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stimmte programmatische Deutung gegeben hat, hat das Werk immer wieder zu mancherlei, zum Teil sogar recht seltsam phantastischen Er- klärungs- und Deutungsversuchen gereizt, die allerdings meist nur ge wisse Wesenszüge, nicht aber seine Gesamtheit erfaßten. Besonders be rühmt wurde Richard Wagners von der ungemein starken Betonung des rhythmischen Elements in dieser Schöpfung ausgehende Deutung als ..Apotheose des Tanzes' 1 ; Robert Schumann wiederum faßte die Sinfonie als Schilderung einer Bauernhochzeit auf, und der Musikwissenschaf 1er Arnold Schering legte sie gar nach Szenen aus Goethes ..Wilhelm Meisters Lehrjahre“ aus. Indessen kann man mit derartigen, doch schließlich am Äußerlichen haftenden Erklärungen kaum der Eigengesetzlichkeit dieser Musik, ihren besonderen Ausdrucksmitteln gerecht werden. Das Grund element eines vitalen, pulsierenden Rhythmus, der sich als alles beherr schende, alles gestaltende Kraft erweist (charakteristischerweise gibt es in der ganzen Sinfonie, ebenso wie in der ..Achten“, keinen langsamen Satz), aber auch eine interessante, neuartig bereicherte Harmonik, eine eng verzahnte Thematik und eine überaus großzügige, kühne Linienfüh rung schufen zusammenwirkend hier ein strahlend-glanzvolles Werk überschäumender Lebensfülle von festlicher Heiterkeit bis zu ausge lassenstem, wild entfesseltem Taumel, in dem Beethoven in schöpferi scher Entwicklung zu absolut neuen Ordnungen und Formungen vorge drungen ist. Mit einer breit angelegten, wie abwartend wirkenden langsamen Einlei tung, die unmerklich zum Hauptsatz (Vivace) hinführt, beginnt der erste Satz. Das lebenssprühende, in punktiertem Sechsachtelrhythmus ste hende Hauptthema durchzieht als dominierende rhythmische Grundfigur den gesamten, wechselvollen Stimmungen unterworfenen Satz, der trotz an sich frischen, hellen Charakters doch bereits, ähnlich wie später das Finale, reich an schroffen dynamischen Kontrasten, kühnen Modulatio nen, starken Ausdrucksspannungen und Steigerungen ist. Der zweite Satz, von Beethoven als erster entworfen, bildet das Kern stück der Sinfonie und erregte von Anfang an besondere Aufmerksamkeit und Begeisterung. Dieses von tiefer Empfindung beseelte, wunderbare a-Moll-Allegretto ist in erweiterter dreiteiliger Liedform angelegt; wäh rend der erste Teil ein ernstes Thema in gleichsam gebrochenem Marsch rhythmus bringt, dem als Gegenstimme eine innige, ausdrucksvolle Me lodie der Celli und Violen beigegeben ist, wird im gesangvollen, freund lichen Mittelteil besonders der Gegensatz zwischen Moll und Dur wirk sam. Nachdem am Schluß noch einmal die Marschweise auf genommen wurde, schließt das Stück, wie es auch begonnen hatte, mit einem fragen den Quartsext-Mollakkord. Im dritten Satz, einem verhältnismäßig ausgedehnten Scherzo, fällt die damals innerhalb einer A-Dur-Sinfonie ungewöhnliche Wahl der Tonart F-Dur auf. Der lebensfrohe, kapriziöse Presto-Satz rauscht in funkelnder, sprühend-jugendlicher Ausgelassenheit an uns vorüber, zweimal kon trastierend unterbrochen von einem lyrischen, liedhaften Trio-Teil, des sen Thema einem Zeitgenossen Beethovens zufolge einem österreichischen Wallfahrtsgesang entnommen sein soll und dessen besonderer Effekt eine sogenannte liegende Stimme, hier der Klang des festgehaltenen Tones a, darstellt. Voller bacchantischem Überschwang gibt sich schließlich das stürmische Finale. Vor allem die Kühnheiten, die zahlreichen melodischen und me trischen Wiederholungen, die Orgelpunkte, und überhaupt die „Aufge- knöpftheit“ dieses ausgelassenen Satzes wurden Anlaß für kritische Äuße rungen der Zeitgenossen, und man hat ihn einmal sogar als „Gipfel der Gestaltlosigkeit“ bezeichnet. Ein ungestümer Ausbruch heftiger Leiden schaften, von elementarem Rhythmus umtost, trägt aber gerade das in jubelndem Tutti endende Finale des Werkes charakteristischste Züge der eigenwillig-genialen Persönlichkeit seines Schöpfers. Dr. habil. Dieter Härtwig FREIBERGER HOCHSCHULTAGE 1976 BERG- UND HÜTTENMÄNNISCHER TAG KONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE Dirigent: Günther Herbig Solistin: Brigitte Funke, Dresden, Violine Donnerstag, den 3. Juni 19/6, 19.00 Uhr Kreiskulturhaus „Tivoli“ Freiberg, Dr.-Külz-Str. 3 III-11-4 Kg 206-76 0.650 576 628-45