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sehen als Zitat einwerfen. Nach Meinung von Maxim Schostakowitsch, dem Sohn des Komponisten und Dirigenten der Uraufführung, taucht der Rossini-Marsch hier als ferne Erinnerung an erste musikalische Kindheitseindrücke seines Vaters auf; zumindest läßt eine interessante Äußerung des Komponisten einen solchen Schluß zu: Er bezeichnet den ersten Satz als „Bild eines Spielzeugladens". Und sein Sohn ergänzt diesen Hinweis, der auch die Buntheit und faszinierende Bilderfülle erklärt, mit den Worten: „Ein .Spielzeugladen', aber mit einer großen, wenn man das sagen darf, perspektivischen Entwicklung". Dem heiteren Rückblick folgt als zweiter Satz ein im Ausdruck ernstes Adagio, das wie ein unheilvolles und düsteres Ereignis im menschlichen Leben herein bricht. Einen tragischeren Satz hat Schostakowitsch wohl nicht geschrieben. Gleich drei seiner wesentlichsten Gestaltungsmomente des Tragischen — Bläserchoral, deklamatorisches Melos und Trauermarsch — werden hier auf engstem Raume konzentriert. Ein erhaben-ernster Bläserchoral eröffnet den Satz. Den über 17 Takte erklingenden kompakten Bläserakkorden folgt als instrumentaler Kontrast ein Solo des Violoncellos, dessen deklamatorisches Melos eindringlich wirkt und eine weitere Seite des tragischen Konfliktes „aufreißt". Diesem expressiven Rezitativ schließt sich der von der Solo-Posaune eingeleitete Trauermarsch an. Das Adagio wurde einmal mit einem großen Memorial verglichen — zum Ge denken an die Opfer der Revolution, des Großen Vaterländischen Krieges in der Sowjetunion, eine Erinnerung auch an alle gefallenen Helden, die für den Fort schritt der Menschheit kämpften. Aus diesem Adagio wächst ohne Unterbrechung ein neues Allegretto, der dritte Satz hervor, dessen quirlige, übersprudelnde Lebendigkeit und mutwillige Aus gelassenheit (Quintbässe) schon im ersten Thema unüberhörbar sind. Die einzelnen Verwandlungen des Themas, das zuerst von den Klarinetten ange stimmt wird, müssen nicht beschrieben werden, sie prägen sich beim ersten Hören ein und leben vom klanglichen Kolorit der jeweiligen Instrumente. Im Unter schied zu anderen Scherzosätzen des Komponisten hat dieses Allegretto keine grotesken und wilden Züge, es steht mehr der tänzerisch empfundenen Burleske nahe. Mit einem Zitat des Motivs der Todesverkündigung aus Wagners „Walküre" wird das Finale eingeleitet; es korrespondiert in seinem gedanklich-philoso phischen Anspruch, in seinem ernsten Ausdruck zum zweiten Satz und trägt wie dieser die Bezeichnung „Adagio". Daß sich beide Sätze trotzdem voneinander unterscheiden, wird ganz deutlich, wenn nach den düsteren, schicksalsschweren Wagnerschen Blechbläserklängen eine Allegrettoepisode einsetzt, die alles, was vorher tragisch und von grüble rischem Ernst bestimmt war, in einer gelösten und freundlich-zuversichtlichen Haltung „aufhebt". Dafür sorgt ein lyrisches, fast tänzerische Leichtigkeit aus strahlendes Thema in den 1. Violinen, das danach von der Flöte und den Strei chern in lichtvolle Höhen geführt wird, um so den inhaltlichen Kontrast zum Schicksalsmotiv zu unterstreichen. Die feste innere Geschlossenheit des Finales betont noch ein streng geformter Abschnitt im Charakter einer Passacaglia, bis dann Reminiszenzen des Flötenthemas aus dem ersten Satz den Ausklang bilden. Das Flötenthema erscheint hier nicht mehr kindlich-verspielt, sondern von philosophischer Weisheit durchdrungen. „Morendo" (ersterbend) steht über den letzten Noten der 15. Sinfonie. Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1976/77 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in die Sinfonischen Zwischenspiele aus „Katerina Ismailowa“ von Schosta kowitsch schrieb Prof. Dr. A. Brockhaus; die Einführung in die 15. Sinfonie Schostakowitschs verfaßte Hans-Peter Müller für das Konzertbuch III, Leipzig 1974, DVfM Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 T. ItG 009-68-76