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Ker Stand der MWaftskise. Mancherlei Anzeichen lassen in den letzten Wochen und Tagen daraus schließen, daß in der Wirtschaftskrisis xine ge wisse Erleichterung eingetreien sei. Zweifellos ist der G e l d- markt durch verschiedene Einflüsse lockerer geworden, und das hat eins Belebungdes Börsengeschäftes zur Folge gehabt. Die Detaillisten fast aller Branchen, abgesehen von den ausgesprochenen Luxusarlikelgeschäften, haben ihre geldliche Lage durch Minderung ihrer Lagcrbestände bessern kömnur und durch gleichzeitige Verringerung ihrer Bezüge im einzelnen Falle bei häufigerer Lagerergänzung sich eine bessere Dispositionsmöglichreit schaffen können. Die Neichsbank und die Golddiskontbank konnten ebenso wie die Privatbanken und dir meisten Genossenschaften einige Erleichterun gen im Kreditverkehr durchführen und die Land wirtschaft verzeichnet bereits die ersten Einnahmen aus der Ernte und zwar aus einer Ernte, die in den meisten Be zirken nach Menge und Güte die Erwartungen und Schätzun gen weit übersteigt. Durch dis Ernte und durch die Frei gabe der Ausfuhr für eine Reihe landwirtschaftlicher Erzeug nisse ist zu erwarten, daß der Einsuhrbedarf der nächsten Wochen ein wesentlich geringerer sein wird, während die Ausfuhr in lairdwirtschaftlichen Artikeln eine Zunahme auf- weisen Fird. Auch aus der Industrie hört man wenig stens aus eurigen Branchen von steigenden Auslandsauf trägen. Auch die Entwicklung der Ziffern des Güter- und Personenverkehrs, des Arbeitsmarktes, der Fahl der Kon kurse und der verhängten und aufgehobenen Geschäftsauf sichten lassen zum wenigsten augenblicklich den Eindruck eines Stillstandes der Krisenentwicklung aufkommen. Es muß aber vor allzu großem Optimismus leider gewarnt werden, denn weder bei näherer Prüfung der vorstehend geschilderten Erscheinungen noch angesichts der bisherigen Ergebnisse und voraussichtlichen Wirkungen der Londoner Konferenz scheint Grund zu günstiger Beurteilung der Lage. Vorläufig dürfte jedenfalls die kritische Zeit für d ie deutsche Wirtschaft noch nicht abgeschlossen sein, da zwar einige Aeußerungsformen der Krise sich in der Wir kung gemildert haben, ihre Ursachen aber fast unverändert fortbestehen. Es bleibt auch weiterhin Tatsache, daß' die deutsche Wirtschaft am Kapitalmangel krankt. Das tritt nur weniger in Erscheinung, weil der Produktionsapparat mit immer größeren, durch die Krise bedingten Einschränkungen arbeitet und sich gezwungenermaßen auf die verringerte Be wegungsmöglichkeit einstellt. Die Betrieb seins chrän- kungenuno Stillegungen haben einen gefährlichen Umfang erreicht und mehren sich noch täglich. Produktion und Handel schassen sich die Mittel zur Weiterexistenz ange sichts der sehr stockend eingehenden Außenstände, der be schränkten Kreditmöglichkeiten und der exorbitanten Zinssätze vielfach durch ein Leben von der Substanz bzw. durch eine Liquidierung der im Betriebe steckenden Gelder durch Ver kauf von Warenbeständen und Vorräten ohne gleichzeitige Ergänzung. Die Lags der Landwirtschaft und der von ihr abhängigen, oder auf ihr aufgebauten Industriezweige ist weiterhin sehr bedrohlich, da Sie neue Ernte und die daraus gewonnenen Erzeugnisse in sehr hohem Umfange be reits durch Kredite vorab in Anspruch genommen surd, ferner die hohen Steuerlasten gewaltige Berräge erfordern und da durch die Gefahr besteht, daß bald nach der Ernte die Land wirtschaft keine Mittel mehr zur Fortführung der intensiven Bewirtschaftung besitzen wird, nachdem zunächst der Zwang zur Beschaffung der seinerzeit heremgenommeuen, jetzt fälli gen Gelder einen starken Preisdruck für die Bodenerzeugnisse ausüben dürfte. Eine wirkliche Milderung und Lösung der Krise kann nur darin gesehen werden, wenn durch Minderung der Pro duktionskosten und reibungslosere, rentablere Gestaltung des Erzeugung?- und des Vertriebsprozesses die Erzeugung und der Ertrag der deutschen Wirtschaft wieder gesteigert werden. Diejenigen Stellen, die die heutige Krise bewußt wenigstens gefördert haben in der Absicht, dadurch eine Reinigung der Wirtschäft und der W ir t sch a fts v o r g än gö von ungesunden verteuernden Momenten zu bewirken, sehen vorläufig sicherlich Erfolge im Zusammenbruch zahlreicher In- flationsblüten, in der Verringerung der Warenbestände und einem gewissen Preisabbau. Bisher steht aber einer ge sunden Preisbildung noch die Tarifpoliti! der, Reichsbahn und die Steuerpolitik m Wege, uno der Reinigungspcozeß der Wirtschaft ist durchaus noch nicht bis zum notwendigen Grade durchgeführt. Insbesondere dauert die Einschaltung einer zu großen Anzahl von vor- dienenden Zwischengliedern zwischen Erzeugung und Vor- brauch immer noch an. Ebensowenig ist bisher die zweite Hauptsache der Krise, der deutsche Kapitalmangel, behoben, und es gilt weiterhin der Zuführung ausländischen und der Neubildung deutschen Kapitals größte Aufmerksamkeit zu widmen und sie auf jede Weise zu fördern. Voraussetzung für diese Kapitalbildung und Zuführung ist die Revision der Steuerpolitik und der Sozialpolitik. Beide sind in den letzten Tagen ja mich bereits durch wirtschaftliche und politische Gruppen programmatisch angeschnitten, aber beide dürften noch Feit und Kümpfe erfordern. Vor deren Don:er und Aus gang und vor allein vom Ergebnis der Londoner Konferenz sowie von der Handhabung der dort schließlich erreichten Ab machungen wird es in allererster Linie abhängen, wann man von einer Besserung der deutschen Wirtschaftslage wird sprechen können, ohne die Behebung von Symptomen mit der Heilung des Grundübels zu verwechseln. G. M. Tau sche Beumuhißung üöer Sie öeuisch-sranzösischsn Vcrhsndkmgen. In den deutschen Wirtschaftskceisen ist infolge der ge genwärtigen deutsch-französischen Verhandlungen Uber die Frage der künftigen Handelsbeziehungen eine lebhafte Beunruhigung entstanden. Man befürchtet, daß di« Neichsregierung sich unter dem Druck der französischen Po- litik dazu verleiten lassen könnte, wirtschaftliche Zugestünd- nisse an Frankreich zu machen, die die Interessen der deut schen Industrie sehr gefährden. Wie von unterrichteter Seite verlautet, hat der Reichsverband der deutschen Industrie bereits eine maßgebende Persönlichkeit nach London entsandt, um mit der deutschen Delegation un- vorzüglich in Fühlung zu treten. Von selten der Berliner Regierungsstellen wird in Aussicht gestellt, daß Nrichsfinanz- minister Or. Luther alsbald nach seiner Rückkehr aus London dem Neichsverband der Deutschen Industrie in einer öffentlichen Sitzung eingehende Mitteilungen über den Ver lauf der Verhandlungen mit Frankreich unterbreiten wird. * Die deutsche Delegation Hai am Dienstag bei den Verhand lungen der Londoner Konferenz einen Vorschlag der fran zösischen Delegation angenommen, wonach dis Kohlen- und Kokslieferungen an Frankreich über das Jahr 1830 hinaus weiter geleistet werden sollen. Es handelt sich hierbei, wie nicht übersehen werden darf, um ein außerordentlich wichtiges Zugeständnis der deutschen Regierung. Wenn man sich deut- scherseits dazu entschließen könnte, ' sich mit einer solchen Lösung einverstanden zu erklären, so geht dabei die deutsch« Delegation von dem Standpunkt ans, daß nunmehr auch so- fort das Bestehen der Micumvertcäge beseitigt werden muh. Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, hat sich die fran- zösische Regierung insofern festlegen mässen, als die Micum- verträge sofort nach Inkrafttreten des Dawes-Gutachtens voll beseitigt werden. Oie Sozialdemokraten wollen in die Regierung. Wie von unterrichteter parlamentarischer Seit verlautet, remüht sich dis Sozialdemokratie seit einigen Tagen wieder ehr lebhaft, an der Negierungskoalilion im Reiche eilzunehmen. Gegenwärtig sind bereits die Führer der ozialdemokratischen Reichstagsfraktion damit beschäftigt, mit len Demokraten und dem linken Flügel des Zentrums Ver handlungen anzubahnen, um die Wiederherstellung der großen Koalition anzuregen.. Die Sozialdemo kraten rechnen sehr stark auf den Einfluß des früheren Reichs kanzlers vr. Wirth, der angeblich die Absicht haben soll, dem Reichskanzler vr. Marx nahezulegen, sein Kabinett durch Aufnahme der Sozialdemokratie zu erweitern. Die innen politische Bedeutung der sozialdemokratischen Bemühungen geht schon daraus hervor, daß auch innerhalb des Zentrums Kräfte am Werks sind, um unter allen Umstänoen eine spätere Hinzuziehung der Deutschnationalen rar ReaierulML- kbalttwn tm Reichs zu verhindern. Rach der Lösung der außenpolitischen Probleme würde jeder Grund Wegfällen" neuerliche Verhandlungen ubm dir Regicrungsfragen mit den Dcutschnationalcn zum Scheitern bringen. Es wird sich in den nächsten Wochen entscheiden müssen, ob das Kabinett nach links oder rechts erweitert wird. Aber auf alle Fälle ist vor- auszuschen, daß dis jetzige Basis der kleinen Koalition zwischen Volkspartei, Zentrum und Demokraten nichtlän - ger ausr*eichen wird, um mit parlamentarischer Mehr- Helt die noch ausstehenden Negierungsgeschäfte durchzukühren. .Der neue deutsche Gesandte in Mexiko. Der bisherig« politpche Referent für Süd- und Mittelamerika im Aus- wärtlgen mut, Vortragender Legationsrat Eugen Will, ist zum Gesandten in Mexiko ernannt worden. Aubauverfuchs Ler deutschen Saatbang-sellschaft in Sow- setrußlaud. Der «Times".Korrespondent meldet aus Riga einen Vertragsabschluß zwischen der SowjetrePerung und der deutschen Saatbaugesellichaft, der eine Bodenfläche vonübrr 100 OOOMorgenfürAnbauvsrsuchs sichert. Keine Einreiseerlaubnis für bolschewistische Propagan disten. Dis deutsche Regierung hat es, nach einrr Mel- düng aus Moskau, ab gelehnt, den Delegierten der Sowjetregierung für den internationalen Transportkongrcß in Hamburg das C i nr e i s e v is um zu erteilen. Der italienische Gouverneur des Iubalandcs. Der frühere Journalist Corrado Zo l i (früher Reise- und Kriegs berichterstatter des Mailänder „Eecolo") ist zum Gouver neur des von England an Italien abgetretenen Juba- landes ernannt worden. Englischs nach dem Sudan. Aus Kairo ist ein weiterer Transport englischer Truppen nach demSudan abgcgangen. Die Nachwehen der brasilianischen Revolution. Nach Blättermeldungen aus Sao Paulo weichen dis Aufständi schen unter dem Druck der Vundcstruppen in der Richtung auf Parana zurück. In Soo Paulo werden immer noch wei tere Personen verhaftet, oer Teilnahme an der Revolution verdächtigt sind. Ein österreichisch-frauzosischer Handelsvertrag. Zwischen Frankreich und Oesterreich ist ein Abkommen unterzeichnet worden, durch das der Handelsvertrag vom 2?,. Juni v. I. auf die gegenwärtigen wirtschaftlichen iÄrhältuisse eingestellt ist. Der Vertrag, der der Genehmigung der beiden Parlamente bedarf, bevor er in Kraft tritt, hat den Zweck, die Handels beziehungen zwischen Frankreich und Oesterreich zu entwickeln. Verringerung des italienischen Heeres. Nach einer Mel dung des „Mondo" wird vom 1. Oktober ab im italieniscken Heer der Jahrgang 1913 beurlaubt werden. Bis Mitte des nächsten Jahres soll dann nur der Jahrgang 1904 unter den Waffen sein, so daß das italienische Heer vorüber^ gehend nur etwa 150000 Mann zählen würde. Hierzu kommt aber noch die starke fas chistisch e MiIiz. Kommnnisicnverhaftnngen in Polen. Irl Lodz wurden wiederum 11 Kommunisten verhaftet, darunter der Führer der kommunistischen Bewegung in Polen. Verhandlungen um eine albanisch« Anleihe. Wie aus Tirana gemeldet wird, verhandelt gegenwärtig me albani sche Negierung mit einer Gruppe italienischer Kapitalisten um die. Aufnahme einer Anleihe in Höhe von 25 Millionen Goldlire. Das Wieland-Mussum. Das Wieland-Gartenhaus in Biberach in Württeulberg, dessen stille Traulichkeit der Dichter so liebte, ist nun in ein W i el an d-M u se um umgewandelt worden, das das Ziel vieler Reisender ge worden ist. Der Biberacher Kunst- und Altertumsverein hat das Häuschen angekaust, um darin alles zusammenzu- rragen, was an den Dichter und Philosophen, dessen An schauungen im Leben so großen Umschwung erlitten haben, erinnert. Von allen Seiten sind dem Museum Andenlen in reicher Fülle zugegangen, die namentlich in Biberach, dM. Geburtsort Wielands, treulich aufbewahrt wurden, i