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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 13. März 1976, 20.00 Uhr Sonntag, den 14. März 1976, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 6. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Rolf Reuter, Leipzig Solistin :-Regina Smendzianko-,- VR Polen, Klavier Eva Ander, Dresden Igor Strawinsky 1882-1971 Sinfonie in drei Sätzen (1945) I II Andante III Con moto Klavier: Karl-Heinz Naumann Carl Maria von Vifeber Q Maurice Ravel Konzert für Klavier und Orchester <$-Dur Nr. 4875—F937 Op . Aflegramente— Adag-io-ossai Presto-— I II PAUSE Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Es-Dur KV 543 1756-1791 Adagio — Allegro Andante con moto Menuett (Allegretto) Finale (Allegro) REGINA SMENDZIANKA, Schülerin von Henryk Sztompka und Zbigniew Drze- wiecki, ist Preisträgerin des IV. Interna tionalen Chopin-Wettbewerbes 1959. Bereits als achtjähriges Wunderkind in ihrer Heimat hervorgetreten, beendete sie 1948 ihr Musikstudium in Krakow mit Auszeichnung. Nach dem Examen be gann für sie eine umfangreiche Konzert tätigkeit. Sehr erfolgreiche Auslands tourneen führten die Pianistin in viele Länder Europas, Asiens und Amerikas. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, so erhielt sie u. a. 1961 den Kunstpreis und 1965 die Goldmedaille der Stadt Kra kow. An der Musikhochschule in War schau leitet sie als Professorin eine Klavierklasse, 1972 wurde sie zum Rek tor des Instituts ernannt. Sie ist auch Sekretärin der Chopin-Gesellschaft in Warschau. Zahlreiche Rundfunk- und Fernsehaufnahmen trugen zur Populari tät der polnischen Künstlerin bei, die bereits 1965 und 1967 mit der Dresdner Philharmonie konzertierte. ROLF REUTER, 1926 als Sohn des nam haften Komponisten und Musikwissen schaftlers Prof. Dr. Fritz Reuter in Dres den geboren, studierte an der Akade mie für Musik und Theater in seiner Heimatstadt bei Ernst Hintze und Fi delio F. Finke. Seine Dirigentenlauf bahn begann 1951 am Landestheater Eisenach. 1955 wurde er Musikdirektor in Meiningen. Seit 1961 wirkt er als Dirigent am Opernhaus Leipzig, wo er 1963 zum Generalmusikdirektor er nannt wurde. Gleichzeitig ist er im Lehrauftrag Fachrichtungsleiter für Diri gieren an der Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy" in Leip zig. Erfolgreiche Gastspiele als Konzert- und Operndirigent führten GMD Rolf Reuter zu Spitzenorchestern der DDR sowie u. a. nach Bulgarien, Jugosla wien, in die CSSR, nach Kuba und in die BRD (Münchner Philharmoniker, Staatsoper München). ZUR EINFÜHRUNG Unser heutiges Konzert beginnt mit einer Arbeit des 63jährigen igor Stra winsky, die dennoch stilistische Reminiszenzen an seine Sturm-und-Drang-Zeit, an die kühne Klanglichkeit und vulkanische Rhythmik etwa des „Sacre du Prin- temps" aufweist: die Sinfonie in drei Sätzen, die 1945 im Auftrag der Philharmonie Symphony Society of New York entstand und von dieser ein Jahr später uraufgeführt wurde. Im Programmheft der Uraufführung schrieb Stra winsky: „Meine Sinfonie ist der New York Philharmonie Society als Dank für eine 20jährige Zusammenarbeit mit dieser hervorragenden musikalischen Institution gewidmet. Der Sinfonie liegt kein Programm zugrunde, es wäre vergeblich, ein solches in meinem Werke zu suchen. Doch es ist möglich, daß der Eindruck un serer schwierigen Zeit mit ihren heftigen und wechselnden Ereignissen, ihrer Ver zweiflung und Hoffnung, ihrer unausgesetzten Peinigung, ihrer Spannung und schließlich Entspannung und Erleichterung Spuren in dieser Sinfonie zurückgelas- sen hat". Tatsächlich ist die Sinfonie, vor allem in ihren von leidenschaftlicher Dramatik und pathetischer Spannung erfüllten Ecksätzen, eine der wenigen Kom positionen des späten Strawinsky, in denen der Atem unserer Zeit deutlich spür bar wird. In dieser seiner wohl bedeutendsten und anspruchsvollsten Auseinan dersetzung mit dem sinfonischen Zyklus verschmolz der Komponist rückschauend die verschiedensten Stationen seiner künstlerischen Entwicklung bis zum Ende des zweiten Weltkrieges zu überzeugender Einheit. Die musikalische Entwicklung die ses sinfonische und konzertante Elemente miteinander vereinenden Werkes be ruht auf einer „Verbindung und Vereinheitlichung klar umrissener Themenblöcke und Klangflächen durch die Kontinuität einer sich logisch und organisch entwik- kelnden Gestaltungskraft" (I. Dahl). Als sich Strawinsky bereits 1942 mit dem Gedanken trug, ein sinfonisches Werk zu schreiben, dachte er zunächst an ein Klavierkonzert. Nach Erhalt des Auftrages verwendete er die schon fertigen feile bei der Sinfonie. So ist es erklärlich, daß im ersten Satz der Sinfonie, einer dreiteiligen Tokkata, dem Klavier virtuose soli- stische Aufgaben zugewiesen sind. Zu Beginn wird das gesamte musikalische Material des Werkes in konzentrierter klanglicher Form exponiert. Dann folgt ein kammermusikalisch aufgelockerter, polyphoner Durchführungsteil (mit solisti- schem Klavier). Im Schlußteil wird an die „Haltung" des Beginns angeknüpft. - Im kontrastierenden zweiten Satz (Andante), einem graziösen, lyrisch-transpa renten Intermezzo, sind Harfe und Soloflöte Hauptträger des musikalischen Ge schehens, das sich ganz linear entfaltet. - Nach kurzem akkordischen Zwischen spiel folgt ohne Pause das Finale (Con moto), in dem Klavier und Harfe in den Orchesterklang eingefügt sind. Hier walten eminente rhythmische und dynami sche Energien. Charakteristisch sind vor allem ein Fanfarenmotiv und die Erinne rungen an das Andante. Nach mächtiger Klangentladung beginnen Posaunen und Klavier ein eigenwilliges Fugato. Eine Coda mit dramatischer Stretta steht am Schluß. Im Jahre 1930 begann Maurice Ravel sein Klavierkonzert G-Dur „im strengsten Sinne des Wortes und im Geiste der Konzerte von Mozart und Saint-Sai'-ns" zu schreiben. Der französische Komponist — auf der Höhe seines Ruhmes und seiner Meisterschaft stehend — meinte, daß die Musik eines Konzer tes heiter und brillant sein könne, ohne einen Anspruch auf Tiefgründigkeit zu er heben oder nach dramatischen Effekten zu trachten. Ravel war darauf bedacht, ein Konzert für und nicht gegen das Klavier zu schreiben. Anfangs sollte das Werk „Divertissement" genannt werden. „Dann habe ich mir überlegt", heißt es