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514 Stahl und Eisen. Die elektrische Kraftübertragung auf Hüttenwerken. 25. Jahrg. Nr. 9. geordneter Bedeutung ist. Schwieriger schon ge staltet sich die Kraftversorgung auf diesem Wege für ein Hochofenwerk verbunden mit Thomas- Stahlwerksbetrieb, da die hierfür nötigen Gebläse zentralen je nach dem Umfang der Produktion und der Nebenbetriebe weiter voneinander ge trennt liegen. Für solche Hüttenwerke endlich, die sowohl die Verhüttung der Erze als auch die Weiterverarbeitung des Rohmaterials bis zu den Fertigfabrikaten in größerem Maßstabe betreiben, ist eine weitgehende Dezentralisation für die*) Dampferzeugung die einzige Möglichkeit, der durch die Dampffortleitung auftretenden Schwierig keiten Herr zu werden und das System der Kraftübertragung einigermaßen wirtschaftlich zu gestalten. Begünstigt und gefördert wurde diese Dezentralisation durch die Ausnutzung der Ab fallgase an den Wärmöfen der Walzwerke, wobei die Dampfkessel meist unmittelbar den Ofen- | betrieben angegliedert wurden. Eine derartige Abhitzedampfwirtschaft hat in das System der einheitlichen Energieversorgung ein großes Durch einander gebracht, den Betrieb unübersichtlich ge staltet und verteuert. Die Versuche, durch Ver wendung hoher Dampfspannungen die zentrale Dampferzeugung lebensfähig zu gestalten, führten zu maßlosen Energieverschwendungen, da es trotz eines planvoll durchgebildeten Rohrleitungsnetzes nicht gelang, die Übertragungsverluste auf ein ) zulässiges Maß herabzumindern. Kondens- und Undichtigkeitsverluste von 2 kg Dampf f. d. Quadratmeter Rohrfläche und Stunde bilden für die gekennzeichneten Betriebe durchaus keine Seltenheit selbst bei gut gewarteten Rohrleitungen und bei weitgehender Verwendung von Wärme- Schutzmitteln. Für ein Rohrnetz von 1000 qm Strahlungsoberfläche bedeutet das einen Kondens verlust von 2000 kg Dampf f. d. Stunde, so daß unter Annahme einer Verdampfung von 20 kg f. d. Quadratmeter Heizfläche die Betriebs bereitschaft von 1000 qm Rohrleitung je 100 qm Kesselheizfläche erfordert. Ein Hochofenwerk mittlerer Größe (4 Öfen zu je 150 t Ausbringen) enthält beispielsweise bei reinem Dampfbetrieb eine Rohrleitung von 1500 bis 2000 qm, das zugehörige Stahlwerk vielleicht 500 bis 700 qm; das Walzwerk mit Block- und Trägerstraßen (3 bis 4 Maschinen) 1600 bis 2200 qm, so daß das Rohrnetz 3500 bis 5000 qm Strahlungs oberfläche bietet. Die Betriebsbereitschaft würde mithin 350 bis 500 qm Kesselheizfläche nötig machen. Riedler führt in dieser Zeitschrift, Jahrgang 1899, ein Beispiel an, wo die Betriebs bereitschaft von im ganzen 20000 qm Leitungs oberfläche die Heizung von 20 Dampfkesseln zu je 80 qm Heizfläche erforderte. Bei ungünstigen örtlichen Verhältnissen oder schlecht gewarteten Anlagen vervielfachen sich die angegebenen Zah len und es sind eine ganze Reihe von Betrieben I bekannt, bei denen die Betriebsbereitschaft des Rohrnetzes 25 und 30 °/o der gesamten Energie erzeugung dauernd in Anspruch nimmt.* In denjenigen Betrieben, in welchen Abfallgase für die Dampferzeugung reichlich zur Verfügung standen, wurde auf eine Verbesserung dieser Ver hältnisse wenig Wert gelegt, da man den Dampf als geschenkt hinnahm. Dagegen ist die inten sivste Ausnutzung der Brennstoffe eine Lebens frage geworden für alle diejenigen Anlagen, denen entweder überhaupt keine Abfallgase zugänglich sind, oder aber die vermöge ihrer Produktions erweiterungen neue Energieverbraucher an die bis herige Gas Verwertung anschließen müssen. Die Feststellung dieser Verhältnisse dürfte genügen, um die beispiellose Entwicklung zu verstehen, welche die elektrische Kraftübertragung auf den Hüttenwerken in den letzten Jahren erfahren hat. Der maßlosen Energievergeudung, welche die de zentralisierte Krafterzeugung und insbesondere die Abhitzedampfwirtschaft mit sich brachte, stehen die bedeutenden Ersparnisse gegenüber, welche durch die elektrische Kraftversorgung in modernen Anlagen erzielt wird. Ins Riesenhafte hat sich diese Entwicklung gesteigert, seitdem man erfolg reich begonnen hat, ausgedehnte Grubenfelder und umfangreiche Hüttenwerksanlagen an ein ge meinsames Kabelnetz anzuschließen und somit die Energieerzeugung und Verteilung in]derdenk- bar vorteilhaftesten Form auszubilden. Auf dieser Grundlage hat sich in einer verhältnismäßig kurzen Spanne Zeit eine Kraftversorgung heraus gebildet, die dem Gesamtbetrieb auch nach außen hin ein gegen früher vollständig verändertes Aus sehen gegeben hat. Im allgemeinen wird der aufmerksame Besucher einer modern eingerichteten Hütte den Eindruck gewinnen, daß der Betrieb gegenüber den älteren Einrichtungen an Plan mäßigkeit und Übersichtlichkeit unbedingt gewon nen hat, obwohl die Produktion meist ganz be deutend gesteigert wurde. Die im ganzen Werk zerstreut liegenden Dampfkessel mit ihren ver schiedenartigen Konstruktionen und Betriebsverhält nissen werden nach und nach außer Betrieb ge setzt. Das Netz der Dampfleitungen, zu dessen Wartung und Beaufsichtigung ein zahlreiches, gut geschultes Bedienungspersonal nötig war, macht dem elektrischen Kabel Platz, das, einmal verlegt, überhaupt keiner Wartung mehr bedarf und weder * Die oben erwähnten, von Professor Hiedler angestellten Messungen ergaben: 1. Schachtanlage mit 12 Dampfkesseln: Leergang 60, °/° des durch schnittlichen Brennstoffaufwandes, ßetriebsbereitschaft 25%; 2. Fabrikanlage mit 15 Betriebskesseln, mit verzweigter Dampfleitung für Nebenbetriebe: Leer gang 62 %, Bereitschaft 25 %; 3. Walzwerk mit zwei Trios, Träger-Reversiermaschine, drei kleinen Walzenstraßen, den üblichen Hilfsmaschinen und Nebenbetrieben: Leergang 70%, Bereitschaft 32%; 4. Walzwerk für Handelseisen mit Hammerwerk und entfernt liegender Werkstätte, Lichtwerk, alles von mangelnder Beschaffenheit: Leergang 80%, Bereit schaft 44 %•