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für den verlorenen Kopf. Da es von Wert für den Erfolg ist, daß der Kopf möglichst lange flüssig bleibt, wie sich aus dem Vorgesagten schon ergibt, so kleidet man diesen Teil der Gußform mit Formmasse oder feuerfesten Steinen aus und wärmt ihn auch meistens vor dem Guß von innen oder von außen an. Da jedoch der Erfolg dieser Maßregeln kein sehr großer ist, und vor allen Dingen je nach der mehr oder weniger sorgfältigen Handhabung niemals auf eine vollkommene Gleichmäßigkeit des Er folges gerechnet werden konnte, so waren die meisten Werke wieder davon abgekommen, und betrachteten einfach den oberen Teil des Blockes, der den Hohlraum enthielt, als verlorenen Kopf. Solche Werke, denen an der Zuverlässigkeit ihrer Lieferungen gelegen ist, und denen an ihrem dauernden Ansehen mehr als an einem augenblicklichen Vorteil liegt, haben deshalb auch immer bei den Blöcken für die Herstellung von Schmiedestücken am oberen Teile des Blockes 25 bis 40 °/o Kopf, je nach der Größe des Blockes, als unbrauchbar in den Schrott wandern lassen. Eine Komplikation der Frage wird noch dadurch herbeigeführt, daß neben dem mecha nischen Vorgang der Hohlraumbildung noch andere Vorgänge parallel einhergehen, die teil weise physikalischer Natur sind, und die man mit Seigerung bezeichnet, und worunter ich hier immer den Begriff der Entmischung beim Er starren verstanden haben möchte. Der Stahl, welcher heute für Schmiedestücke verwendet wird, ist ein Gemenge von ver schiedenen Legierungen des Eisens mit mehr oder weniger Kohlenstoff, mit Schwefel, mit Phosphor, mit Silizium, Mangan usw. Die Uebel- täter unter diesen Beimengungen sind Phosphor und Schwefel, da diese geeignet sind, die Be schaffenheit des Stahles im warmen und kalten Zustande in nachteiligster Weise zu beeinflussen, jedoch können auch Silizium und Mangan, im Uebermaß beigemengt, nachteilig wirken. Früher, als das Herdschmelzverfahren im Siemens- Martinofen noch nicht die Vollkommenheit er reicht hatte, und die wissenschaftliche Durch forschung der Stahlzusammensetzung noch nicht so weit gediehen war wie heute, war dieser Umstand der tatsächliche Grund für die da mals bestehende Ueberlegenheit des Tiegelstahls über den Martin- und Bessemerstahl. In dem durch einen Deckel vollkommen geschlossenen Tiegel war das hineingebrachte reine Material dem Einfluß der Flamme und des Ofenmaterials fast ganz entzogen, und man bekam aus dem Tiegel ein ebenso reines Produkt heraus, wie man hineingetan hatte. Ein Nachteil war frei lich, daß man größere Stücke aus zahllosen Tieg In zusammengießen mußte. Da die Samm lung der Masse meistens viel Zeit in Anspruch nahm und das Zusammengießen, um Abkühlung zu vermeiden, in einem Flammofen geschah, so hatte der Stahl hierbei wieder Gelegenheit, mit dem Ofen material und der Flamme zusammenzukommen und Verunreinigungen aufzunehmen. Immerhin be stand die Ueberlegenheit des Tiegelstahlmaterials vor Jahren zu Recht, und besteht heute noch für diejenigen Qualitäten, welche viel Kohlenstoff, Chrom, Wolfram, Titan usw. enthalten müssen, und die deshalb dem Einfluß der Flamme gegen über sehr empfindlich sind. Heute dagegen, wo die Wissenschaft die intimsten Verhältnisse in der Stahlzusammen setzung und in den Ofenvorgängen aufzuklären sich bemüht hat, ist dieser Vorsprung des Tiegelstahles vor dem Martinstahl, wenigstens hinsichtlich der gebräuchlichen Schmiedestahl qualitäten, nicht mehr vorhanden, denn der Martinofen, ist heute auch nichts weiter, als ein großer Tiegel mit innerer Heizung. Wenn man heute ebenso reines Material hineinsetzt, wie in den Tiegel, und dann beim Betrieb dieselbe Sorg falt anwendet, die für den Tiegelofen als uner läßlich angesehen wird, dann bekommt man auch ebenso reines Material heraus, welches obendrein den Vorzug großer Gleichmäßigkeit durch die ganze Masse hindurch hat.* Wenn ich nach dieser Abschweifung zur Seigerung zurückkehre, so muß ich zunächst feststellen, daß sie meines Erachtens als ein doppelter Vorgang aufzufassen ist. Durch die Vorgänge beim Zementieren und Tempern auf Grund der Untersuchungen zahlreicher Forscher steht es fest, daß im glühenden Stahl bezw. Eisen im festen Zustande Wanderungen von Beimengungen, z. B. von Kohlenstoff, dessen Verhalten am meisten erforscht ist, stattfinden. Es dringt also der Kohlenstoff in ein solches Eisenstück ein, bezw. wandert aus ohne Form veränderung. Die Kohlenstoffmoleküle werden von Eisen- zu Eisenmolekül weitergegeben, ohne daß diese Eisenmoleküle ihren Platz ver lassen. Dieser Vorgang findet jedenfalls auch im flüssigen oder erstarrenden Stahle statt, wo er dadurch erleichtert wird, daß die Moleküle nicht so dicht zusammenliegen, wie im festen Zustande. Dieser Vorgang dient aber nur teil weise zur Erklärung der Seigerung, der Haupt teil der Seigerung ist meines Erachtens auf rein mechanische Vorgänge zurückzuführen. Der Schmiedestahl besteht, wie schon oben gesagt, aus einem Gemenge von Legierungen, die verschiedene Schmelz- bezw. Erstarrungs temperaturen besitzen. Den niedrigsten Schmelz punkt haben die Schwefel- und Phosphor legierungen, den höchsten die Kohlenstoff- * Die hier geäußerte Ansicht über das Verhältnis zwischen Tiegelstahl und Martinstahl wird schwerlich die Zustimmung der Tiegelstahlfabrikanten finden. Die Redaktion.