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Gebiete in der Öffentlichkeit und besonders in der Gesetzgebung vollzogen hat, über die gleichartigen Vorgänge in den anderen Ländern und über die Be ziehungen zu diesen geben die Hefte des Zentralver bandes Auskunft, nicht nur über die Tatsachen, son dern auch über die Stimmungen, die maßgebend für die kommenden Ereignisse waren. In noch größerem Umfange als durch die handels politischen Fragen, ist die Arbeit des Zentralverbandes durch die sozialpolitischen Verhältnisse in Anspruch genommen worden. Als Erzeugnis der modernen wirtschaftlichen Entwicklung hatte sich um die Wende zum vorigen Jahrhundert auch in Deutschland die Bil dung einer besonderen Klasse von Arbeitern, die der Fabrikarbeiter, zu vollziehen begonnen. Das berech tigte Klassenbewußtsein und das ebenso berechtigte, auf die Besserung ihrer Lebensbedingungen gerichtete Streben artete dann, ganz besonders in Deutschland, aus in die staats- und gesellschaftsfeindliche sozial demokratische Bewegung. Sie schwoll an und wurde ein machtvoller Faktor in der deutschen Gesetzgebung durch die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, denn durch dieses gewann die Sozialdemokratie Ein fluß auf eine große Anzahl derer, von denen die Be handlung öffentlicher Angelegenheiten besonders im Deutschen Reichstage als Beruf betrachtet wurde. Mit diesen Elementen hat der Zentralverband einen jahrzehntelangen Kampf geführt. Im Zentralverbande war eine aufrichtige, warme Fürsorge für die Arbeiter verkörpert. Das konnte wohl auch nicht anders sein bei Arbeitgebern, die den außerordentlichen Fortschritt der deutschen Industrie bewirkt und damit ein untrügliches Zeugnis für den hohen Stand ihrer Intelligenz, ihrer Kenntnisse und ihrer allgemeinen Bildung abgelegt hatten. Daher be grüßte der Zentralverband freudig die großzügigen Pläne, die der große Kaiser mit seinem treuen Berater, dem ersten Kanzler des Deutschen Reiches, für die Hebung des Wohles der arbeitenden Klassen ent worfen hatte. Der Zentralverband hat in unablässiger ernster, mühevoller Arbeit zu den wirkungsvollsten Befürwortern und Förderern jener Pläne, sowohl auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung, wie des Ar beiterschutzes gehört. Was aber der Kaiser und die verbündeten Regierungen zum Wohle der Arbeiter er strebten und was die im Zentralverbande vereinigten Industriellen warmherzig stützten und förderten, das genügte der Sozialdemokratie und den ihr bewußt oder unbewußt nahestehenden bürgerlichen Sozial politikern nicht. Die Aufrechterhaltung einer wirkungs vollen Agitation, besonders rücksichtlich der Wahlen, verlangte fortgesetzt eine Erweiterung der Forderungen, die unvereinbar nicht nur mit den Lebensbedingungen für die Industrie, sondern mit den allgemeinen Inter essen waren. Mit seinen Arbeiten für die Sozial politik des Kaisers, mit seinem ernsten Streben, die betreffenden Gesetze dem allgemeinen Interesse ent sprechend auszugestalten, hat der Zentralverband den Kampf mit der Sozialdemokratie und ihren Helfern aufnehmen und unausgesetzt bis auf den heutigen Tag fortführen müssen. Die ganze sozialpolitische Gesetzgebung, der von den Parteien um sie geführte Kampf, die mit Bezug auf sie geleisteten umfassenden und mühevollen Ar beiten, die tatsächlichen und die voraussichtlichen Folgen dieser Gesetze, alles das ist eingehend in den Heften des Zentralverbandes dargestellt. Und mehr als das. Hinsichtlich der handelspolitischen, wirt schaftlichen und sozialen Interessen unseres Vater landes, auch in seinen Beziehungen zum Auslande, hat sich wohl kaum ein Vorgang vollzogen, der nicht in den Verhandlungen des Zentralverbandes oder in den erstatteten Berichten aufklärende Erwähnung ge funden hat, die in allen Fällen auch in die Hefte übergegangen ist. So bilden sie ein hervorragendes Material für den zukünftigen Geschichtsschreiber, wie sie ein Zeugnis für die umfassende Tätigkeit dieses größten deutschen industriellen Verbandes allzeit sein werden. Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund. In der am 2. Juni in Essen abgehaltenen General versammlung des Vereins für die bergbaulichen Inter essen wurden die ausscheidenden Vorstandsmitglieder sämtlich wiedergewählt. Für den verstorbenen Ge heimen Kommerzienrat Dr.-Gng. C. Lueg wurde Berg assessor Pieper in den Vorstand gewählt. Zu Beginn der Versammlung begrüßte der Vorsitzende, Geh. Berg rat E. Kr ab ler, die zahlreich besuchte Versammlung. Ferner widmete er den seit der letzten General versammlung verstorbenen Mitgliedern des Vereins, Dr. Schultz, Bergrat Pieper, Dr. Hammacher und Geh. Kommerzienrat »r. eng. Carl Lueg einen ehrenden Nachruf. Dann sprach sich der Vorsitzende über den Bergarbeiterstreik und die Berggesetznovelle aus. Den Streik nannte er eine Seuche, die durch die Hetzereien der sozialdemokratischen Blätter hervorgerufen sei. Was die neuen Gesetze betreffe, so glaube er, daß der erwartete Erfolg nicht eintreffen wird. Die Erfolge seien auch mehr organisatorische, also politische, als wirtschaftliche. Nach dem Nullen würden sich die Arbeiter noch zurücksehnen; denn das sei eine ge ringere Strafe als die gesetzliche Geldstrafe. Die Arbeiterausschüsse würden sicherlich nicht zum Frieden beitragen; schon die Wahlen würden zur Unruhe und Verhetzung Anlaß geben. Dazu seien Vermittler zwischen Arbeitern und Zechenbesitzern nicht erforder lich, da jeder Arbeiter bis zur höchsten Stelle sich beschweren und Recht finden kann. Davon werde ja, wie jeder wisse, häufig genug Gebrauch gemacht. Die Folge der Gesetze sei nur die, die Belegschaften be gehrlicher zu machen; damit seien Unannehmlichkeiten und Erhöhung der Selbstkosten verbunden. Über die Tätigkeit des Vereins im laufenden Geschäftsjahre berichtete alsdann Bergmeister Engel, indem er ausführte, daß der Bergbau, der bis vor kuizem in der Öffentlichkeit kaum genannt wurde, durch Ereig nisse der jüngsten Zeit geradezu in den Mittelpunkt der breitesten öffentlichen Diskussion gestellt wurde. Bei all diesen unerfreulichen Erscheinungen — Hibernia vorlage, Streik, Zwangsbetriebsnovelle — berührte es äußerst wohltuend, daß die Stellungnahme der Berg werkseigentümer von einflußreichen Parteien des Ab geordnetenhauses gebilligt und von diesen der Staats regierung klarzulegen versucht wurde, wie bedenklich ihre Haltung sei. Nach einem geschichtlichen Rück blick über die Entstehung und Behandlung der Berg gesetznovelle fährt der Berichterstatter fort: Daß das Gesetz in der Kompromißfassung unzweifelhaft schlechter geworden ist, als es aus der Kommission hervorging, haben die Mitarbeiter an dieser, die Konser vativen, unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, indem sie die Bedenken, die sich gegen die jetzige Fassung in bezug auf politische Fragen ergeben, eingehend begründeten. Öb und inwieweit das Gesetz geeignet ist, den Frieden im Bergwerksleben herzustellen, bleibt eine überaus offene Frage. Wenn man damit rechnen könnte, daß die Sozialdemokratie sich von der maß losen Agitation fernhielte, mit der sie bisher operierte, dann wären die friedlichen Zustände durch das neue Gesetz auch nicht mehr gesichert als ohne dieses. Wenn die Sozialdemokratie aber die ihr nahegelegten Machtmittel sich ähnlich auszunutzen anschickt, wie sie dies mit den Krankenkassen tut, dann werde es freilich nicht Frieden, sondern Unfrieden geben. Ob das im neuen Gesetz allerdings abgeminderte Überwachungs-