Volltext Seite (XML)
DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 6. Februar 1976, 20.00 Uhr Sonnabend, den 7. Februar 1976, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. KONZERT IM ANRECHT C UND 4. ZYKLUS - KONZERT HAYDN-WEBER-ZYKLUS Dirigent: Hartmut Haenchen Solistin: Gabriele Auenmüller, Dresden, Sopran Carl Maria von Weber 1786-1826 Joseph Haydn 1732-1809 Joseph Haydn Szene und Arie der Athalia „Misera me“ für Sopran und Orchester op. 50 (1811) Erstaufführung Sinfonie Nr. 49 f-Moll (La Passione) Adagio Allegro di molto Menuett Finale (Presto) Szene der Berenice für Sopran und Orchester (1795) PAUSE "^Dmitri Schostakowitsch •1906-1975 Sinfonie Nr. 9 Es-Dur op. 70 ■Allegro Moderato Presto “Largo — Allegr-etto GABRIELE AUENMÜLLER, im Jahre 1951 in Meißen geboren, empfing starke musikalische Anregungen im Elternhaus (der Vater, Musikdirektor Hans Auenmüller, j s t langjähriger Musikalischer Oberleiter des Volkstheaters Halberstadt, die Mutter Chorsängerin). Mit Beginn der Schulzeit erhielt sie Violinunterricht, 1965 bis 1970 war sie Konzertmeister des Jugend streichorchesters Halberstadt. Frühzeitig gab es auch — zunächst in Kinderrollen — ersten Kontakt zum musikalischen Theater. Seit 1968 wurde sie im Gesang unterrichtet. Nach dem Abitur studierte sie 1970 bis 1975 Gesang an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" Dresden bei Frau Prof. Elfriede !ntrau. Während des Studiums konzertierte Gabriele Auen müller bereits in Polen, der CSSR, Ungarn und in der Sowjetunion. Im August 1975 wurde die junge Künstlerin als lyrische Sopranistin an die Staatsoper Dresden verpflichtet (ihre erste große Partie: Fatime in Webers „Abu Hassan"). Gleichzeitig vervollkommnet sie ihre Ausbildung auch nach dem Diplom weiter in einer Meisterklasse von Prof. Günther Leib pnd Prof. Elfriede Intrau an der Dresdner Musikhochschule. ZUR EINFÜHRUNG Carl Maria von Webers orchesterbegleitete italienische Konzertarien, die heute leider völlig unbekannt sind, verdanken meist äußeren Anlässen, wie sie des Komponisten Reisejahre mit sich brachten, ihre Entstehung. Sie haben Bedeutung vor allem dadurch, daß sie seine Sicherheit im Gebrauche der dramatischen Mittel stärkten. Die Szene und Arie der Athalia „Misera me" für Sopran und Orchester op. 50 komponierte Weber im Jahre 1811 auf seiner Schweizer Reise in Jegenstorf (nach seiner Schreibweise: Jegisdorf) bei Bern während eines vermutlich von einem tieferen Liebeserlebnis verklärten elftägigen Besuches bei dem bayrischen Gesandten von Orly, einem Kunstgönner, bei dem er eine junge, schöne und nach seinem Zeugnis „brav singende" Frau Peyermann (Beyermann) kennen und schätzen gelernt hatte, der er die Partitur des Werkes zueignete. Weber selbst hielt viel von dieser Szene und ließ sie kurz vor seinem Tode in einem Londoner Konzert am 10. April 1826 von der berühmten Elise Paton singen, die zwei Tage später in der Uraufführung des „Oberon" als Rezia glänzte. Alles an dieser Komposition, die eine erstaunliche Sicherheit, eine geradezu Mozartsche Fertigkeit in der Beherrschung der Form der italienischen Konzertarie zeigt, spricht für eine leidenschaftliche innere Beteiligung des Komponisten. Auf ein bedeutsames, harmonisch kühn gestaltetes Rezitativ folgt zunächst ein seelen volles Adagio und dann ein dreiteiliges Allegro: Musik voller Dramatik, die schon an den „Freischütz" denken läßt. Die bravourösen Passagen des Schlusses sind einbezogen in den dramatischen Gesamtausdruck. Inhaltlich bezieht sich das Stück auf die Heldin der Tragödie „Athalie" (1691) des klassischen französischen Dramatikers Jean Racine (1639—1699), in der, auf dem Alten Testament fußend, der Sturz einer Despotin durch den Aufstand des geknechteten jüdischen Volkes gestaltet wird. Joseph Haydn schrieb in dem Zeitraum von 1766 bis 1770 verhältnismäßig wenige Sinfonien, nur neun Werke dieses Genres entstanden. Seine Kapell meistertätigkeit in Esterhazy und vor allem die Opernkomposition mögen ihn zeitlich allzusehr in Anspruch genommen haben. Jene Jahre gelten mit Recht als die „Sturm- und Drang"-Epoche des Haydnschen Schaffens, obgleich der Kom ponist seinem Alter nach die Zeit der Stürme schon überschritten hatte (er ging immerhin auf die Vierzig zu). Aber es ist eine Tatsache, daß in den Haydnschen Sinfonien jener Jahre ebenso jene neue Gefühlserregtheit begegnet, wie sie etwa in Goethes „Werther" (1774) in der Literatur ihren stärksten Ausdruck fand. Daß Haydn innere Beziehungen zu den Ideen der Aufklärung verbanden, ist wiederholt festgestellt worden. Und einige wesentliche Züge des Sturm und Drangs gingen unmittelbar aus den Ideen der Aufklärung hervor. Besonders Rousseaus Lehren wurden begeistert aufgenommen. Sicher stehen die neuen Töne in der Sinfonik Haydns in diesem Zusammenhang. Aber auch die Berührung mit dem neuen dramatischen Stil Christoph Willibald Glucks wurde für die der Meisterschaft zustrebenden Instrumentalmusik Haydns sehr entscheidend. In den bedeutungsvollen langsamen Einleitungssätzen, in einer naturhaften Lyrik und in den zugespitzten Kontrastwirkungen äußert sich jener Einfluß auf Haydns Sinfonik vor allem. Zum ersten Male schrieb der Komponist wirkliche Moll-Sinfonien (Nr. 34, 26, 39 und 49). Die neue Qualität des sinfonischen Stils Haydns, die sich bereits in der „Alleluja"-Sinfonie von 1765 angekündigt hatte, wird deutlich spürbar in der Sinfonie Nr. 26, die den Beinamen „Lamentatione" erhielt, aus dem Jahre 1768. Die Sinfonie Nr. 49 f-Moll für Streicher, 2 Oboen und 2 Hörner aus dem gleichen Jahre setzt diese Richtung fort. Sie trägt den für jene Epoche charakteristischen Titel „La Passione" (Die Leidenschaft), der