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1132 Stahl und Eisen. Gießerei-Mitteilungen. 27. Jahrg. Nr. 31. kein- unabänderlich feststehender ist, haben uns erstlich einmal die Amerikaner gelehrt, lehrt uns neuerdings der Artikel 17 des großbritannisch rumänischen Handelsvertrages. Er kann ja auch bei uns weiterer Revision unterworfen werden. Und warum dann bei den Kolonien stehen bleiben? Daß auch zwischen befreundeten Staaten Vorzugshandel Platz greifen kann, lehren uns die Vereinigten Staaten und Kuba, haben uns Brasilien und die Vereinigten Staaten zeitweise gelehrt; daß ihn auch benachbarte Staaten sich gegenseitig gewähren können, dafür sind Ko- lumbia, Ekuador, Peru, Bolivia, Chile Beispiele. Seit langem und oft genug ist über das Problem einer mitteleuropäischen Zollunion ge schrieben und gestritten worden und immer taucht es hie und da einmal wieder auf. Ein in Kürze erscheinendes Buch von Dr. Guthmann erörtert z. B. von neuem eine Wirtschaftsunion Belgiens und der Niederlande, allerdings mit verneinendem Ergebnis. Warum aber immer gleich das Extrem einer gänzlichen wirtschaftlichen Verschmelzung vor Augen haben? Ebensowenig wie in Eng land ein Urteilsfähiger an eine gänzliche Union mit den Kolonien mit einheitlichem Tarife nach außen und mit innerer Zollfreiheit denkt, wenig stens vorläufig nicht, ebensowenig kann von einem „Zollverein“ europäisch - kontinentaler Staaten untereinander oder mit fremden Gebieten in unserer Zeit die Rede sein. Ob man aber nicht, durch die wirtschaftliche Entwicklung und die Wirtschaftspolitik in anderen Ländern ge drängt, einmal, vielleicht in nicht zu ferner Zeit, zum Vorzugshandel greift, das ist eine ganz andere und bedeutungsvollere und prak tischere Frage. Dann werden möglicherweise auch „Allianzen“, „Freundschaftsverträge“ und ähnliche Bündnisse und Verbrüderungen, die den Status quo aufrechterhalten sollen, wo er nicht bedroht ist, oder andere mehr oder weniger pro blematische Zwecke verfolgen, zu praktischerer Bedeutung gelangen. Die Meistbegünstigung wird dann allerdings nach und nach so ver klausuliert werden, daß sie bis zur Farblosig keit verwässert wird. In der rumänisch-eng lischen und auch der japanisch-chilenischen Auf lage ist sie es schon. Vielleicht geht man aber auch einmal dazu über, diese durch den Cobden napoleonischen Vertrag zu neuer Bedeutung er hobene Erfindung der Merkantilzeit ganz in den Orkus zu versenken und zu einer netten geschichtlichen Reminiszenz werden zu lassen. Gießerei-Mitteilungen. Ueber Gießerei-Flammöfen bringt Hugh Dolnar im „American Machinist“* eine bemerkenswerte Abhandlung, der die Erfahrungen des Betriebsleiters der Ferro Machine and Foundry Company in Cleveland (Ohio), Blunt, zugrunde liegen. Diese Gießerei, die hauptsächlich kleine Gasmaschinen und Automobilteile erzeugt, besitzt zwei Flammöfen, und zwar einen 15 t-Westinghouse- Ofen und einen 5 t-Ofen, der jetzt auf 10 t ver größert worden ist, ferner einen Kupolofen und drei Tiegelöfen. Im Kupolofen wird nur gewöhnlicher Grauguß geschmolzen, im Flammofen Zylindergüsse und in den Tiegelöfen außer Messing besondere Spe zialgüsse, die eine genaue Innehaltung ihrer chemischen Zusammensetzung erheischen. Im Kupolofen ist es nach Blunts Angaben wohl möglich, auch besondere Güsse in genügend gleichmäßiger Qualität zu erzeugen, aber nur unter Aufwendung größter Aufmerksamkeit und Sorgfalt, während die Erzielung solcher Quali täten im Flammofen ein leichtes ist. Von Flammofenkonstruktionen** werden erwähnt der englische Ofen (auch französischer genannt), der Pittsburgh-, der Kamelrücken- und der Westinghouse- Ofen. Die beiden erstgenannten Oefen sind Sumpf öfen, bei den beiden anderen ist der Ofenherd in ge rader Linie nach dem bei der Feuerbrücke gelegenen Stichloch geneigt. Die Gewölbelinie ist beim eng lischen Ofen gegen den Herd gedrückt, beim Pitts- burgh-Ofen horizontal und gebrochen, so daß der Ofen an der der Feuerung entgegengesetzten Seite höher ist; beim Kamelrücken-Ofen erweitert sich der Querschnitt über der Mitte des Herdes und »verengt sich dann wieder zum Fuchs hin; beim Westing * 1907, 4. Mai, 8. 559. ** Vergl. „Stahl und Eisen“ 1906 Nr. 19 S. 1165 bis 1171. house-Ofen steigt das Gewölbe stetig in einer geraden Linie von der Feuerung zum Fuchs hin. — Mit Rück sicht auf den schnellen Chargenverlauf und möglichst geringen Brennstoffverbrauch müssen die Ofenquer schnitte so bemessen sein, daß die Verbrennungsgase mit gleicher Geschwindigkeit den Ofen durchziehen, und da Temperatur und Volumen der Gase wachsen, je mehr sie sich von der Feuerbrücke entfernen, so muß der Ofenquerschnitt von der Feuerung zum Fuchs stetig zunehmen. Diesem Grundsatz entspricht der Westinghouse-Ofen am meisten, und Blunt, der Gelegenheit gehabt hat, mit Oefen aller vorgenannten Konstruktionen zu arbeiten, bestätigt aus seiner Er fahrung, daß der Westinghouse-Ofen die günstigsten Resultate in bezug auf Chargenverlauf und Kohlen verbrauch gibt. Bei dem englischen Ofen, bei dem das gedrückte Gewölbe die Flamme gegen das Me tallbad führen soll, wird durch die verengten Quer schnitte eine größere Gasgeschwindigkeit erzielt, und die größte Hitze entwickelt sich im Fuchs, wo sie nicht mehr auf das Bad einwirken kann. Auch beim Pittsburgh-Ofen wird die Gasgeschwindigkeit in der Mitte des Ofens sehr groß, und erst an der Stelle, wo das Gewölbe höher gezogen ist, plötzlich geringer, so daß auch hier die größte Hitze erst am Ende des Ofens entsteht. Dem Westinghouse-Ofen am nächsten kommt in seiner Leistungsfähigkeit der Kamel rücken-Ofen, ohne ihn aber ganz zu erreichen. Leider sind diese Ausführungen nicht durch be stimmte Zahlenangaben erhärtet; dagegen bringt der Artikel in dankenswerter Weise beifolgende Zeichnung des 15 t Westinghouse-Ofens der genannten Gesellschaft. Die Erfahrungen Blunts bestätigen also voll und ganz meine Ausführungen* über die Notwendigkeit, das Prinzip der freien Flammentfaltung auch beim * „Stahl und Eisen“ 1907 Nr. 1 8. 22 bis 24.