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DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 10. Dezember 1976, 20.00 Uhr Sonnabend, den 11. Dezember 1976, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. KONZERT IM ANRECHT C UND 4. ZYKLUS-KONZERT BEETHOVEN-SCHOSTAKOWITSCH-ZYKLUS Dirigent: Hartmut Haenchen, Schwerin Solisten: Siegfried Stoekigt, Berlin, Klavier Ludwig Güttler, Dresden, Trompete Ludwig van Beethoven 1770-1827 Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 Adagio - Allegro vivace Adagio Allegro vivace Allegro ma non troppo Dmitri Schostakowitsch 1906-1975 Konzert für Klavier, Tromoete und Streichorchester c-Moll op. 35 (Klavierkonzert Nr. 1) Allegro moderato — Lento — Moderato — Allegro con brio PAUSE Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93 Allegro vivace e con brio Allegretto scherzando Tempo di Menuetto Allegro vivace LUDWIG GÜTTLER wurde 1943 in Sosa (Erz gebirge) geboren. Nach dem Abitur studierte er 1961 bis 1965 an der Leipziger Musikhoch- ^Aule (Hauptfachlehrer war Armin Männel). ^^n 1965—1969 wirkte er als Solotrompeter am Händel-Festspiel-Orchester Halle, seitdem ist er Solotrompeter der Dresdner Philharmonie. Er gastierte als Solist bei vielen Orchestern der DDR und produzierte Funk-, Fernseh- und Schallplattenaufnahmen. Gastspielreisen führ ten ihn u. a. nach Italien, in die CSSR, nach Schweden, Japan, Bulgarien, in die UdSSR, BRD und nach Westberlin. Ludwig Güttler 'st einer der erfolgreichsten Trompetenvirtuosen der DDR und zählt zu den besten Spezialisten für die Solotrompetenpartien Bachs und seiner Zeitgenossen. SIEGFRIED STOCKIGT, 1929 in Lengenfeld (Vogtland) geboren, studierte von 1946 bis 1950 an der Hochschule für Musik in Leipzig (Klavier bei Hugo Steurer). Bei nationalen und internationalen Wettbewerben wurde er wiederholt ausgezeichnet, u. a. 1951 anläßlich der Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin und 1959 beim Internationalen Musik wettbewerb in Genf. Der an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" Berlin als Professor für Klavierspiel tätige Künstler erhielt 1966 den Kunstpreis und 1974 den Nationalpreis der DDR. Auslandsgastspiele führten Siegfried Stoekigt, der auch als Komponist in Erscheinung getre ten ist, in viele Länder Europas, nach Süd- und Mittelamerika und nach Vorderasien. Schallplatten-, Rundfunk- und Fernsehverpflich- tungen gehören ebenfalls zu seiner vielseitigen Tätigkeit. ZUR EINFÜHRUNG Die 4. SinfonieB-Durop. 60 komponierte Ludwig van Beethoven im Jahre 1806 und brachte sie im März 1807 neben anderen eigenen Schöpfungen in Wien zur Uraufführung. Der Meister war zu jener Zeit - trotz der Enttäuschungen, die er mit seiner einzigen Oper, „Fidelio", eben erlebt hatte —, „heiter, zu jedem Scherz aufgelegt, frohsinnig, munter, lebenslustig, witzig, nicht selten satirisch", wie uns sein Zeitgenosse Seyfried überlieferte. Seine auch nach Mißerfolgen un gebrochene Schaffenskraft und jene geschilderte Stimmung haben sich in der „Vierten", die in relativ gedrängter Zeit entstand, niedergeschlagen. Die Sinfonie weist durchweg eine inhaltliche Helle, eine heitere Atmosphäre auf, die von Haydn und Mozart gewiß nicht unbeeinflußt ist, obwohl Beethoven auch in die sem Werk — nach der „Eroica" — eine ganz neue Stufe seiner Entwicklung erreicht hat, die sich etwa in der diffizilen Harmonik und in der inhaltlichen Klarheit offen bart. Der Aufbau der 4. Sinfonie ist locker, fast improvisiert; sie strotzt vor musi kalischen Einfällen die den Eindruck optimistischer Lebenshaltung erzeugen. Nur selten einmal werden Schatten beschworen, Hintergründe gesucht. Geheimnisvoll wirkt zunächst die Adagio-Einleitung des ersten Satzes, aus deren verschwebend-erregenden Klängen sich plötzlich in frischem Allegro-vivace-Tempo das heiter-bewegte Hauptthema mit seinem Trioienauftakt herauslöst, das für den Satzablauf bestimmend wird. Dem reizvoll-beschwingten Spiel mit diesem Thema werden noch zwei Seitenthemen in F-Dur, durch Holzbläser vorgeführt, beigegeben, die im Gefolge mit dem Hauptgedanken die urmusikantische Stim mung der Durchführung vorantreiben. Keine Konfliktsituation kommt auf. Doch allmählich weicht die Turbulenz der Entwicklung einer Episode inniger Ruhe und Schönheit. Auf schwebenden H-Dur-Harmonien scheint die Bewegung zu Ende zu sein. Doch über einem sich steigernden Paukenwirbel fängt das Spiel mit dem Hauptthema noch einmal an und wird zu einem glanzvollen Schluß geführt. Der melodisch-empfindungsvolle langsame Satz, ein Adagio in Es-Dur, wird von zwei Themen getragen. Dem Hauptthema, in den Violinen erklingend, schließt sich ein schwärmerischer Seitengedanke in den Klarinetten an. Unbeschreiblich friedvoll, traumhaft, sphärisch rein mutet dieses Adagio mit seiner differenzierten Dynamik und der eigenartigen Instrumentation an. Der Einbruch des Leides in diese glückhafte Welt wird überwunden. Typischen Scherzocharakter besitzt der dritte Satz, Allegro vivace, mit seiner rhythmischen Ursprünglichkeit, der Derbheit seines Ausdrucks. Das Trio verarbei tet eine verspielte Ländlerweise, die in den Holzbläsern angestimmt wird. Lebenssprühend, wirblig gibt sich das Finale, Allegro ma non troppo, das zwar in Mozartschem und Haydnschem Geiste entworfen, doch in vielen Schroffheiten den typischen Beethoven erkennen läßt. Ruhelose Sechzehntelbewegungen cha rakterisieren das markante erste Thema, volksliedhafte Melodik das zweite. Welch ein Spiel mit Motiven, Stimmungen und Steigerungen! Welch meisterlicher Humor durchpulst diese Partitur! Man achte auch auf die Überraschungen des Schluß teils mit seinen Orchesterschlägen und Generaipausen. Mitreißend im wahrsten Wortsinn ist dieses Sinfonie-Finale. Dmitri Schostakowitsch schrieb das viersätzige Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester c-Moll op. 35 im Jahre 1933 und brachte es am 15. Oktober des gleichen Jahres in Leningrad als Solist des Klavierpartes selbst zur Uraufführung. In seiner Besetzung erinnert das Werk an die vorklassische Musik. Da Klavier und Trompete mehrfach mit einander konzertieren, kann man es eine Art Doppelkonzert nennen, obwohl es eigentlich als 1. Klavierkonzert in der Werkliste des Komponisten rangiert. Die Musik ist reich an Kontrasten, an dramatischen und dynamischen Impulsen, klar