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15. Mai 1905. Bericht an die Hauptversammlung der Nordwestlichen Gruppe. Stahl und Eisen. 575 bekanntlich zu dem Allerunsichersten gehört, was es im Bergbau gibt. Die Erze treten hauptsächlich, auf in der Nähe der Basaltdurch brüche, die das Gebirge zerrissen haben und natürliche Zuflußkanäle für die atmosphärischen Niederschläge bilden. Diese Art der Gebirgs bildung bringt es mit sich, daß sehr starke Wasserzuflüsse überall dem Bergbau hindernd in den Weg treten. Das Verhalten der Gänge ist dabei ein außerordentlich wechselndes, so daß es bis jetzt nicht gerechtfertigt erschien, er hebliche Summen für große Anlagen mit starker Wasserhaltung aufzuwenden. Das Aufschließen der Gänge durch Stollen ist insofern sein- schwierig, als es dazu bis zu 4 und 5 km langer Stollen bedarf, deren Anlagekosten natür lich noch viel größer sind, als die von Wasser haltungen. Was die Verkehrsverhältnisse an belangt, so ist der Westerwald allerdings in den letzten Jahrzehnten sowohl durch die Staats eisenbahnverwaltung als auch durch kleinere Privatbahnen in dankenswerter Weise aus seiner früheren Verlassenheit herausgerückt worden. Trotzdem sind die Transportverhältnisse für den Bergbau, dessen Förderanlagen nicht unmittel bar an eine Eisenbahn angeschlossen sind, noch recht ungünstig. Ein Transport der Erze auf dem Landwege mittels Fuhrwerk zur Bahnstation ist zu teuer. Die Wege sind während eines Teils des Jahres überhaupt nicht passierbar; bei dem starkwelligen Terrain lassen sich nur verhältnismäßig kleine Mengen auf einen Wagen laden, so daß der Transport von 10 t auf eine Entfernung von 4 km bis zu 30 6 betragen hat. Schmalspurige Anschlußbahnen oder gar solche in Normalspur, wie sie doch für einen größeren Bergbau zweifellos nötig sind, nach den Bahn höfen der Eisenbahnen zu bauen, ist bei der Konfiguration des Geländes wiederum sehr kost spielig und eine wenig aussichtsvolle Sache, weil keinerlei Sicherheit für die Rentabilität auf längere Zeit vorhanden ist. Erst recht ver bietet sich aus allen diesen Gründen die Schaffung einer Eisenindustrie auf dem Westerwald selbst. Die heutigen Eisen- und Eisensteinpreise lassen die Zeit des Westerwaldes als noch nicht ge kommen erscheinen. Daran hat der jetzige § 65 des Berggesetzes nichts ändern können, und ebensowenig würde die beabsichtigte Verschär fung der Bestimmungen das gewiß von nieman dem mehr als von den Grubenfelderbesitzern gewünschte Ergebnis herbeiführen. Ganz unannehmbar erscheinen einzelne Be stimmungen des genannten Gesetzentwurfs aus Gründen öffentlich-rechtlicher Natur. Wir rechnen dahin vor allem den Ausschluß jeden Rechtsweges bezüglich der dem Staate zugesprochenen Befug nis, darüber zu befinden, ob der Betrieb eines ganz oder teilweise stillzulegenden Bergwerks noch Gewinn verspricht oder nicht, während jede Schadenshaftung des Staates abgelehnt wird. Derartige Fragen können doch nur von einem Verwaltungsgericht entschieden werden, vor dem alle Beweismittel zulässig sind und beiden Teilen ausgiebige Gelegenheit zur Begründung ihrer Ansicht geboten wird. Ebendahin zählt die Vorschrift, daß zu den Kosten des Weiterbetriebes auch die Vorbesitzer aus den letzten zwei Jahren und ebenso die Pächter und Nießbraucher heran gezogen werden können. Endlich soll die Berg behörde allein darüber befinden dürfen, in welchem Umfange der Betrieb eines Bergwerks geführt werden muß. Danach kann die Behörde den Betrieb einer tatsächlich unrentabeln Grube in ganzem Umfange auch dann fordern, wenn die Möglichkeit vorliegt, durch Aufgabe eines Teiles des Betriebes, der das Gesamtergebnis belastet, das ganze Unternehmen rentabel zu gestalten. Ebensowenig ist es ausgeschlossen, den Eigen tümer zu kostspieligen Neuanlagen zu verpflichten, die er zurzeit aus guten Gründen unterläßt, für die aber irgend ein „öffentliches Interesse“ kon struiert würde. Endlich ist der Begriff „gewinn versprechend“ gerade bei Bergwerksanlagen ein so dubioser und ungewisser, daß er unserer Meinung nach ohne nähere Deklarationen in das Gesetz nicht aufgenommen werden kann. Wir schlagen daher der Hauptversammlung vor, sich dem Beschlußantrage anzuschließen, den der „Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund“ bezüglich dieses Gesetzentwurfs einstimmig angenommen hat und der also lautet: „Der Hohe Landtag wolle dem Gesetzentwürfe betreffend Abänderung der §§ 65, 156 bis 162, 207 a des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 und des 3. Abschnitts des Aus- 102 führungsgesetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 23. September 1899 die Genehmigung ver sagen oder, falls dies nicht angängig, wenigstens in den folgenden Punkten eine Abänderung des Regierungsentwurfs herbeiführen: 1. Die Entscheidung des Oberbergamts, daß der Betrieb eines Bergwerks Gewinn verspreche, kann unter Ausschluß des Rekurses im Wege eines Verwaltungsstreitverfahrens angefochten werden, dessen Einzelheiten in dem Gesetze zu regeln sind. 2. Wird in dem Verwaltungsstreitverfahren rechtskräftig erkannt, daß der Betrieb als ren tabel nicht angesehen werden kann, so hat für die Kosten des infolge der Verfügung des Ober bergamts geführten Betriebes seit Zustellung der Aufforderung des § 65 Absatz 2 der Staat aufzukommen. 3. Der Weiterbetrieb von Teilen eines Berg werks darf nicht verlangt werden, wenn er in sich keinen Gewinn mehr verspricht, gleichgültig, ob andere Teile des Bergwerks einen Gewinn ergeben. \