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1584 Stahl und Eisen. Die dektrolytische Theorie des Rostangriffes von Eisen. 27. Jahrg. Nr. 44. den obigen Darlegungen ist zu erwarten, daß jede alkalisch reagierende Lösung unabhängig von der Konzentration schützend wirken muß. Höchstens kann man sich vorstellen, daß es einer bestimmten Mindestmenge des betreffenden Stoffes bedarf, um die Schutzwirkung deutlich hervor treten zu lassen. Dagegen führt nun Cushman selbst Versuche von Cribb an, aus denen folgt, daß alkalisch reagierende Lösungen unterhalb einer bestimmten Grenzkonzentration den Rost angriff des Eisens nicht nur nicht vermindern, sondern im Gegenteil verstärken. Eine solche Vermehrung der angreifenden Wirkung läßt sich auf Grund der gegebenen Erklärung nicht voraussehen, hier liegt also entschieden ein schwacher Punkt der Cush manschen Anschau ung vor. Von anderen Rostschutzmitteln werden so dann die starken Oxydationsmittel wie Chrom säure und Kaliumbichromat besprochen. Es er scheint zunächst seltsam, daß die stärksten Oxydationsmittel gerade die Fähigkeit besitzen sollen, Eisen vor der Oxydation zu bewahren. .Jedoch ist ja seit langem bekannt, daß Eisen z. B. in Bichromatlösung passiviert wird. Man kann diese Passivierung nach Cushman sehr einfach nachweisen, wenn man ein blankes Eisen plättchen eine Weile in kalter Bichromatlösung stehen läßt, dann abspült, trocknet und in eine einprozentige Kupfersulfatlösung taucht. Wäh rend unter gewöhnlichen Umständen etwa 10 Se kunden genügen, um das Eisenplättchen mit einer festhaftenden Schicht von metallischem Kupfer zu überziehen, bedarf es nach vorheriger Behand lung des Plättchens mit Bichromat, trotzdem äußerlich keinerlei Veränderung wahrzunehmen ist, etwa 6- bis 10-maligen Eintauchens von je 10 Sekunden, um einen Kupferüberzug zu er zeugen. Für die Wirkung des Bichromates sind verschiedene Erklärungen gegeben worden. Dunstan z. B. schreibt die Verminderung des Kostangriffes durch Bichromat der Fähigkeit des Salzes zu, Wasserstoffsuperoxyd zu zersetzen, welches als Zwischenstufe des Vorganges auf treten soll. Faraday und andere nehmen die Bildung einer dünnen Oxydschicht auf dem Me talle an. Es ist hier nicht der Ort, auf die ver schiedenen Anschauungen über Passivität ein zugehen. Es sei daher nur noch die Ansicht von Cushman selbst wiedergegeben, wonach der Grund für die in Frage stehende Erscheinung in einer Beladung des Eisenplättchens mit Sauerstoff zu suchen sei, so daß also das Eisenplättchen als Sauerstoffelektrode aufzufassen sei, die Schutz wirkung mithin der polarisierenden Wirkung des Sauerstoffes zukomme, der die Abscheidung von Wasserstoff verhindere. Daß es sich bei Rostvorgängen um elektro lytische Vorgänge handelt, welche im Eisen selbst ihren Sitz haben, sucht Cushman in folgen der Art nachzuweisen. Um das Auftreten von einerseits Hydroxyl-, anderseits Ferro - Ionen augenscheinlich zu machen, benutzt er eine er starrte Mischung von Phenolphtalein, Ferricyan- kalium und Gelatine. Bettet man nun z. B. ein Eisenplättchen in diese Mischung, der der Ver fasser den Namen „Ferroxyl“ beilegt, so treten nach einiger Zeit an verschiedenen Stellen blaue bezw. rote Flecken auf. Die blauen Stellen deuten die Anwesenheit von Ferroionen, die mit Ferri- cyankalium unter Bildung von Turnbulls Blau reagieren, die roten die von Hydroxylionen (Ein wirkung auf Phenolphtalein) an. Die hierbei be obachteten Erscheinungen, Aussehen der Flecken, Umkehrung der Färbungen usw. werden ein gehend besprochen und in Abbildungen erläutert. Aus Mangel an Platz kann hier auf diese Dinge nicht näher eingegangen werden. Dagegen ist zu den Schlußfolgerungen, die Cushman aus den auftretenden Färbungen des Ferroxyls zieht, folgendes zu bemerken: Daß Stoffe wie z. B. Eisen und Eisenkarbid gegeneinander eine Potential- differonz aufweisen, ist zweifellos. Nur liegen diese Bestandteile so mikroskopisch nahe beiein ander, daß an eine Sichtbarmachung mittels so roher Hilfsmittel wie Ferroxyl nicht zu denken ist. Es müßten schon sehr grobe Anreicherungen sein, die auf dem angegebenen Wege nachzuweisen wären. Außerdem aber ist durch nichts erwiesen, daß tatsächlich die Färbungen des Ferroxyls primär unter der Einwirkung elektrolytischer im Eisen sich abspielender Vorgänge erzeugt werden. Vielmehr ist es genau ebenso denkbar, daß zunächst das Ferroxyl selbst aus irgend einem Grunde das Eisen angreift und nun nach träglich auf Grund dieses Angriffes die die Färbungen bedingenden Reaktionen eintreton, d. h. den wesentlichsten Anteil am Rosten würde man gar nicht der besonderen Beschaffenheit des Eisens selbst, sondern der mit ihm in Berührung stehenden Lösung zuzuschreiben haben. Auf Grund seiner Anschauungsweise gelangt Cushman zu dem Schlüsse, daß es zur Ver meidung von Rostangriff in erster Linie darauf ankomme, möglichst reines und möglichst gleich mäßig zusammengesetztes Eisen zu erzeugen. Je weniger andere Metalle in einer Probe ent halten sind, die sich elektrochemisch von Eisen unterscheiden, und je gleichartiger das Material ist, um so kleiner wird die Gefahr des Rost angriffes sein. Die verschiedene Angreifbarkeit von verschiedenen Eisen- und Stahlsorten finde vornehmlich hierdurch ihre Erklärung. Ein besonderes technisches Interesse bean sprucht der Rostangriff von eisernen Schiffskesseln, die z. B. mit Bronzerohren in V erbindung stehen. Im Wasser enthaltene flüchtige Säure — Whitney wies ähnliches bereits für Kohlensäure nach — können etwas Kupfer in Lösung bringen. Wenn diese Lösung wieder in den Kessel gelangt, ist