem Händler. Nur die Ardennen machen hiervon eine Ausnahme ; ebenso bestehen in Vaux-sous-Chevremont, in der Provinz Lüttich, noch vier oder fünf Nagelschmieden, welche in der Weise organisirt sind, dafs fünf oder sechs Arbeiter in einem, dem Arbeitgeber gehörigen Raum beschäftigt sind, von demselben Material, Kohle, Werkzeuge und auch die nöthigen An weisungen bezüglich der Ausführung der Arbeit erhalten. Das in der Nagelindustrie der Wallonen angelegte Kapital ist sehr gering; es beschränkt sich von selten des Arbeitgebers in der Regel nur auf das in den Vorräthen an Materialeisen und fertiger Waare, die er auf Lager halten mufs, angelegte geringe Geld. Lüttich und Charleroi haben das Materialeisen, meist Schneid eisen, sozusagen vor der Thür, da die zahlreichen Eisenwalzwerke dasselbe stets herstellen und auf Lager halten. In den Ardennen, welche weiter von den Walzwerken entfernt und über haupt mehr entlegen sind, müssen natürlich ge wisse Vorräte an Materialeisen gehalten werden, jedoch ist zu berücksichtigen, dafs hier, wie bereits früher erwähnt, besonders kleinere Sorten Nägel erzeugt werden, dafs demnach das be treffende Materialeisen, infolge seiner kleineren Dimensionen, weniger wiegt und daher auch im allgemeinen weniger Werth darstellt. Da die Hauptverkaufszeit für Nägel der Sommer ist, die Erzeugung der Nägel aber mehr im Winter stattfindet, so mufs ein verhältnifsmäfsig gröfserer Vorrath an Nägeln als an Material eisen, besonders gegen Ende des Winters zu, gehalten werden, wobei indefs zu bemerken ist, dafs die Walzwerke, welche das Materialeisen erzeugen, den Arbeitgebern oder Händlern drei Monate Credit gewähren, während der Händler für die Nägel zum grofsen Theile sofort bezahlt wird. Der Arbeiter selbst kümmert sich, mit wenigen Ausnahen, weder um Materialien, noch um fertige Nägel. Die meisten miethen einen Raum, entweder einzeln, meist aber mehrere zusammen, und statten ihn mit den nöthigen inneren Ein-