Volltext Seite (XML)
VORTRAGSFOLGE Rainer Kunad (geb. 1936) Scene concertante für Orchester (1975) Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Konzert für Violine und Orchester D-Dur KV 218 Allegro Andante cantabile Rondo (Andante grazioso — Allegro ma non troppo — Andante grazioso) Pause Ludwig van Beethoven (1770-1827) Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 Poco sostenuto Allegretto Presto Allegro con brio Zur Einführung ..SCENE CONCERTANTE" von Rainer Kunad (geb. 1936) entstand 1975 im Auftrag der Dresdner’ Philharmonie und in der gesellschaftlichen Part nerschaft des Zentralinstituts für Kernforschung Rossendorf. Szenische Fantasie wird benutzt für ein konzertantes Stück: Vier dramatische Ge stalten, janusköpfig aus den vier Grundformen einer Zwölftonreihe ent wickelt, treffen konzertierend (also streitend) aufeinander. Eine melodische Gestalt (Streicher) wird von einer motorischen (Pauken, später tiefe Blä ser und Kontrabässe) angetrieben.Eine akkordische Gestalt (Blechbläser) schiebt sich unvermittelt hart zwischen die übrigen. Und eine figurative Gestalt (Holzbläser) schließt sich unmerklich leise an. So entsteht eine dra matische Szene. Die vier Gestalten profilieren sich nun, sie steigern sich zunächst, verändern sich dabei, indem sie ihr musikalisches Profil gegen seitig aufnehmen, austauschen. Dies alles geschieht auf dramatisch zu gespitzte Art und Weise. Schließlich münden alle vier Gestalten in eine melodische Bahn. Diese vierstimmige Melodik wandelt sich zur zweistim migen und dann zur einstimmigen. Zielpunkt des furiosen Tutti-Uniso- nos ist der Ton B. Nach Erreichen dieser allgemeinen Übereinstimmung verabschieden sich die Gestalten leise, verhalten mit einer Reminiszenz ihres ursprünglichen Ausdrucks. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb im Jahre 1775 im Laufe weniger Mo nate eine Gruppe von fünf Violinkonzerten, von denen das vierte in D-Dur, KV 218, heute erklingt. Zu jener Zeit war der 19jährige als Kon zertmeister im Hoforchester des Salzburger Erzbischofs angestellt und schrieb daher diese Konzerte vermutlich für den eigenen Gebrauch, da man von ihm natürlich auch solistische Leistungen auf seinem Dienst instrument verlangte. Obwohl Mozart schon als Kind gut Geige spielte, wandte er sein Interesse — gerade auf dem Gebiet des Solokonzertes — späterhin doch mehr und mehr dem Klavier zu, für das er kennzeichnen derweise bis zu seinem Lebensende immer bedeutendere Konzerte schuf, während uns an Violinkonzerten nur diese frühen Werke vorliegen (zwei weitere Konzerte blieben in ihrer Echtheit umstritten). Die Violinkonzerte zeigen die Bekanntschaft des jungen Musikers mit den Schöpfungen italienischer Meister wie Boccherini (so erinnert übrigens gerade das D- Dur-Konzert KV 218 nach musikwissenschaftlichen Forschungen in we sentlichen Zügen an ein in gleicher Tonart stehendes, etwa zehn Jahre älteres Violinkonzert von Boccherini), lassen aber ebenso den Einfluß Johann Christian Bachs und der französischen Violinisten spüren. Die beiden ersten Konzerte erscheinen in vieler Hinsicht noch als recht kon ventionelle Zeugnisse einer eleganten höfischen Kunstübung und sind heute weniger bekannt, in den drei letzten jedoch (G-Dur, D-Dur, A-Dur) wird bereits inhaltlich wie formal eine bedeutsame Vertiefung und Berei cherung bemerkbar. Bei weitgehendem Verzicht auf äußerliche Effekte wirken diese Werke besonders durch ihre jugendliche Unmittelbarkeit und Anmut, durch ihre innige, beseelte Melodik. Mit einem rhythmisch energischen, marschartigen Gedanken einsetzend, bringt der Eröffnungssatz unseres D-Dur-Konzertes eine Fülle echt Mo- zartscher und bereits im Sinne sinfonischer Arbeit durchgeführter Themen. In eleganten, glitzernden Figurationsteilen wird zugleich dem Solisten reichlich Gelegenheit geboten, seine virtuosen Künste zu entfalten. Einen einzigen, ununterbrochenen Gesang der Solovioline von edelster melodi scher Schönheit stellt der empfindungstiefe langsame Mittelsatz (Andante cantabile) dar. Als Rondo wurde nach üblichem Brauch das — ganz zart und leise ausklingende — Finale gestaltet. Wie bei den Finalsätzen der Violinkonzerte G-Dur und A-Dur sind von Mozart auch im musikalischen Geschehen dieses graziösen Schlußsatzes Volksweisen verarbeitet worden. Für eines seiner „vorzüglichsten" Werke hielt Ludwig van Beethoven seine 7. SINFONIE A-DUR OP. 92, die tatsächlich auch von ihrer trium phalen Uraufführung an bis heute stets ein Lieblingswerk des Publikums wie der Dirigenten gewesen ist und schnell eine außerordentliche Popula rität errungen hatte, wenn es auch anfangs, durch die Kühnheit und Neu artigkeit dieser faszinierenden, aber- höchst eigenwillig gestalteten Kompo sition bedingt, nicht an kritisch ablehnenden Stimmen fehlte. Die von Beethoven 1811 begonnene (einzelne Skizzen reichen schon in frühere Jahre zurück) und 1812 vollendete Sinfonie wurde zusammen mit der naturalistischen Programm-Sinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ in einem Wohltätigkeitskonzert zugunsten verwundeter bay- risch-österreichischer Soldaten, die Napoleon 1813 in der Schlacht bei Hanau geschlagen hatte, am 8. Dezember 1813 in Wien uraufgeführt und versetzte dabei, ebenso wie in den bald darauf folgenden Wiederholun gen, die Zuhörer in unglaubliche Begeisterung. So schrieb die „Wiener Zeitung“ zu diesem Ereignis: „Der Beifall, den Beethovens kraftvolle Kompositionen, von ihm selbst dirigiert, und die aus Eifer für die Kunst und die Sache des Vaterlandes zu diesem Feste der Kunst und der patrio tischen Wohltätigkeit vereinigten ersten Künstler der Kaiserstadt bei allen Zuhörern fanden, stieg bis zur Entzückung.“ Als hochbedeutender künstlerischer Beitrag des vom „reinen Gefühl der Vaterlandsliebe“ durchdrungenen Meisters zum Befreiungskampf gegen die napoleonische Herrschaft steht das aufrüttelnde, Elan und aktivierende Kraft ausstrah lende Werk gewiß mit der Zeit seiner Entstehung in ideellem Zusammen hang, wenn es sich hier wohl auch weniger um direkte programmatische Bezüge handelt. Da Beethoven zu der „Siebenten“ im Gegensatz zu der vorangegangenen 6. Sinfonie (Pastorale) keinen Schlüssel für eine be-