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Mehr als graziöser Tanz gibt sich das folgende Scherzo mit kapriziösem Trio. Im Finale schließlich (Allegretto assai) führt das betont schlichte, fast Haydnsche Hauptthema den munteren, rondoartigen Reigen an. Virtuosität, gelegentliche dramatische Zuspitzungen würzen den geistvollen Satz. Carl Maria von Weber schrieb als Opernkapellmeister in Breslau, Prag und Dresden, aber auch auf Grund seiner Beziehungen zu den Theatern in Stuttgart, München und Berlin eine Reihe von Bühnenmusiken, die meist seinen untrüglichen Blick für die nichtige szenische Wirkung erweisen. Bei diesen Arbei ten handelt es sich entweder um Instrumental- oder Vokalmusiken für Schauspie le oder um kleinere Einlagen in Opern, auch um Bearbeitungen fremder Kom positionen. Als erste seiner größeren Schauspielmusiken entstand die zu Schillers Fassung von Gozzis Märchenstück „Turandot". Bereits in seiner Breslauer Zeit (1806) hatte er eine (freilich bis auf ihren Titel verschollene) „Overtura Chi nese" geschrieben, auf die er im Herbst 1809 in Stuttgart zurückgriff. Er arbeitete das Stück in eine Ouvertüre zu Schillers „Turandot" um und schrieb dazu noch einige Märsche und kleinere Zwischensätze, im ganzen sieben Stücke. Für das Hauptstück, die reizvolle Ouvertüre, benutzte er eine in Rousseaus „Dictionnaire de musique" angegebene chinesische Originalmelodie. Er selbst sagte dazu: „Trommeln und Pfeifen tragen die seltsame, bizarre Melodie vor, die dann, vom Orchester ergriffen, in verschiedenen Formen, Figuren und Modu lationen festgehalten und ausgeführt ist." Dieses Thema, das dem Stück seinen ganz eigenen Reiz verleiht, beherrscht die ganze Ouvertüre. Es erklingt zunächst in der Kleinen Flöte, begleitet von Trommeln; dann entfaltet er sich in mannig fachen Varianten, die durch wechselnde Rhythmik und Farbgebung wirkungsvoll belebt sind. Naive Fünftonmelodik, fremdartigee Instrumentation und Harmonik spielen geistvoll mit dem Reiz der Exotik. (Paul Hindemith verarbeitete das Thema in seinen „Metamorphosen Weberscher Themen", die im 10. Zyklus-Konzert auf dem Programm stehen). Der anschließende Marsch (Nr. 2 der Schauspiel musik) ist der Ouvertüre nahe verwandt; das Thema ist nur marschmäßiger be handelt. Holzbläser und Schlagzeug sind in der ganzen „Turandot"-Musik sehr charakteristisch verwendet. Das 1784 veröffentlichte, jedoch bereits vor 1782 entstandene Konzert für Klavier und Orchester D-Dur ist vor allem wegen seines dankbaren Solopartes neben dem Violoncellokonzert D-Dur und dem Trompetenkonzert Es-Dur eine der bekanntesten konzertanten Kompositionen Joseph Haydns. Weniger in der Verarbeitung der Themen als in der musikantischen, witzig-amü santen Darlegung der Gedanken liegt die Bedeutung des liebenswürdigen Wer kes, dessen Klaviersatz sich durch virtuoses Auszieren des volkstümlich-schlichten melodischen Grundmaterials auszeichnet, dabei zugleich geschmeidig und wir kungsvoll ist. Das eigentliche Kernstück des Konzertes bildet der dritte Satz, ein temperamentvolles, feuriges „Rondo all'Ungherese", das auf die Intonationen ungarischer Volksmusik zurückgreift und sie zu reizvollen virtuos-koloristischen Entwicklungen im Solopart führt. Auch die beiden anderen Sätze, der lebhafte Einleitungssatz (Vivace) mit seinem tänzerisch-liedhaften Hauptthema und der ansprechende Mittelsatz (Un poco Adagio) mit seinem eigentümlich sprunghaf ten Hauptthema, weisen in ihrem Charakter eine gewisse Verwandtschaft mit dem Finale auf. Carl Maria von Webers Oper „Euryanthe" wurde am 25. Oktober 1823 in Wien uraufgeführt. Trotz anfänglichen Erfolges, der wohl mehr der Person des durch seinen „Freischütz" bereits weltberühmt gewordenen Komponisten galt, konnte sich das Werk durch das unzulängliche, verworrene Libretto der Dichterin Helmine von Chezy (1783—1856) nicht im Repertoire der Musikbühnen halten. Auch verschiedene Bearbeitungen vermochten an dieser Tatsache bis heute nichts zu ändern. Ähnlich wie bei Webers letzter Oper „Oberon", die gleichfalls unter einem wenig bühnenwirksamen Textbuch leidet, sind von der herrlichen Musik des Komponisten bei beiden Werken eigentlich nur die Ouver türen lebendig geblieben, diie als wirkungsvolle, glänzende Orchesfcerstücke mit Recht zu den beliebtesten Schöpfungen Webers gehören und häufig im Konzert saal begegnen. Wie in der Ouvertüre zum „Freischütz" wird auch in der „Euryanthe"- Ouvertüre der Grundgedanke der Oper zum Ausdruck gebracht: der Sieg des Guten über das Böse — die Überwindung feindlicher, böser Mächte durch die standhafte Liebe eines edlen jungen Paares. Der Oper entnommene Motive wer den in diesem Sinne programmatisch miteinander verbunden, jedoch bedarf es zum Verständnis des äußerst plastisch gestalteten Werkes keineswegs einer ge nauen Kenntnis der im einzelnen nicht eben logischen, sehr verschlungenen Handlung, die lim mittelalterlich-ritterlichen Milieu soielt. Das heroisch-stolze Marschthema zu Beginn der Ouvertüre gibt eine allgemeine Einstimmung in die Welt ritterlichen Glanzes. In einem gesangvollen Seitenthema erklingt die schwärmerische Liebesweise des Ritters Adolar, des Helden der Oper. Nach einem spannungsreichen Übergang beschwört eine kurze Largo-Episode mit schweben den Geigenklängen eine feierliche, geheimnisvoll-mystische Stimmung herauf — die motivische Andeutung von Gefahren, die dem Liebespaar fast zum Verhäng nis werden. Nun entwickeln sich ein in den tiefen Streichern beginnendes Fugato, das allmählich wieder zu den Motiven des Anfangs überleitet. Mit der Wieder aufnahme und Vereinigung der beiden Themen der Einleitung wird in einem ju belnden, strahlenden Hymnus schließlich der Sieg des Guten gefeiert. Carl Maria von Weber und Dresden (I) Weber komponierte seine drei großen Opern „Der Freischütz", „Euryanthe" und „Oberon", mit denen er in die Geschichte des musikalischen Theaters eingriff, in Dresden. Zwar erlebte keines dieser Werke hier die Uraufführung, doch war die ganz eigene Atmosphäre der Stadt, die landschaftlichen Reize ihrer Umge bung unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung des schöpferischen Wer kes Carl Maria von Webers. So ist mit Recht gesagt worden, daß erst die Dresdner Jahre Webers, 1817—1826 - es waren die letzten Jahre seines Lebens, die ihm eine tückische Krankheit noch vergönnte —, die Vollendung seines Künstlertums gebracht haben. Mit gutem Gewissen darf sich Dresden deshalb eine Weber-Stadt nennen, so wie wir von Dresden als der Stadt eines Heinrich Schütz, eines Richard Wagner oder eines Richard Strauss sprechen, obwohl auch diese Meister wie Weber nicht gebürtige Dresdner und ihre Beziehungen zu der Stadt durchaus sehr verschiedenartig waren. Bevor Weber 1817 dauernden Aufenthalt in Dresden nahm, war er bereits ver schiedentlich auf seinen Kunstreisen hierher gekommen, nachweisbar zum ersten Male im März 1807. Doch das Konzert, das er zu geben beabsichtigte, wurde abgesagt. Ob er schon als 14jähriger in den letzten Tagen des Jahres 1800 vor oder nach der Uraufführung seiner Oper „Das stumme Waldmädchen" in Frei berg über Dresden kam, ist nicht überliefert, jedoch anzunehmen. Am 14. Februar 1812 veranstaltete er zusammen mit seinem Freunde, dem Münchner Klarinettenvirtuosen Heinrich Baermann, im Hotel de Pologne eine Musikalische Akademie „unter dem Beistand der Königlichen Kapelle". Die Billette gab es „bei den Herren Virtuosen selbst, im Goldenen Engel Nr. 15, in der 3. Etage". „Nie habe ich einen Ort gefunden, wo wir von Seiten der Bewohner so miserabel aufgenommen worden sind. Dresden erwischt uns nicht wieder!“ — schrieb Weber, offenbar enttäuscht über den geringen Erfolg dieses Konzertes, damals in sein Tagebuch. Noch konnte er nicht ahnen, daß Dresden einmal seine zweite Heimat