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der Beschluß gefaßt, die Grewerbeordnung in diesem Punkte abzuändern. Der Entwurf einer diesbezüglichen Novelle wird ganz sicher zu den ersten Gesetzen gehören, die dem Reichs tage im Herbste dieses Jahres unterbreitet werden sollen. Man kann auch ganz sicher sein, daß die Mehrheit des Reichstages ihm zustimmen wird. Man wird hierbei aber im Auge behalten müssen, daß mit der Herab setzung der Maximalarbeitszeit für Frauen auch auf die Arbeitszeit der erwachsenen Arbeiter ein Einfluß ausgeübt wird; denn in allen Berufs zweigen, in denen die Frauenarbeit eine Rolle spielt, wird die Kontinuität, der Arbeit schon verlangen, daß die Arbeitszeit der männlichen erwachsenen Arbeiter mit der der weiblichen in ein gewisses Verhältnis gesetzt wird. Aus diesem Grunde und noch mehr aus dem, daß sich bei solchen Umwälzungen in den Betriebs einrichtungen eine möglichst lange Uebergangs- dauer empfiehlt, wird gefordert werden müssen, daß in der zu erwartenden Novelle Uebergangs- bestimmungen in ausreichendem Maße getroffen werden. Hierauf wird sich in erster Linie das Interesse der Industrie bei dieser Frage kon zentrieren müssen. Sodann dürfte der Gesetzentwurf über die Arbeitskammern an den Reichstag kommen. Er ist ja schon in den vorbereitenden Instanzen, so im Preußischen Staatsministerium, vor längerer Zeit einer Beratung unterworfen worden. Nach Aeußerungen, die von Eegierungsseite in der vorigen Reichstagstagung gefallen sind, kann man annehmen, daß sein Zustandekommen be schleunigt werden wird. Früher hatte man sich in der Regierung die Sache so gedacht, daß zuerst der Entwurf über die Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Berufsvereine fertig gestellt werden, und daß diesem der Entwurf über die Arbeitskammern folgen sollte. Man hatte damals sogar die Fertigstellung des Berufsvereins - Gesetzentwurfes im Sinne der Regierung als Bedingung für die Einbringung des Arbeitskammer-Gesetzentwurfes bezeichnet. Die Verhältnisse haben diesen Plan umgestoßen. Der Berufsvereins-Gesetzentwurf ist bekanntlich nicht zur Erledigung gelangt. Er dürfte, da seitens der Regierung vom Reiche aus ein Vereins- und Versammlungsrecht kodifiziert werden soll, überhaupt nicht wieder zur Er scheinung kommen. Man wird beide Materien gleichzeitig zu erledigen suchen. Durch die Bezeichnung, die seitens der Regierung dem in Aussicht stehenden Entwürfe zuteil geworden ist, ist ersichtlich gemacht, daß es sich bei ihm um die Einrichtung von Kammern handeln wird, die aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengesetzt sein werden. Die Sozial demokratie hat stets Arbeiterkammern verlangt, also Organisationen, in denen die Arbeiter allein ihre Vertretung gefunden hätten. Davon wird bei der neuen Aktion keine Rede sein. Was aber sonst mit ihr bezweckt werden wird, ist nicht authentisch festgestellt. Man kann als sicher annehmen, daß die Arbeitskammern be rufen sein sollen, gutachtliche Aeußerungen abzugeben, wie dies auch die Handelskammern, die Landwirtschaftskammern und Handwerks kammern bereits tun. Damit wird aber die Aufgabe der neuen Organe nicht erschöpft sein. Wahrscheinlich werden sie doch auch zur schieds gerichtlichen Tätigkeit bei Streitigkeiten zu gezogen werden sollen. Damit würde für die bisherigen Gewerbegerichte eine Aufgabe, näm lich die der einigungsamtlichen Tätigkeit, in Wegfall kommen. Es ist ferner auch nicht klar, wie die Kammern gebildet werden, ob auf regionaler oder auf beruflicher Grundlage. Die Entscheidung über diese und andere Fragen wird das Urteil über den Wert des neuen Ent wurfes beeinflussen. Jedenfalls kann man sicher sein, daß die Regierung die Einbringung des Entwurfes beschleunigen wird. Wir meinen, dies könnte auch geschehen, wenn die Grund züge des Entwurfes vorher veröffentlicht würden. Wenn aus industriellen Kreisen hierzu eine Anregung gegeben würde, so würde es vielleicht möglich sein, seitens der Industrie Stellung zu dem Entwürfe zu nehmen, ehe der Reichstag ihn zur Behandlung bekommt. Eine fernere gesetzliche Aktion wird in nächster Zeit bezüglich des Schutzes der Heimarbeiter einsetzen. Die Vorarbeiten dazu sind schon seit längerer Zeit im Gange. Zwischen dem Reichsamt des Innern und dem Preußischen Handelsministerium ist ein Entwurf über diesen Heiniarbeiterschutz ausgearbeitet und den Bundesregierungen zur Begutachtung übersandt worden. Nach dem Eingang der gut achtlichen Aeußerungen wird das Material zu sammengestellt und gesichtet sowie der neue Gesetzentwurf aufgestellt werden. Ob er aller dings schon dem Reichstage in seiner nächsten Tagung wird unterbreitet werden können, ist eine andere Frage. Die Industrie wird aber gut tun, sich beizeiten darauf gefaßt zu machen. Die Erhebungen, die über die Heimarbeit ver anstaltet sind, haben Mißstände auf diesem Gebiete ergeben. Sie sollen beseitigt werden. Die Industrie, die in eigenen Fabriken eigene Arbeiter beschäftigt, hat sicher ein Interesse daran, daß die Bedingungen, unter denen sie produziert, der Heimarbeit gleichfalls auferlegt werden. Man wird also von dieser Seite kaum einen Widerstand gegen die neue Aktion zu bemerken Gelegenheit haben. Eine im allgemeinen weniger wesentliche, aber für bestimmte Industriezweige doch ins Gewicht fallende Angelegenheit wird gleichfalls durch eine Novelle zur Gewerbeordnung geregelt