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378 Stahl und Eisen. Hundertjahres feier des Neunkircher Eisenwerkes. 26. Jahrg. Nr. 7. ren, Geschützen und Geschossen, anderseits aus Reckeisen, Wagenachsen und Reifen; sie er freuten sich guten Rufes und der Absatz er folgte zu sehr großem Teil auf dem fran zösischen Markt. 1816 kam das Saargebiet mit Neunkirchen an Preußen. Damit war aber die Hütte von ihrem Hauptabsatzgebiet abge schnitten, denn ein sehr hoher Zoll lag auf der Einfuhr nach Frankreich, und da man sich fried- li heren Zeiten zuwandte, ging auch der Ka nonen- und Kanonenkugelguß zurück, wodurch die Entwicklung des Werkes in eine Zeit des Stillstandes eintrat. Inzwischen hatten sich die Waldbestände noch weit stärker gelichtet, die Holzkohle mußte von weit her geholt werden, das Puddlingsverfahren war aufgekommen und anderorts bereits Koks als Brennstoff in An wendung gekommen. Aber der Saarkoks wollte sich nicht eignen für Schmelzzwecke, trotz vieler schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts angestellter Versuche. Dazu wurden die Spateisensteinlager seltener und der bergmännische Abbau des Rot eisensteines teurer. Durch alle diese Umstände kam eine gewisse Unsicherheit in die Verhältnisse des Stummschen Industriebesitztumes, der sich inzwischen um die Haibergerhütte, die Fisch bacherhütte, Geislautern vermehrt und einen er heblichen Anteil an der Dillingerhütte gewonnen hatte. Es galt, sich neben der mit Erzen reich lich versehenen Industrie an der Lahn und Sieg zu behaupten und aller technischen Neuerungen Herr zu werden. 1831 bauten die beiden Stumms, Vater und Sohn, in Neunkirchen das erste Pudd- lings- und Walzwerk an der Saar. Die Kohlen lieferte die in der Nähe gelegene Königsgrube. Das Walzwerk, das sich zunächst nur auf die Erzeugung von Feineisen und Draht beschränkte, wurde durch Wasserkraft angetrieben, da der Dampfbetrieb noch zu teuer war; Blech wurde nach wie vor unter dem Hammer hergestellt. 1835 starb Friedrich Wilhelm Stumm, und das Neunkircher Eisenwerk ging ganz auf seinen Sohn Karl Friedrich über. Der Koks verdrängte die Holzkohle immer mehr, aber 100 Jahre waren vergangen, bis man aus der fetten Saarkohle einen nur einigermaßen brauchbaren Hochofenkoks erzeugen konnte. Puddel- und Schweißöfen wurden nur mit Stein kohle gefeuert, die Dampfmaschine fand immer mehr Eingang, da die Wasserkräfte nicht reichten, und das Hammerwerk wurde vom Walzwerk ver drängt. Mittel- und Grobeisen, Flach-, Rund- und Vierkanteisen wurden auf den neuerbauten Walzen straßen hergestellt. Die neuen Maschinen aber kosteten viel Geld und es dauerte mehrere Jahre, bis sie sich bezahlt machten. Außerdem stiegen die Ansprüche an die Güte des Eisens, weshalb die schwefligen Erze zu besseren Eisensorten nicht mehr verwendet werden konnten. Ein schwefel freies Spateisensteinvorkommen im Köllerthal war bald aufgebraucht und so kaufte man sich an der Lahn an, wo 1846 im Kreise Wetzlar einige Roteisensteingruben in Betrieb kamen. Bis zum Jahre 1860 wurde das Erz von dort auf dem Wasserwege nach Saarbrücken und per Achse weiter nach Neunkirchen gebracht. Mit der Zu nahme des Eisenbedarfs durch die Eisenbahnbauten verlegten sich dann die Neunkircher Werke mehr und mehr auf die Schienenfabrikation und vergrößerten sich immer mehr. Der Umschwung in den Zeitverhältnissen war dem Neunkircher Werk jedoch so ungünstig, daß die Existenz des Werkes gefährdet schien, während die Dillinger- und Haibergerhütte das Erz wenig stens um ein Drittel billiger erhielten und nicht so viel Geld für Neuanlagen verschlungen hatten. Zwar schützte seit 1841 ein Eisenzoll die deut schen Eisenerzeugnisse, aber das Ausland war um mehr als den Zollbetrag voraus, und Neun kirchen mit seinen hohen Selbstkosten schien verloren. Als Karl Friedrich Stumm 1848 starb, hatte man den Kampf um die Erhaltung des Werkes bereits aufgegeben. Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre jedoch wurde eine Anzahl Bahnlinien gebaut, die Neunkirchen zu einem wichtigen Haltepunkt machten. Mehrere deutsche und deutsch-französische Linien führten an der Stadt vorbei, so daß die Erz Versorgung der Neun kircher Werke leichter und die Absatzbedin gungen besonders für Schienen bedeutend gün stiger wurden. Zudem trat 1848 eine rührige Kraft, Carl Bernhard Böcking, an die Spitze des Unternehmens, da die Erben des Besitztums noch unmündig waren, und die Lage besserte sich wieder merklich. 1856 zählte das Werk 29 Puddelöfen und stellte neben Stabeisen Gießerei waren aus erster Schmelzung hauptsächlich, und als einziges Saarwerk Schienen her; 4 Hoch öfen waren im Betrieb, von denen jeder täg lich 15 t erzeugte, was eine Jahresproduktion von 14 000 t ausmachte. 1858 übernahm Karl Ferdinand Stumm mit Bernhard Böcking ge meinsam die Leitung des Werkes. Um diese Zeit stand die völlige Verdrängung der Holz kohle durch den Koks bevor, und die Verwen dung der Hochofengase war zum technischen Zeitprobleni geworden. Die chemische Unter suchung des Eisens hatte Fortschritte gemacht, wodurch man höhere Anforderungen an das Material stellte, und die Ausdehnung des Be triebes erhob neue Organisationsansprüche. Durch die Fertigstellung der Lahnbahn konnte die Ver ladung der Erze auf dem Wasserwege und im Anschluß daran 1865 der Erzgrubenbetrieb in der Nähe von Neunkirchen aufgegeben werden. Aber die Erzversorgung Neunkirchens konnte auch nicht auf die Dauer von der Lahn her ge schehen, besonders nicht, seitdem durch die Er öffnung des Saarkanals der Bezug von Lothringer