Volltext Seite (XML)
938 Stahl und Eisen. 27. Jahrg. Nr. 27. Zur Frage der Rißbildung in Kesselblechen. ganz außergewöhnlich ungünstige Wärmebehand lung erfahren hat. Ausgeschlossen ist z. B. nicht, daß das Blech schon als Bramme im Schweißofen stark überhitzt wurde, ausgeschlossen ist ferner nicht, daß es nach dem Walzen nicht ausgeglüht worden ist, und endlich ist es höchst wahrscheinlich, daß es in der Kesselschmiede beim Umflanschen arg mißhandelt wurde. Schließlich ist aus dem Ergebnis der sehr guten mikro skopischen Untersuchung des Kleingefüges (der Be richt sagt darüber: „das Aussehen des Perlits ruft den Eindruck wach, als habe das Material ver hältnismäßig rasche Abkühlung erfahren, etwa durch Nässe, Luftzug, Berührung mit Eisenteilen oder dergleichen“) zu ersehen, daß wahrscheinlich nach dem Bearbeiten in der Schmiede noch eine plötzliche Abkühlung bezw. Härtung statt gefunden hat. Wird angenommen, daß bei diesem Blech ausnahmsweise alle die geschilderten ungünstigen Vorkommnisse zusammengewirkt haben, so ist trotz guten verwendeten Flußeisens das Ver halten des Bleches im Kessel bei der Druck probe nicht verwunderlich. Es muß nun mit Recht die Frage aufgeworfen werden, ob die Untersuchungsmethoden der Würzburger Normen geeignet sind, solche Vor kommnisse zu verhindern. Zunächst muß jedoch festgestellt werden, daß im allgemeinen keinerlei Prüfungsvorschriften verhindern werden, daß nicht auch einmal ungeeignetes Material un erkannt durchgeht, aber es muß auch festgelegt werden, daß natürlich die Abnahmevorschriften nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn nach erfolgter Abnahme ein Ma terial durch unrichtige Behandlung Eigenschaften annimmt, welche es für seinen Verwendungs zweck ungeeignet erscheinen lassen. Die Auf gabe der Abnahmevorschriften kann also nur sein, Material, welches zur Zeit der Vornahme der Prüfung für die Verwendung ungeeignet ist, auszuschließen. Leider genügen die vorliegenden Prüfungs ergebnisse nicht, festzustellen, ob das Material vor oder nach seiner Prüfung (wenn es über haupt einer solchen unterworfen worden ist) die schlechten Eigenschaften angenommen hat. Es ist auch nicht festzustellen, ob das Blech als Mantelblech oder als Feuerblech bestellt wurde. Wird jedoch angenommen, das Blech habe vor seiner Prüfung schon die aus den Versuchs ergebnissen ersichtlichen Eigenschaften gehabt, so hätte es zweifellos bei nur oberflächlich rich tiger Handhabung der Würzburger Normen von der Verwendung ausgeschlossen werden müssen, denn seine Festigkeit war beinahe 3 kg höher als die zulässige Höchstfestigkeit der Würzburger Normen; das Brechen der Hartbiegeprobe sowie die geringe Dehnung hätten es auch ungeeignet erscheinen lassen. Hat das Blech aber erst nach seiner Erprobung infolge unrichtiger Behandlung seine schlechten Eigenschaften angenommen, so kann die Prüfungsvorschrift der Normen hierfür nicht verantwortlich gemacht werden. Die erzielten Versuchsergebnisse haben jeden falls keinerlei Beweis dafür erbracht, daß die Untersuchungsmethoden der Würzburger Normen nicht geeignet sind, mangelhaftes Material von der Verwendung auszuschließen, eher ist das Gegenteil der Fall. II. „Zeitschrift des Vereines deutscher In genieure“ 1907 Nr. 19 S. 747: Die Erprobung dieses zweiten Falles entspricht noch weniger als der erste den von uns im Eingang aufgestellten Forderungen. Es ist bedauerlich, daß dem Berichterstatter nur so wenig Material zur Verfügung gestanden hat, daß er gezwungen war sich auf Versuche zu stützen, welche an dritter Stelle gemacht wurden und von welchen nicht angegeben ist, wie und unter welchen Ver hältnissen die Zahlen ermittelt wurden. Selbst die Einzelergebnisse sind nicht angegeben und ist es z. B. gar nicht ausgeschlossen, daß bei den Zugversuchen Festigkeiten von 34 kg mit Dehnungen von 21°/0 zusammen getroffen sind. Das würde von vornherein den Würzburger Normen nicht entsprechen, da die Dehnung an sich und auch die Qualitätszahl nicht erreicht sein würde. Es ist daher nicht verständlich, womit der Berichterstatter den Ausspruch 1 seiner Zusammenfassung rechtfertigen will, in welchem er sagt, „das Material an sich hat die Würzburger Normen befriedigt“, denn selbst die höchstgefundene Festigkeit ergibt mit der niedrigsten Dehnung kein nach den Normen aus reichendes Ergebnis. Diese Auffassung ist um so bedauerlicher, als der Ausspruch 1 in den letzten Jahren zu einem Schlagwort gegen die Würzburger Normen ge worden ist und uns kein Fall in der Erinnerung ist, in welchem er, so oft er auch ausgesprochen wurde, einer näheren Prüfung hätte standhalten können. Dieses Schlagwort ist von den ver schiedensten Seiten trotz seiner Unrichtigkeit so oft wiederholt worden, daß eine große Zahl von Ingenieuren, welche mit Kesseln zu tun haben, an dasselbe wie an ein Evangelium glauben. Es ist die höchste Zeit, der Weiter verbreitung solcher Schlagworte entgegenzutreten. Die Schmiedeprobe hat auch den Würz burger Normen nicht genügt, denn sie zeigte „Spuren von Rissen“. Es ist schon früher in dieser Zeitschrift* darauf hingewiesen worden, daß gerade diese Probe ganz einwandfrei sein müsse. Die chemische Untersuchung können wir auch nicht für einwandfrei halten und beson ders die Schlußfolgerungen nicht als berechtigt * „Stahl und Eisen“ 1906 Nr. 3 S. 131.