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Kommunalpolitik. Der soeben zu Ende gegangene DeutscheStädtetag hat die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit wieder auf die grundsätzlichen Fragen der Grmeindepvlitik gelenkt. Der Städtetag hat sich besonder» mit der Frage der Wieder herstellung der in den letzten Jahren nach vieler Hinsicht be- ichräntten Selb st Verwaltung der Städte befaßt. Gegenüber dem auf fast allen Gebieten kommunalpolitischer Betätigung durch eine ganze Reihe von Gesetzen und Verord nungen immer stärker durchgeführten Aufsichts- und Ein spruchsrecht der Reichs- und Landesbehörden forderte man die „R e nai s s a n c e d e r Se l b st v e r w a l t u n g", die neben der Bewegungsfreiheit der Gemeindevertretungen und Ma gistrate auch unbedingt eine Stärkung des Verantwortungs gefühls zur Folge haben würde. Sicherlich berühren auch diese verwaltungsrechtlichen und instanzlichen Fragen sehr stark die Interessen des einzelnen Bürgers, aber es verlohnt sich doch darauf hinzuweisen, daß für die Bürgerschaft die wichtigsten Fragen der Gemeindepolitik augenblicklich ein anderes Gesicht haben und daß weiter die Zusammenhänge dem Bürger weniger klar sind. Er hat deshalb kaum so ohne weiteres Verständnis für die auf dem Städtetag gefallenen schönen Worte über die Selbstverwaltung und für die dort zur Sprache gebrachten Beschwerden. Die Entwicklung der Kommunalpolitik, die mit der Zwangswirtschaft und der finanziellen und sozialpolitischen Einwirkung der Kriegszeit einsetzte und dann in den In flationsjahren durch die Währungsentwertung und durch die politischen Folgen und Tendenzen des Umsturzes beeinflußt wurde, hat wohl in allen Schichten der Bevölkerung nur Un willen und Unzufriedenheit ausgelöst. Man kann zudem sagen, daß die sachliche und persönlick^ Schwenkung der Ge meindepolitik, die Aenderung in der Verteilung der Aufgaben und in den Dcckungsmöglichkeiten wenigstens ebensosehr wie die Inflation dazu beigetragen haben, früher gut finanzierte und reiche Gemeinden verarmen zu lassen und die Städte in eine recht üble Lage zu bringen. Wenn auch, was vielfach übersehen wird, die Landgemeinden und Kleinstädte, die ganz andere Interessen haben, als die auf dem deutschen Städtetag vertretenen großen Gemeinwesen, und auch in zwei anderen besonderen Verbänden zulammengefaßt sind, so sind sie nach dieser Richtung in der gleichen Notlage. Auch ihr Aufgaben kreis und die leitenden Gesichtspunkte bei seiner Erledigung haben sich ebenso wie ihre Finanzverhältuiffe grundlegend geändert Die UrsaclM dieser Aenderung liegen Vst ausschließlich auf politischem Gebiet, daneben aber auch in den Grundsätzen der großen Neichsfinanzreformversuche Erzbergers und seiner Vorgänger und Nachfolger. Man ist sich heute in allen in Frage kommenden Kreisen darin einig, daß die viel stärkere Uebertragung parteipolitischer Gegensätze in die Gemeinde verwaltungen und Gemeindeparlamente, wie sie seit der Re volution sich bemerkbar machte, der Gemeindeverwaltung stets recht abträgig gewesen ist, zumal, nachdem sie dazu führte, das; die nicht fachlich oorgebildeten Magistratsmitglieder nach Zahl und Einfluß eine immer stärkere Nolle gewannen und damit in die Exekutive des Gemeindeparlaments der in diesem sich austobende Kampf der politischen Parteien immer stärker hineingetragen wurde. Daß dis mangelnde Vorbildung der leitenden, lediglich parteimäßig gut geschulten Gsnmnde- beamten an so manchem wirtschaftlichen Mißerfolg die Haupt schuld trügt, wird heute nicht einmal von den Parteien und den Gemeindeverwaltungen selber bestritten. Die partei mäßige Einstellung der Gemeindevertretungen und Gemeinde- Leitungen hat zudem die Haushalte und die Führung der Ge meinden in der Begrenzung oder Erweiterung ihres Auf gabenkreises oft sehr zu ihrem Nachteil beeinflußt. Erinnert sei hier nur an die nntteistandsfeindltcken Kommunali- sierungsexperimente einer Anzahl sozialistisch oder kommu nistisch orientierter Gemeinden, die zudem noch fast aus nahmslos den beteiligten Gemeinden starke finanzielle Ver luste gebracht haben. Schließlich hat die völlige Aenderung im Aufbau des deutschen Steuersystems und in der Ver anlagung«;- und Erhebungsform, die heute wohl von allen Seiten als verfehlt angesehen wird, den Aufaabenkreis, die Finanzgebarung und die rechtliche Stellung der Gemeinden völlig verschoben. Die wichtigsten Steuern nahm nun das Reich für sich in Anspruch, das auch die Veranlagung und Er hebung durch eigene Behörden in die Hände bekam. Die Ge meinden wurden auf ein System der prozuentalen Beteili gung, der RiickveraMu<men und der Vorschüsse verwiesen und mußten die veränderlichen Ausgabeposten auf andere Art und Weise als früher durch Sondersteuern hereinzubringen suchen. Für diese Sondersteucrn aber blieb ein sehr weitgehendes Kontroll- und Einspruchsrecht des um seiner Einnahmen aus eigenen Steuern besorgten Reiches vorbehalten. Die not- wendige Folge war einmal ein häufiges Uebergreifen der poli tischen und wirtschaftspolitischen (namentlich auf sozialem Ge biet) Strömungen innerhalb der stark politisierten Neichsver- waltung auf die Gemeinden und daneben eine Vervielfachung der Zahl gemeindlicher Sondersteuern. Bei der Auswahl und der Tarifierung dieser Steuern tobte sich ebenfalls der partei politische Einschlag und die ständische Zusammensetzung der verschiedenen Gemeindevertretungen und Magistrate in einer Weise aus, die weder dem Wohlergehen der Gemeinde noch den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprach. Es ist kein Wunder, daß angesichts dieser Entwicklung die Bürgerschaft ganz andere Sorgen bewegen, als scheinbar den Stüdtetag. Die Forderungen der Bürgerschaft gehen heute fast allerorten dahin, daß die Parteipolitik aus dem Gemeinde- leben verschwinden möge und die Arbeit auf diesem Gebiete wieder in erster Linie von sachlichen, das heißt lokalpolitischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten beherrscht werden möge. Das prägt sich unter anderem zum Schaden der politischen Parteien auch schon in zahlreichen Absplitterungen und lokalen Sondergründungen aus wirtschaftlichen Gesichtspunk ten heraus aus. Bei den letzten Gemeindewahlen waren neben den politischen Listen als anderes Extrem vielfach solche der Mieter, der Vermiter, der Handwerker, der Gewerbevereine und ähnlicher Gruppen zu beobachten. Um aber den Gemein den ein sachliches Arbeiten im Sinne ihrer dringenden Auf- gaben zu ermöglichen, ist allerdings die Wiederherstellung ihrer Selbstverwaltungsfreiheit gegenüber Reich und Ländern erforderlich, doch müßte diese Freiheit auch in der Gestaltung der Finanzen und der Steuerpolitik eins natürliche Grundlage haben. sä. Oie Seutsch ch anzösischen Handelö- vekiraWverhatMlMHSn. Die deutsch-französischen Handelsvertragsverhandlungen in Varis werden von nun ab geheimgehalten. Mitteilungen an die Presse sollten nur nach Verständigung zwischen den beiden Delegationen erfolgen. Der französische Handels minister Rainaldyhat die Sitzung mit einer langen An sprache eröffnet, in der er den gegenwärtigen Stand der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frank reich charakterisierte und ausführlich die französischen Wünsche darlegte. Sir lasten sich in folgende Worte zu sammenfassen: 1. Frankreich bittet um Auskünfte, ob Deutschland den freien Warenaustausch nach endgültiger Festsetzung seiner Tarifsätze wiebsrhersteLen will. Der franko-deutsche Handels vertrag wird von dieser Antwort abhängen. 3. Frankreich besteht auf der Fortsetzung der zollfreien Einfuhr süsatz-Sothrinqischsr Produkte nach Deutschland. 3. Unter vielen anderen Fragen in bezug auf die Wie deraufnahme der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehun gen müssen vor allem Garantien gegen Sonderzölle auf fran zösische Produkte gegeben werden. In seiner Antwort führte der Staatssekretär Trends- l« nburg aus: Der Herr Minister hat auf die Zerstörungen hingewissen, die der Krieg für Frankreich zur Folge gehabt Hais Die schweren Verluste, die Deutschland durch den Krieg und seine Folgen erlitten hat, sind anderer Art. Wir, die wir die Nöte der deutschen Wirtschaft täglich vor Augen haben, können nicht verstehen, daß im Ausland auch heute noch die Meinung verbreitet ist, daß die deutsche Wirtschaft im ganzen gesehen, ihre alte Leistungsfähigkeit auch nur an nähernd behalten habe, und daß der Wettbewerb seiner Pro duktion ein« Gefahr für die Industrien anderer Länder bedeute. Vroiest des Transfer-Agenien in Darrs. Die Erhebung der SSpkozelrtigrn ReparationsaSgabe durch Frankreich At Wich in Kreisen, bk« dem Transfer- Agenten uahestehen, lebhafte Beunnch-gnug hervsrgernfem Man ««Ist darauf hin, daß durch die Erhebung dieser Abgabe die Durchführung desDawesplaues irr höchstem Maße gefährdet erscheint, um so mehr, als sich eine ganze Reihe anderer Staaten dem Vorgehen Frankreichs anschlleßen wollen. Damit dürfte der Transfer-Agent den Standpunkt teilen, den die deutsche Negierung in ihrer be kannten Note an Frankreich zum Ausdruck gebracht hat. Der Transfer-Avent hat in der Tat auch bereits Schritts unter- nommen, um dis französische Negierung zu einer anderMiti- gen Regelung zu veranlassen. Oer Völkerbund - ein Cisarmghouse der Wett! General Henry Allen, der nach dem Waffenstill stand Kommandeur der amerikanischen Desatzungsarmce in Koblenz war, kehrte von Europa nach den Vereinigten Staaten zurück. Er erklärte in New Pork, der Völkerbund habe sich erfolgreich als ein Clearinghouse für die Tätigkeit der Welt erwiesen. Die Vereinigten Staaten müßten an diesem wichtigen Werk teilnehmen, oder sie müssen sonst er warten, daß das alte System des Gleichgewichts der Mächte wieder in ganz Europa cingcführt werde, v Französische Oemaskerung im Ruhrgebiet. Die Zeitungen de» besetzten Gebietes veröffentlichen auf Befehl der französischen Besatzung eine Mitteilung an die Presse, in der es heißt: Gewisse deutsche Zeitungen haben gemeldet, daß Manöverübungen von den französischen Trup pen in dem besetzten Ruhrgebiet ausgeführt werden sollen, und haben darin eine Uebertretung des Londoner Abkommen« gesehen. Die französische Militärbehörde macht besonders darauf aufmerksam, daß auf der Londoner Konferenz bzw. in dem dort entstandenen Abkommen von einem Manöver verbot in den besetzten Gebieten keine Rede gewesen ist. Diese Manöver sollen, wie es weiter in der Mitteilung heißt, einem normalen Bedarf in der Ausbildung der Truppen entsprechen. In einer weiteren Mitteilung teilt die Besatzungsbehörde mit, daß entgegen anderslautenden Pressemeldungen bei der An meldung von Versammlungen keine Aenderung der bisher bestellenden Verordnungen eingetreten ist. Die Ver- fügung 14 und die Bedingungen, unter denen Versamm lungen gegenwärtig genehmigt werden, werden sich bis auf weiteres nicht ändern. In klares Deutsch übersetzt, heißt das eben nicht mehr und nicht weniger, als daß die französische Militärbehörde an eine Räu mung des Einbruchsgebietes durchaus nicht denkt. * Die Neichsregierung hat gegenwärtig Schritte eingeleitet, um die alliierten Negierungen zu einer Beschleunigung der in den Londoner Wmachungeu vorgesehenen militä rischen Räumung der Dortmunder Zone zu veranlassen. Wie wir hören, hat die Neichsregierung sie Er wartung ausgesprochen, daß geniüß der für oen 5. Oktober vorgesehenen zweiten Feststellung der Reparationskommission nunmehr die endgültige Räumung der Dort munder Zone vorgenommen wird und daß die in den Londoner Abmachungen vorgesehenen Schritte ohne Verzöge rung in Kraft treten. In den nwßgebenden Regisrungs- kreisen glaubt man damit rechnen zu können, daß die Räu mungsmaßnahmen im Laufe des Oktobers durchgssthrt werden. Kein besonderes Saargeld. Cs wird nunmehr in Paris offiziell bestätigt, daß die französische Regierung keineswegs die Ausgab« eines besonderen Geldes für das Saargebiet beabsichtigt. Es sind in deutschen und ftanzösischen Blättern dahingehende In- formationen erschienen, die der französische Finanjminist-r auf das entschiedenste dementieren läßt. Frankreich sabotiert die Abrüstung. In der „Washington Post" nimmt der Admiral Fullam zu der in Genf geplanten Abrüstungskonferenz Stellung und führt aus, daß Amerika heute nicht mehr die Führung in bezug auf den Abrüstungsgedanken habe. Großes Aufsehen haben die Ausführungen des Admirals über die Nicht- raiifizierung der drei von den fünf auf der Londoner Kon ferenz beschlossenen Verträge durch Frankreich gemacht. Frank reich habe bisher die zwei Verträge über die Souveränität Chinas und ein Abkommen über die Beschränkung des Ge- brauckm um: Unterireüootrn und nrn