ZUR EINFÜHRUNG Das festliche Gastkonzert der Dresdner Philharmonie anläßlich des IV. Festivals der sorbischen Kultur in Bautzen wird mit einem bedeutenden Werk des zeitgenös sischen sorbischen Musikschaffens eröffnet: mit der Symphonie verte- bleue von Jan Raupp. Der Komponist, 1928 in Bautzen geboren, studierte in den Jahren 1947 bis 1955 in Prag am Konservatorium und an der Karls-Uni versität und promovierte 1962 an der Humboldt-Universität Berlin. Dr. Raupp ist als wissenschaftlicher Arbeitsleiter am Bautzener Institut für sorbische Volks forschung der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin, tätig. Er veröffent lichte bisher vier Bücher über sorbische Volksmusik und Musikgeschichte. An Kompositionen entstanden vorwiegend Orchesterwerke. 1970 wurde der nam hafte sorbische Komponist und Musikwissenschaftler für sein verdienstvolles Schaffen mit dem Cisinski-Staatspreis ausgezeichnet. 1972 brachte Eterna eine Langspielplatte mit seinen „Metamorphosen" für Orchester, dem „Essay" und dem „Concerto animato" für Violine und Orchester heraus. Die „Symphonie verte-bleue" wurde in den Jahren 1973/74 komponiert. Ihr ursprünglicher Titel „Sinfonia rustica" sollte auf die sorbische ländliche musik- folkloristische Tradition hinweisen, in der die Musik des Werkes mehrfach ver wurzelt ist. „Um aber dann doch .bäuerlichen' Assoziationen vorzubeugen, die in unserer Zeit das Retrospektive betonen und somit desorientieren würden, wählte ich die sinntragenden (und in der Lausitz typischen, auch in Liedern besungenen) Farben grün-blau", äußerte der Komponist. In Jan Raupps „Symphonie verte-bleue" spiegelt sich deutlich sein Doppel beruf als Musikwissenschaftler und Komponist. Die Partitur verarbeitet weit gehend Intonationen der sorbischen Musikfolklore, um deren Erforschung sich der Autor verdient gemacht hat. Das Werk möchte weniger Auseinandersetzung mit bestimmten Problemen sein, als vielmehr eine „Bewahrung des Guten", bestimmter volksmusikalischer Elemente auf sinfonischer Ebene sein. In der Synthese Volks- und kunstmusikalischer Elemente liegt denn auch der Reiz des Stückes, das in seiner stilistischen Haltung ein klares Bekenntnis zur Tradition ablegt und auf tonaler Grundlage (mit aparter Quarten- und Quintenharmonik) beruht. Im formalen Bereich wird freilich das Herkömmliche verlassen. Hier be gegnet nicht der viersätzige sinfonische Zyklus, sondern das musikalische Ge schehen der „Symphonie verte-bleue" entfaltet sich gleichsam rhapsodisch in einzelnen Bildern, die in Ausdruck und Tempo kontrastieren, jedoch ohne deut liche Trennung ineinander übergehen. So lassen sich insgesamt fünf ieile erkennen, die zum Ganzen gefügt sind. Besinnliche und lebensvoll-tänzerische Züge prägen den Charakter des Werkes. Elemente volksmusikantischer Spielweise prägen sogleich den Ausdruck des ersten Abschnittes (Allegretto giocoso). So wie es zu Anfang oder bei den Stellen der Solovioline klingt, musizierten die Musikanten der Muskauer Heide noch unlängst (in Schleife noch heute). Das Englischhorn zitiert das sorbische Volkslied „Es stürzte die Eberesche", wenig später wird das Thema eines sor bischen Volkstanzes eingeführt. So wie im ersten Teil werden im ganzen Stück sorbische Volkslieder oder Melodieteile in die sinfonische Entwicklung einbezo gen, mit eigenen Gedanken des Komponisten konfrontiert. Die Antwort auf den „schwereren" Ansatz des vierten Teiles (Larghetto) ist zum Beispiel das Volks lied „Schau, laufe hin". Bald danach wird das Bruchstück eines besonders be kannten Liedes aus Schleife zitiert: „. . . komm doch lieber zu uns . . .". Dieses Motiv klingt auch später, insbesondere am Schluß des Werkes, erneut an. Der Beginn des letzten Abschnittes (Andante), in den solistischen Streichern, ist ein Volkstanz. Jan Raupp