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1. April 1906. Bücherschau. Stahl und Eisen. 431 Hugo Richard Meyer, Assistant Professor of political Economy in the University of Chicago Government Regulation of Railway Rates. New York 1905, The Macmillan Company. London, Macmillan & Co., Ltd. Es ist ein tüchtiges, von tiefem Wissen und viel seitiger Kenntnis zeugendes Werk, das unter obigem Titel vor uns liegt, und das neben einer umfassenden Darstellung des deutschen Eisenbahnwesens zugleich über die Verhältnisse der nordamerikanischen, fran zösischen, österreichisch-ungarischen, russischen und australischen Eisenbahnfrachten orientierende Be trachtungen liefert. Dem deutschen Eisenbahnwesen ist ein Viertel des ganzen Werkes gewidmet, und es ist interessant, hier von einem Ausländer die Gegensätze behandelt zu sehen, die zwischen den einzelnen Landes teilen Preußens bestehen und die besonders stark hinsichtlich des Getreides, des Rübenzuckers und der Eisenerze hervortretend, der Staatseisenbahnverwaltung gegenüber den Forderungen nach Frachtherabsetzungen den Rücken gestärkt haben. Bezüglich der Eisenerz tarifierung weist dies der Verfasser u. a. an den Dar legungen des Geh. Finanzrats Dr. ing. J e n c k e im „Verein deutscher Eisenhüttenleute“ nach, die, wie unsere Leser wissen, in dem Vorschläge gipfelten, stufenweise eine Herabsetzung der Frachten von Jahr zu Jahr vorzunehmen, um aus dem Circulus vitiosus herauszukominen, daß in Zeiten steigender Konjunktur die Industrie einer Herabsetzung der Frachten nicht bedürfe und daß in Zeiten sinkender Konjunktur die Eisenbahn eine solche Herabsetzung mit Rücksicht auf die Einnahmen nicht gewähren könne. Gegenüber der traurigen Tatsache, daß man diesem durchaus vernünftigen und realisierbaren Vorschlag amtlicher- seits eine Folge nicht gegeben hat, wird es Herrn Geheimrat Jencke eine Genugtuung sein, daß der Verfasser sagt: „Diese Verteidigung eines Fachmannes, die Frachtsätze allmählich zu ermäßigen, als den ein zigen Weg aus diesem Todesloch lokaler Eifersüchte leien zu bezeichnen, macht den Bericht über Herrn Jenckes Rede zu einem der Halbdutzend bedeutend sten Beweisstücke in der Eisenbahngeschichte der Welt.“ Nach des Verfassers Meinung würde die allgemeine Einführung ermäßigter Frachten Handel und Verkehr in Deutschland mächtig heben, und die Regierung brauche nicht so besorgt um die Zerstörung von eingebildeten Eigentumsrechten zu sein, die sich an anderer Stelle in weit größerem Umfange zum allgemeinen Wohle wieder auf bauen ließen. Die Ent wicklung des Eisenbahnwesens werde auch durch die Rücksichten auf die Parlamente und die Absicht der Regierung, die Eisenbahnen als Finanzquelle in steigen dem Maße zu benutzen, gehemmt; in letzterer Hin sicht hätten ihr die lokalen Eifersüchteleien oft zum willkommenen Vorwand gedient, berechtigten Forde rungen auf Frachtermäßigungen aus dem Wege zu gehen. Auch auf die deutschen Wasserwege geht der Verfasser ausführlich ein und beschäftigt sich ins besondere mit den Kanalvorlagen der Jahre 1899 und 1901. Da sein Buch vor der dritten Kanal vorlage abgeschlossen ist, so leidet diese Erörterung durch einen Mangel an Vollständigkeit, der kein ganz richtiges Bild der preußischen Kanalkämpfe aufkommen läßt. Daß der Verfasser, der Symphers „Emschertal- linie und die Kanalisierung der Lippe“ ausdrücklich zitiert, die Emscher mit der Ems verwechselt, sei nur nebenbei hervorgehoben. Alles in allem aber liegt hier ein bedeutsames Buch vor, das wir den deutschen Industriellen nicht minder wie den Eisenbahnverwaltungen zur Lektüre dringend empfehlen. Es ist erfreulich, von einem Aus länder die Tatsache festgestellt zu sehen, daß, wenn angesichts der geringen Tarifermäßigungen etwas zum Erfolg des deutschen Handels und Verkehrs bei getragen habe, es in erster Linie die Kühnheit und das Genie der deutschen Kaufleute und Fabrikanten gewesen sei, die in allen Teilen der Welt Märkte für ihre Produkte schufen. In der Tat sei das, was deutsche Reeder, Schiffbauer und Seeleute auf dem Ozean erreicht hätten, eines der Weltwunder, und es sei kein Grund vorhanden, daß die deutschen Eisen- bahnfachmänner auf dem Lande einen geringeren Geschäftssinn und eine geringere Ingenieurkunst als jene sollten entfalten können. Dr. W. Beumer. Weltall und Menschheit. Geschichte der Er forschung der Natur und der Verwertung der Naturkräfte im Dienste der Völker. Heraus gegeben von Hans Kraemer. Berlin, Deutsches Verlagshaus Bong & Co. 5 Bände, in Prachtband geb. je 16 6. Der allgemeine Charakter und die besondere Eigenart des vorliegenden Werkes ist schon früher in „Stahl und Eisen“* gebührend gewürdigt und der erste Band kurz skizziert worden; es soll deshalb nur noch mit wenigen Worten der Inhalt der übrigen Bände angegeben werden. Den größten Teil des zweiten Bandes beansprucht Prof. Dr. H. Klaatsch-Heidelberg mit seiner Arbeit: „Die Entstehung und Entwicklung des Menschen geschlechtes“. Beginnend mit der Vorgeschichte des Menschen schildert er die Beziehungen des Menschen zum Tierreiche, geht dann auf das Problem der Menschwerdung über und schließt, nachdem er noch die Ausbreitung der Menschheit in ihren verschiedenen Perioden verfolgt hat, mit einem Abriß der jetzigen Gliederung der Rassen und Völker. In den beiden weiteren Hauptabschnitten des Bandes wird die Ent wicklung des Pflanzenreiches von Prof. Dr. H. Potoni- Berlin und die Entwicklung der Tierwelt von Prof. Dr. L. Beushausen-Berlin behandelt. Daß die ge nannten Verfasser die Abstammungslehre nicht im Sinne ihrer extremsten Verfechter entwickeln, sondern in ihren Schlußfolgerungen überall eine weise Mäßigung beobachten, gereicht der Darstellung ohne Zweifel zum Vorteil. Die erste Hälfte des folgenden (3.) Bandes nimmt Prof. Dr. W. Foersters „Erforschung des Weltalls“ ein. Der langjährige Direktor der Ber liner Sternwarte versteht es, bei allem Reichtum seiner Gedanken dem Thema doch eine weiten Kreisen ver ständliche Fassung zu geben; das ältere Stoffgebiet gliedert er nach historischen, das Wissen der Gegen wart nach systematischen Gesichtspunkten. Daneben ent hält der dritte Band den ersten Teil einer „Geschichte der Erforschung der Erdoberfläche“ (Einleitung, Alter tum und Mittelalter) aus der Feder des Leipziger Museumsdirektors Prof. K. Weule, die im vierten Bande, mit dem Zeitalter der großen Entdeckungen an hebend, zu Ende geführt wird. Im selben Bande folgt alsdann „Die Erforschung des Meeres“ von Professor Dr. W. Marshall-Leipzig und „Die Erforschung der Gestalt, Größe und Dichte der Erde“ von Dr. A. Mar cuse-Berlin. Alle drei Arbeiten fügen sieh im großen und ganzen dem Rahmen des Werkes würdig ein, wenn auch Prof. Marshall sich nicht immer eng an sein Thema gehalten hat. Im letzten und für unsere Leser ohne Zweifel interessantesten Bande gibt zunächst Geheimrat Max von Eyth eine mit be kannter Meisterschaft geschriebene Einführung in die Entwicklung der Technik, der sich sehr anziehende Arbeiten über die Werktätigkeit der Vorzeit und die Anfänge der Kunst von E. Krause, Konservator am Berliner Museum für Völkerkunde, anreihen. Den * Jahrgang 1905 Nr. 19 8. 1165.