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1. Juni 1905. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 675 hielt. Ferner wurden silberne Carnegiemedaillen an L. Delmar und Endström aus Stockholm verliehen. Nach Erledigung des geschäftlichen Teils folgte die Ansprache des neuen Vorsitzenden, in welcher derselbe einleitend einen Überblick über den Charakter und die Tätigkeit des Instituts gab und besonders den kosmopolitischen Charakter dieser Vereinigung betonte, den man einerseits aus der großen Zahl ausländischer Mitglieder, anderseits aus dem Umstande entnehmen kann, daß der scheidende Präsident (Andrew’ Carnegie) amerikanischer Staatsangehöriger ist. Hadfield wandte sich alsdann den Aufgaben zu, die der Industrie und den Wissen schaften aus dem raschen Gang der Technik erwachsen, und hob u. a. die Notwendigkeit beständiger Unter suchungen hervor, welche einen Teil des industriellen Betriebes bilden müßten und ebensoviel Aufmerksam keit verdienten als die Überwachung des Betriebes selbst. Wie gering eigentlich die Kosten solcher Untersuchungen gegenüber der dadurch geschaffenen Erfolge seien, könne man aus den an der Royal Institution für die Untersuchungen eines Jahrhunderts aufgewendeten Kosten entnehmen, die nur etwa 120000 £ betragen haben. Der Vortragende ging alsdann auf die Geschichte und den gegenwärtigen Stand des Hüttenwesens ein, wobei er auf die bekannte Rektoratsrede von Professor Dr. W. Borchers in Aachen verwies,* in welcher der Rang, den das Hüttenwesen gegenwärtig unter den technischen Wissen schaften einnimmt, in sehr zutreffender Weise gekenn zeichnet sei. Welche Bedeutung das Hüttenwesen für die Kultur und die Entwicklung der Menschheit habe, könne man aus dem Umstande ersehen, daß die drei Hauptschlagadern des modernen Fortschritts: die Eisen bahn, das Dampfschiff und der elektrische Telegraph, ohne die Hilfe des Hüttenmanns nicht hätten geschaffen werden können. Dem Werte nach nehmen die Eisen- und Stahlerzeugnisse, einschließlich der daraus her gestellten Fabrikate, die erste Stelle unter den Industrie erzeugnissen der Welt ein. Der englische Anteil hieran beträgt nach Hadfield 160000000 €, der amerikanische 360 000 000 £ und der deutsche ebenfalls beträchtlich über 100000000 £. Eine für die Zukunft der Eisenindustrie äußerst wichtige und daher schon oft erörterte Frage ist bekanntlich die künftige Deckung des Erzbedarfs. In bezug hierauf führte der Vor tragende aus, daß, wenn die Roheisenerzeugung sich in dem Maße wie bisher weiter entwickelt, man im Jahre 2000 bei einem Erzbedarf von wenigstens 450 Millionen Tonnen anlangen würde. Glücklicherweise seien Eisenerze in großen Mengen vorhanden, würden dieselben aber ausreichen, dem so gewaltig gestiegenen Bedarf zu genügen? Seit dem Jahre 1800 seien etwa 3300 Millionen Tonnen verschmolzen worden; in den nächsten hundert Jahren müßte man mit einem Ver brauch von 15000 Millionen Tonnen rechnen, selbst wenn man zukünftige Steigerungen der Roheisen erzeugungen nicht berücksichtigt. Rechnet man aber, daß die Roheisenerzeugung in demselben Maße wie bisher weiter steigen wird, so gelange man zu einem Verbrauch von 30000 Millionen Tonnen und darüber. Diese gewaltigen Zahlen rufen naturgemäß die Besorgnis wach, daß die vorhandenen Erzlagerstätten vorzeitig erschöpft werden könnten. Hadfield erinnerte in diesem Zusammenhang an die bekannten Ausführungen Carnegies vor dem Iron and Steel Institute** und die | Arbeit von Jeans*** über die englische Eisenindustrie, die sich beide mit dieser Frage beschäftigen. Nach einer Arbeit von Llewellyn Smith sollen sich in China in der Provinz Schansi noch große Vorräte an * „Stahl und Eisen“ 1904 Seite 985. ** „Stahl und Eisen“ 1903 Seite 1057. *** Ebenda 1904 Seite 664. Kohle und Eisenerz finden und dieser Bezirk Aussicht haben, dereinst einer der wichtigsten Eisenerzeuger der Welt zu werden. Angesichts der Knappheit der vorhandenen Erzvorräte erscheint die Frage berechtigt, ob die bei Herstellung und Verarbeitung des Eisens entstehenden Verluste nicht vermindert werden könnten. Hierauf ist nach Hadfield in Zukunft ein größeres Gewicht zu legen. Da der größte Teil des erzeugten Roheisens zu Stahl verarbeitet wird, müsse man bei Beurteilung der Eisenverluste hauptsächlich die Stahl bereitung berücksichtigen. Ferner müsse man nicht nur die Eisenverluste selbst, sondern auch die durch Entfernung der Fremdkörper, wie Kohlenstoff, Silizium und Mangan, verursachten Gewichtsverminderungen in Rechnung ziehen, da die Mengen derselben in den Angaben über die Roheisenerzeugung inbegriffen sind. Die Größe dieser gesamten Verluste schätzt Hadfield wie folgt: Durchschnittlicher Verlust durch Entfernung der Fremdkörper, Kohlenstoff, Silizium usw. 7°/o, durch direkte Oxydation 5 % , weiterer Verlust durch Oxy dation beim Walzen, Schmieden usw. 5%; ferner er gibt sich wahrscheinlich bei der weiteren Wärme behandlung des Stahls ein Verlust von 5°0, endlich durch Abnutzung und atmosphärische Oxydation von 1 °/o. Diesen Zahlen nach würden 23 % der Roheisen erzeugung bei der Gewinnung und Weiterverarbeitung des Stahls verloren gehen, was unter Annahme einer Roheisenerzeugung von etwa 50 Millionen Tonnen einem Verlust von über 10 Millionen Tonnen entspräche. Es gingen demnach bei dem gegenwärtigen Grade der Erzeugung etwa 1000 Millionen Tonnen in einem Jahrhundert verloren, entsprechend einem Verlust von etwa 3000 Millionen Tonnen Erz. Der Vortragende sprach alsdann über die Aus sichten der elektrischen Eisen- und Stahlgewinnung und die neueren Prozesse der Stahlbereitung und wandte sich hierauf den Eisenlegierungen zu. Er schilderte die Entwicklung, welche die Darstellung der Eisen legierungen genommen hat, und wies auf die Bedeu tung hin, welche dieselben für die moderne Entwick lung der Eisenhüttentechnik sowie des Maschinen baues gewonnen haben. Seine weiteren Ausführungen, die hier in Anbetracht des beschränkten Raumes nicht wiedergegeben werden können, betrafen folgende Punkte: Wärmebehandlung von Stahl, Metallographie, Gießereiwesen, Gußeisen, Stahlformguß, Kriegsmaterial und Materialprüfung. Zum Schluß sprach Hadfield noch einige Worte über die gegenwärtige Lage des Eisenmarktes, welche er als eine hoffnungsvolle be zeichnete; die schlechtesten Zeiten seien überstanden, und bei den großen Eisenbahnbauten und anderen bedeutenden Unternehmungen, welche sowohl in den englischen Kolonien in Südafrika, Kanada, Australien und Indien, als auch in Nord- und Südamerika ge plant seien, könne man auf eine günstige Entwicklung rechnen. Nach Beendigung der Ansprache des Präsidenten kam eine Abhandlung von S. Surzycki aus Czen- stochau über das Ununterbrochene Stahlschmelzverfahren in fest stehenden Martinöfen zur Verlesung, der wir zur Ergänzung unserer früheren Mitteilungen in „Stahl und Eisen“* folgendes ent nehmen: Indem zu Czenstochau in Betrieb befindlichen 25 t-Ofen wurden während der ersten Hüttenreise 574 Chargen fertiggemacht, worauf der Betrieb, obgleich sich der Ofen noch in gutem Zustand befand, ein gestellt wurde. Nach einer Reparatur der Köpfe und des Gewölbes und Umpackung der Kammern wurde darauf der Ofen wieder in Betrieb gesetzt und hat seit dem über 690 Chargen geliefert, und der Verfasser hofft auch noch die 1000. Charge in ihm erzielen zu können. * Stahl und Eisen“ 1904 S. 163.