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Gems nde-Gteuer-Re orm. Eine ganz« Äletye von Wochen ist schon verstrichen, seit das Neichskabinett bei Bekanntgabe der von ihn, beschlossenen Steuermilüernngen die Notwendigkeit betonte und die Er wartung aussprach, daß Lander und t^-meinden auch ihrer seits zu entsprechenden Steuern»!: der«-. gcn schreiten wurden. Leider ist bisher diese Erwartung, von ganz verein zelten Ausnahmen abgesehen, enttäuscht wovden. Man hat es bei den Gemeindeverwaltungen nicht so eilig mit Steuer ermäßigungen, und das ist umso bedauerlicher, als die Fi nanzlage der Genrembeu zumeist nicht so ungüstig ist, wie SS bei dem Reich vor seinen einschneidenden Sparmaßnahmen der Fall war. Dir Gemenrden sind meist bei den ihrerseits durchgsführten Spo.Maßnahmen nicht nur personeller, son dern auch sachlicher Art weit weniger rigoros als das Reich verfahren und konnten sich in letzter Zeit sogar vielfach die Bewilligung aller möglichen neuen Ausgaben leisten. Doß da di« Neigung zu Steuereruiüßigungen, die Sinnahmeaus- fälle bedeuten muffen oder wenigstens können, bei den Stadt- Lännnecern und Magistraten nicht groß ist, mag verständlich scheinen. Aber eins kurz« Betrachtung macht ebenso gut ver ständlich, wie unveoingt notwendig die Reform der Gemeinde- steuern und, erst recht wie notwendig, solange diese allgemeine Reform nicht durchgeführt wird, vorläufig wenigstens teil weise Milderungen sind. Es sollte naturgemäß das erste Be streben der Wirtschafts, und Finanzpolitik einer Gemeinde verwaltung sein, Handel und Wandel in ihrem engeren Ver waltungsbezirk zu fördern, um dort Wohlstand und Ein- Lourmen zu mehren und durch die günstigen Lebensbedingun gen Sen Zuzug tüchtiger Bürger und das Festhalten der tüch- tigsten und besten unter den ansässigen Arbeitern und Ge werbetreibenden zu erreichen. Die Steuerpolitik der Gemein den hat sich tu den letzten Jahren van diesem Ziele immer weiter entfernt. Teilweise mag daran die grundsätzliche Aen- derung unseres Steuersystems Schuld tragen, die den Ge meinden die Möglichkeit nahm, die Einkommensteuer in Zu- schlagsprozenten zur Reichseinrommenstcuer je nach Bedarf zu erheben, und sie statt -dessen auf feste Ueberweisungen der Reichs- und Landesverwaltungen anwiss. Teilweise mag such die Entwicklung der Inflation dir Schuld tragen, Lie schließlich nur noch aus Verbrauchssteuern und der Umsatz- steuer nachgeahmten Steuerarten eins einigermaßen regel mäßige und ins Gewicht fallende Einnahme ermöglichte, wäh- rend immer drohender die Ausgaben und das Defizit an- wuchsen. Gerade bei den Gemeindesterrern gibt es mehr Rück stände der Inflation und der unter ihr herrschenden Anschau ungen als irgendwo im staatlichen und wirtschaftlichen Leben. 'Heute mich aber eine Gemeindeverwaltung, die auf das Wohl und das wirtschaftliche Gedeihen der Einwohnerschaft bedacht ist, unbedingt rmt diesen Rückständen abLauen. Erinnert sei nur noch daran, daß durch sie non Ort zu Ort selbst in näch ster Nachbarschaft verschiedene Wettbewechsgrundlagen gt- schaffen werden, wenn z. B. örtliche Getränkesteuern, Veher- bergungssteurrn, Rsk!am«schild«robgaben, Lohnsummen» steuern, und wie alle diese Erfindungen der letzten Johr» heißen mögen, in benachbarten Städten und Landgemeinden tn verschiedener Höh« erhoben werden. Abgesehen aber da von, daß wir uns den Widersinn nicht leisten können, daß bei- spirlsweise die Stadt T. mit Lvprvzentiger Getränkssteuer einen Beamtenstab benötigt, um die Einwohner zu bespitzeln, damit sie nicht ihren Wein und Likör aus dem 10 Kilometer entfernt gelegenen I., wo nur b Prozent Getränkesteuer herrschen, „emschmuggsln", daß es ebenso wenig erträglich ist, daß der "Reisende — womöglich gar ein deutschfreundlicher Ausländer — tn seinem Gasthof eine Rechnung erhält, auf der vier Derzehrposten und sieben Steuerposten aufgeführt sind — eins solche Rechnung hat uns vorgelegen —, sollten die Dernrindsvorstände auch bedenken, daß alle diese Steuern nicht nur vermehrten Derwaltungsaufwand bedingen, sondern auch Lie Lebenshaltung in der Stadt verteuern, dadurch die Rein einkommen schmälern und den allgemeinen Wohlstand lang sam, aber sicher unterbinden. Weitschauende Stadtverwaltun- gen werden es als dringlichste Aufgabe empfinden, hier ad- inan aus den Krersen des erwerbstätigen Mittelstandes üderr« so wie von selten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer dar- Wer-belehren wie sie sich und ihre Bürgerschaft schädigen. Ostpreußens GrgsWM Md IMA Ostpreußen ist durch den Versailler Vertrag härter als die Ndeistcn anderen Provinzen, abgesehen vom besetzten Gebiet, ge troffen worden. Die Abschnürung durch den polnischen Korridor mußt« alle, di« die gute Entwicklung der Provinz in der Zeit vor dem Krieg« verfolgt hatten, mit größter Sorge erfüllen. Würd« sich dieses deutsche Land im Osten, abgeschnürt vom größeren Deutschland und rings umgeben vom Slawentum, behaupten können? Jetzt, da ein« reichliche Spanne Zeit seit jenen trüben Tagen deutscher Geschichte vergangen ist, kann nian ein« ungefähre Antwort aus dies« Frage geben und in großen Umrissen ein« Bilanz zlehen. Um es gleich vorwegznnohmrn, darf man sagen, daß Ostpreußen seine P r ü f u ngs ja h re glänzend bestanden hat, daß es ad«r andererseits des größten Ver ständnisses im übrigen Deutschland und tatkräftigster Unterstützung aller maßgebenden Stellen bedarf, wenn es lebenskräftig und in lübendigem Zusammenhang mit den übrigen Reich-steilen bleiben soll. Der polnisch« Korridor, der nach dem übereinstim menden Urteil von Politikern und Wirtschaftlern aus den ver schiedensten Lagern eine Unmöglichkeit darstellt, darf aus dis Dauer nicht bestehen. Zn politischer Hinsicht darf man sagen, daß in Ost preußen das nationale Gefühl jederzeit einen besonders starken Rückhalt gehabt hat. Zu dieser Entwicklung mag ebenso dir Ge schichte Ostpreußens mit ihren Kämpsen um deuische Art bei getragen haben, wie die ganz« Struktur des Landes. In der Agrarprovinz Ostpreußen ist die Devölkeru»-» »naleich bodenständiger als etwa m den großen Industriezentren. Es fehlen hier, die Voraussetzungen für groß« innenpolitisch« Kämpf«. So haben denn auch die Polen bei den letzten Re'.chstagswah!en nur ganz verschwindende Ziffern erzielt, ein Beweis, daß das Ge- schrei der polnischen Blätter über dis Abertausende unerlöster polnischer Brüder in Ostpreußen eitel Bluff ist. Die Struktur des Londes drückt ihm den Stempel einer land wirtschaftlichen Ueberschußprovinz auf. Während der Kriegszeit und in der Folge hat Ostpreußen dem Reich die größten Dienste geleistet. Die Zeit der Kreditno; und Geldknappheit hat nun frei- lich auch di« ost preußische Landwirtschaft vor schwer wiegende Probleme gestellt, dir auch heute noch uich völlig gelöst sind. Erschwerend kommt hier hinzu, daß die hcchen Frachttarif« wegen der abgelegenen Lag« Ostpreußens eine besonders drückend« Last dorstellen, dir besonders bei den, Bezug von Waren aus Mitteldeutschland sich geltend machen. Sondertanfe sind «in« Lebensfrage für Ostpreußen. Was den Handel angeht, so hat di« Provinz selbstverständlich mit «roßen Schwierigkeit«» zu Wnepfen, wie si« durch di« neue Wei klag« geschaffen sind. Die Feiten da Königsberg der «roße Durchgongsplatz für den russischen Getreide, und Flachshandel war, sind noch nicht wiodergekekrt. Da, neu« Rußland hat trotz aller gegenteiligen Erwartungen noch nicht dte nötig« wirtschaftliche Konsolidierung, um auf dem Welt- wirtfchaitsmarkt zu erscheinen. Die kleinen, n-eu entstandenen Randstaaten bieten dafür keinen Ersatz, und Polen verhält sich olmesehen von seinen eigenen wirtschaftlichen Schwisrigkesy-n. noch recht reserviert. Was den Wert des jetzig«» Rußlands als Im portland an!>e!anal so verhindern die merkwürdigen Gepflogen- beiten diese, Sandes das Anknüpfe» gedeihlicher Wiristbastv- beziehungen. Dazu kommt, daß dem Königsberger Hafen I» Danzig und Memel durch dz» Bestimmungen de» Versailler Vertrages, gefährliche Konkurrente» erwachs«» sind. Um so Höber ist es zu veranschlagen, daß Ostpreußen sich trotz aller Schwere der Zeit in großzügigem Maßstabe aus kommende Entwickln»««. Möglichkeiten gerüstet Hot. Di« Hauptstadt der Provinz bietet heute ein Bild regsten Lebens und wirtschaftlichen Vorwärts- strebens. Dl« Ost mess« hat sich immer mehr zu einem br- deutsamen Wertmesser des östlich?» Markie» entwickelt. Der neue Flughafen verbindet Königsberg nicht nur mi-t Moskau, sondern m-it vielen großen Zentren Europas. Dor allem ub«r darf Königs berg auf de» Bau seines neuen Hafens stolz sein. So sind all« Vorbedingungen dafür geschossen daß dieses Königsberg und da- mit Ostpreußen ein breites, woblbereiietes Bett zur Wi-iterleüung ««« Güterstromes nach dem Osten findet. Doß auch auf industriell lem Gebiet hier Zukunstsland vermutet wird, beweist das reg« Interesse d«r Firma Stinnes, d!« sich auch durch Käufe, z. B. der 8-llstosfasirU usw., bodenständig gemacht hat. Ostpreußen har sich aber auch kulturell in den deutschen Ge- samtradmen eingefügt »nd Tüchtiges geleistet. Daß Königsberg eme „Musikstadt' ist, dürfte auch schon in dar „Reich" ge- drungen sein. In brr Tat wind auf diesem Gebiet sehr Erfreu- liches geleistet. Auch von den Königsberger Bühne» ist r«Ht Erfreuliches zu bersch'« Es r«gt sich'» überall in Ostpreußen. Hier ist Zukunftsland, das Immer mehr an» sich heraus Kraft« erzeugt und nur arst iveitere Erschließung harrt. Wenn Ostpreußen die »ölige Unter stützung in seinem Kampf nm dänisches Wesen findet, wird sich SN i' vor allem, hier an dem Deutsch - russische HauHelspsliiik. Di« Handelsvertagsverhandlungen zwischen Rußland und Deutschland, die bis vor kurzem in Moskau gepflogen wurden und nur durch das kommende Weihnachtsfest eine kurze Unterbrechung erfahren haben, unterscheiden sich wesentlich von denen, die bisher getätigt sind. Rußland ist eine Sowjet- Republik. Der Staat als Ganzes ist hier vertreten und ver ficht seine eigenen kaufmännischen Interessen. Di« ganzen bis herigen Verhandlungen werden von den Nüssen nur unter dem Gesichtspunkte der Beibehaltung de» russischen Außenhandelsmonopols geführt. Zu den Vorschlägen, die bereits von uns gemacht waren, haben die Russen noch kein« direkte Stellung genommen. Russischerseils wird nur immer be tont, daß dieselben von »Fall zu Fall' geprüft würden. Rußland befindet sich durch die Konzentration seiner gesamten Wirtschaft bei den Verhandlungen im Vorteil. Wie gesagt, nur bei do» Verhandlungen. Die Russen gehen überall von Lem Grundsatz aus, daß da, übrige Europa auf die russischen Boden- schätz« angewiesen sei. Cs ist für ein Land gefährlich, wenn es sich solcher Illusionen hingibt. Die Russen sind außerdem miß trauisch. Vielleicht liegt dies«« Uebelstmrd in ihrer Men talität. Dis deutschen Handelsvertreter begegnen überall jenem liebenswürdigen russischen Mißtraue», das in honoriger, kaufmännischen Kreisen sonst nicht vorherrscht. Die Nüssen glauben sich stets übervorteilt. Die Vertreter der Sowjetregierung werden oft als überkluge schlaue Menschen hin gestellt. Diese Leute sind aber gar nicht klüger als ander«. Sie halum, wi« gesagt, nur den Vorteil, daß si« sich bei allen Ver handlungen zunächst passiv verhalten. Zn keinem anderen Lande der Welt ist der Begriff „Wirt schaft' so sehr mit der Politik verknüpft, wi« in Rußland. Es ist heute noch unendlich schwer, sich «inen Ueberblick über den Fort schritt der russischen WirtschaftsMsundung zu machen. Das statistische Material, das von der Sowjetregierung herausgegeben wird, ist seh« ungenau und meistens durch die Verhältnisse überholt. Wen» nu» Deutschland einen Handelsvertrag mit Rußland anstrebt, so tut es das nicht aus einer Zwangsmaßnahme herarrs, sondern aus der Tatsache des notwendigen wechselseitigen Han delsverkehre. Einr Acndcruog der Ctaatsform kann niemals -nen Jahrhunderte alten Handelsverkehr zerstören, sie kann ihn wohl vorübergehend unterbinden ab«r ni« gänzlich verhindern. Es war klar, daß man deutscherseits bei den letzten Verhand lungen in Moskau nach Mittel» such:«, um dsm russischen Handelsmonopol zu begegnen. Man dachte zunächst an eine Mindestkontingentierung des Exports nach llußland. Die Russen machten jedoch Schwierigkeiten, da sie sich anderen Staate» gegenüber nicht festlegen wollten. Russland braucht vor allem Geld, das heisst Kredit. Wen» es nicht gelingt, tn irgendeiner Form den Russen größer« Kredite «inzuräumen, so ist das ganz« Problem einer engeren deutsch-russischen Wirtschastsallianz in Frag« gestellt. Rußland unterhält bekanntlich in Berlin ein« Handelsver tretung, di« den gesamten europäischen Handelsverkehr leitet. Dies« Vertretung wünscht Rußland auch ferner beizubehalten, und zwar soll si« mit denselben Rechten ausgestattet bleiben wi« bisher. Man kann eine solche Zumutung nur als naiv bezeichnen. Rußland will sich damit das Recht einräumen, sein« Waren irgendwo in der Welt zu kaufe», sie vielleicht dort billiger fein sollten. Wozu wird denn schließlicheM-Haatelsverlmg ge schloffen, wenn nicht bestimmte Waren nach genau formulier«?» Grundsätzen importiert werden dürfen. Wenn deutscherseits da gegen di« Forderung gemacht wurde, deutschen Firmen die Er laubnis von Vertretungen in Rußland einzuräumen, stößt man russischerseits stets auf Widerstand. In deutschen Kreisen ver- ' handelt man aber lieber direkt mit den Derbrauchevkre-isen, als auf Umwegen über staatliche Vertretungen. Immerhin muß man unter den gegebenen Verhältnisse» die russischen staatlichen Institutionen respektieren. Bekanntlich hat Rußland auch di« zollfreie Getreideeinfuhr nach Deutschland gefordert. Dieser Passus unterliegt naturgemäß dem gesamten Agrarschutzzoll-System. Es ist aber kaum zu er warten, daß bei der Neufestsetzung dieser Zölle gerade Rußland Konzessionen gemacht werden. Denn neben dem Import von ame rikanischem Getreide fürchtet die deutsche Landwirtschaft haupt sächlich den ukrainischen Weizen. Man sieht schon an diesen wenigen Beispielen, daß der deutsch-