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als bei den anderen Erzverfahren, nämlich bei einem 100 t-Ofen auf 251 Flußeisen in drei Stunden. Ein 200 t-Ofen leistet noch mehr, weil ein größerer Überschuß an flüssigem Stahl, d. h. ein größerer Wärmespeicher zurückbleibt, und weil bei einem Abstich von 20 t ein nicht viel geringerer Zeitverlust eintritt, als bei einem solchen von 40 t. In Frodingham macht der Talbotofen 36 Hitzen in der Woche, während die feststehenden 40 t-Martinöfen bei 70% Roheisen und 30 °/o Schrott nur 8 Hitzen wöchent lich leisten; in Pittsburg stellt ein 175 t-Talbot- ofen in der Jones & Laughlin Steel Company wöchentlich 1600 bis 1700 t Flußeisen in solch befriedigender Weise her, daß man dort noch drei bis vier weitere Talbotöfen zu bauen gedenkt, um jährlich 325 000 t erzeugen zu können.* Statt nur mit flüssigem Roheisen kann man auch mit Schrottzusatz arbeiten; dabei läßt sich in dem großem Stahlbad auch leichter Schrott gut und schnell verschmelzen, ohne Verluste durch Oxyda tion befürchten zu müssen, zumal die hohe Schlacken decke eine Oxydation gleichfalls verhindert. Dieser Umstand fällt hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung des Talbotverfahrens schwer ins Ge wicht, da er es ermöglicht, größere Mengen reduzierter Eisenerze trotz ihres geringen spe zifischen Gewichts zu verschmelzen, so daß durch Erhöhung des Erzzusatzes von 20 % auf 40 % das Ausbringen auf 115% des Metalleinsatzes zu steigen vermag. Rechnet man 1536 für die Tonne Erz mit 60 % Eisen, so kostet dieses im Einsatz, einschließlich Reduktions kosten, höchstens 35 J; es leuchtet daher ein, daß auf diese Weise die Selbstkosten des Talbot stahls, die an sich schon nicht viel sich von denen des Thomasstahls unterscheiden, erheblich unter diese herabgedrückt werden können. 8. Surzycki-Verfahren. Dieser Prozeß bezweckt auf Basis des Talbotverfahrens einen kontinuierlichen Betrieb in einem feststehenden ! Herdofen; zu diesem Zweck erhält der Ofen übereinander, aber nicht in einer Linie zwei oder mehrere Stichöffnungen, die in eine Doppel ausflußrinne münden, so daß die Schlacke und I ein Teil der fertigen Charge ohne völlige Ent- j leerung des Herdes abgegossen werden kann. Der Betrieb geht in der Weise vor sich, daß I man im Ofen zuvörderst kalten Schrott ein schmilzt, dann flüssiges Roheisen zugießt, nach Beruhigung des Bades eine entsprechende Menge Erz zusetzt und darauf wieder flüssiges Roh eisen usw., bis der Ofen voll ist. Entphosphort wird in der gewöhnlichen Weise mit Kalk, und nach Beendigung der gewünschten Entkohlung , wird ein Theil des fertigen Metalls durch das ' obere Stichloch in eine Pfanne abgestochen, wo- * Vergl. H. Wedding: Verh. d. V. z. Bef. d. Gew. 1904 S. 329 ff. selbst mittels Holzkohle und Ferromangan des- oxydiert wird. Sobald der Abstich vollendet ist, schließt man das obere Stichloch wieder mit gebranntem Dolomit, repariert Schlackenzone und Feuerbrücken und gießt nach erneutem Zusatz von Erz bezw. Walzensinter wieder eine der abgelassenen Menge Flußeisen entsprechende Charge Roheisen zu. Man ordnet die obere Abstichöffnung eines Ofens, der 40 bis 50 t flüssiges Material faßt, derart an,* daß 25 bis 30 t fertigen Materials abgegossen und 20 bis 25 t zurückbehalten werden können. Das untere Stichloch wird benutzt, wenn man den Rest des Ofeninhalts ablassen und den Ofen stillsetzen will. In Czenstochau, wo Surzycki im September 1902 sein Verfahren einführte,** betrug die Pro duktion bei Verwendung von Roheisen mit 0,6 % Phosphor sowie 20 bis 25 % Erzzusatz und einem Ausbringen von 102 %, auf den metalli schen Einsatz berechnet, 75 bis 90 t Flußeisen, d. h. gegenüber dem gewöhnlichen Roheisenerz verfahren eine Erhöhung von 15 bis 28 % ; im Vergleich zum Talbotprozeß ergibt sich aber ein erheblich kleineres Ausbringen und eine wesentlich geringere Leistungsfähigkeit, deren Ursache in der stärkeren Verdünnung des Bades im Talbotofen — indem der Kohlenstoffgehalt des Metallbades beim feststehenden Ofen doppelt so hoch ist als im Talbotofen — und in dem größeren Überschuß an Wärme daselbstbegründet liegt, welche den Gang des Schmelzens besser zu regulieren vermag. Aber auch dem Bertrand- Thielprozeß gegenüber stellt sich die Erzeugungs ziffer des feststehenden Ofens kleiner, selbst wenn man berücksichtigt, daß der Ofen in Czenstochau bei 2,5 m Breite und 0,5 m Herd- I tiefe sehr flache und schmale Bauart besitzt, i Die geringere Leistungsfähigkeit bedingt weiter hin höhere Löhne und höhere Betriebskosten. Die Anlagekosten eines feststehenden Ofens mit | den erwähnten Abstichvorrichtungen stellen sich natürlich erheblich niedriger als die eines Kipp ofens, aber es sind auch die Betriebsgefahrens welche durch das Anbringen mehrerer Stich- I löcher in der Rückwand des Herdofens her vorgerufen werden, nicht zu unterschätzen, wenigstens bei großen Öfen. Von den vorstehend beschriebenen Verfahren zur Stahlerzeugung haben insbesondere der Bertrand- Thielprozeß und das Talbotverfahren mit Erfolg den Wettbewerb mit den älteren Erzeugungsmethoden aufgenommen, nur das Schrottschmelzverfahren bleibt unverdrängt überall da, wo genügend Alt eisen zur Verfügung steht und der Schrottpreis | zugleich erheblich niedriger steht als der Roh- * Vergl. ,,Stahl und Eisen“ 1904 S. 163 (Surzycki). ** Surzycki hat das Verdienst, das Verfahren i zuerst praktisch ausgeübt zu haben, aber Thiel erhielt schon im Februar 1902 ein ähnliches Patent. Vergl. I „Stahl und Eisen“ 1904 S. 458.