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Me Beschäftigung mit Herstellung eines ewigen Bolter» friedens reizt einigermaßen die Spottlust, und man wäre ge neigt, in ein Gelächter auszudrechen Uber die von amerikani schen Ideologen betriebenen Abrüstungspläne, wenn nicht eine Reihe von Tatsachen zu ernster Auffassung der Sachlage zwänge. Ueberall ist in der verflossenen Woche Brand geruch zu spüren. So in Amerika. Schwarzseher erwarten nichts Gutes von der gegen Japan gerichteten Einwanüe- rungsbill, die durch irgend einen fatalen Zwischenfall zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen, wozu die Abrufung der Botschafter in beiden Ländern das Vorspiel liefert, füh ren könnte. Einstweilen ist die Heimreise dieser Diplomaten mit privaten Verhältnissen motiviert worden, nur will nie mand recht daran glauben, und englische Politiker befürchten, falls Japan seine Beteiligung an der Coolidge am Herzen liegenden Abrüstungskonferenz verweigern sollte, eine Ver schärfung des jetzt bereits bestehenden Konflikts. Für den amerikanischen Jingo ist die durch das furchtbare Erdbeben hervorgerufene finanzielle Schwächung Japans ein Grund mehr, die Uebermacht der Bereinigten Staaten dem gelben Inselvolk fühlbar zu machen, und nur dieser Umstand dämpft die dort gelegentlich aufflackernde Kriegslust. Weit mehr ist diese in Rußland in gefahrdrohende Rühe gerückt. Die Sowjets fühlen sich durch die rumänische Besetzung Bessarabiens herausgefordert; auf beiden Seiten haben Truppenbewegungen stattgefunden, die einer Mobili sierung gleichen wie ein Ei dem andern. Es wäre eine Ironie des Schicksals, wenn der Rattenkönig, der von Herrn Vr. Benesch liebevoll gepflegten, in erster Linie gegen Deutschland gerichteten Schutz- und Trutzbündnisse der kleinen Entente zu erst die Probe auf ihre Haltbarkeit durch einen Krieg gegen Rußland ablegen müßte. Polen wäre der erste Staat, der daran zu glauben hat, aber dann ist kein Halten mehr, und der ganze Balkan dürfte ins Rutschen geraten und die kleine Entente würde die Türkei auf ihrer Seite haben, da Trotzki unlängst mit dem Gedanken gespielt hat, den Halbmond aus der Hagia Sophia durch den fünfzackigen Sowjetstern zu ersetzen und Ansprüche auf Armenien und andere kleinasia tische Gebiete angemeldet haben soll. Hinzugezogen könnte auch Italien werden, das nicht übel Lust bezeigt, mit den Angora-Türken ein Hühnchen in der Adana-Frage zu pflücken, während die Jugoslawen hinter den Unruhen in Albanien italienische Drahtzieher wittern. Zu allem Ueberfluß haben an der syrisch-anatolischen Grenze türkische Freischärler rmi der französischen Besatzung des Gebiets von Alexandrette an gebunden und erfreuen sich dabei, was in Paris mit Mißver- zniigen -verfolgt wird, der inoffiziellen Begünstigung durch die dort zusammengezogenen Angora-Truppen und, was der Vollständigkeit halber noch erwähnt sei: die Türken haben ihr nie erloschenes Interesse am Vilajet Mossul wieder hervor geholt und damit den vielen Zankäpfeln im Osten einen neuen hinzugefügt. Wieviel Schiedsrichter und wieviel Scharfsinn sind angesichts dieser Intercssen-Verfilzung nötig, um zu einem annehmbaren Ausgleich zu gelangen! Wieviele und welche Großmächte können da in Versuchung geraten, das Kriegsglück zu probieren! Es scheint an der Zeit zu sein, eine Abrüstungskonferenz möglichst rasch einzuberufen, zumal die nächstliegende Frage der Reparationsregelung vor der Tür steht und latente Gegensätze zwischen England und Frankreich birgt. Welche Entwicklung das Schicksal Deutsch lands nehmen könnte, falls der nahe Osten in Flammen auf- gsht, entzieht sich jeder menschlichen Voraussicht; nur so viel ist gewiß, daß es in seiner Wehrlosigkeit ein Spielball illerKriegführenden, ein Aufmarschgelände gegen Rußland sein würde. s Dem Völkerbundrat liegt ein Antrag der englischen Re gierung vor, wonach eine genaue Festlegung der persönlichen Befugnisse und der Verantwortlichkeit der einzelnen Mitglie der des Negierungsausschusscs des Saargebiets vor genommen werden soll. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Teilnahme an dem Schicksal der Saar dahin deutet, daß England, wie es schon mehrmals geschehen ist, seine Hand schützend über das den annexionsgierigen überantwortete .Pfänderland halten will. Der bisherige Kultusminister, der däiisch - Gras M Ktk --H litfeld, war ausgesprochener Fran- zoienfreuno unü begünstigte demgemäß die Französierung des Schulgebiets, ließ französische sogenannte Domanialschulen mit luxer, d. h. Schulversüumnlsse straffrei lassender Schul- aussicht entstehen, plante den Abbau der deutschen Volksschule durch Heraufsetzung der Freguenzziffer auf 80, während für die französische 30 genügen sollte unü schmuggelte in das > Lehrerkollegium Luxemburger ein. Dem soll durch die Er- j Nennung eines neuen Völkerbundvertreters, des Spaniers Esginosa de los Montes ein Niegel vorgeschoben werden. Doch scheint man in England dem Frieden nicht ganz zu trauen und hat deshalb zu dem in jenem Antrag steckenden Mitte! des Kleinkriegs gegriffen, nicht aus Liebe zu Deutschland freilich, sondern um für die nach Ablauf der fünfzehnjährigen Vesetzungsfrist stattfindende Abstimmung der Bevölkerung so gerüstet zu sein, daß die Bodenschätze des Saargebiets nicht in die Hände der Franzosen fallen, die als Meister der Fälschung von Abstimmungen von jeher bekannt sind. Gibt es ungeschriebene parlamentarische Gesetze? Das wurde bisher angenommen. Aber in seiner Donnerstagrede hat der Reichskanzler Marx eine Ausnahme von der Regel statuiert, indem er die Nötigung verneinte, daß der Reichs präsident den Mann seines Vertrauens bei Neubildung des Kabinetts aus den Reihen der "stärksten Reichstagsfraktion zu wählen Habs. Formell war Herr Ebert im Recht, als er von dem bisherigen Brauch abwich und die Deutschnationalen ausschaltete, nur liegt darin eine Verleugnung des demokra tischen Meh-cheitsprinzins —nck. Em Anii- Kommunisten - DirekLonum in England. Kampfmaßnahmen MacDonalds gegen die kommunistische Partei. Nachdem es den Führern des wilden Streikes der Londoner Untergrundbahnen gelungen ist, einen großen Teil des Londoner Verkehrswesens lahm zu legen, versuchten sie auch den Eisenbahnverkehr mit der britischen Reichsausstellung zum Stillstand zu bringen. Die Arbeiter ; der Kraftstation von Neasten weigerten sich jedoch, j sich den Streikenden anzuschließen. Das Kabinett wurde l überraschend zusammengerufen und beschloß, ein Komitee, ! bestehend aus fünf Ministern, mit unbe schränkter Machtvollkommenheit einzusetzen. Dieses Komitee ist bereits in Tätigkeit. Die ganze Maßnahme bedeutet eine offene Kampfansage der Arbeiterregkerung an dis Kommunisten. Der Schritt der Negie rung wird von allen Seiten gutgeheißen. Das Land steht wie ein Mann hinter ihr. Dec Streik ist ein rein kommunistisches Werk und so un populär wie nur möglich, zumal auch die Arbeiterführer ge schlossen mit der Negierung gehen, was allerdings nichts an der Tatsache ändert, daß sich die Streiklage er- schreckend verschlimmert. Es sind so gut wie sämtliche Untergrundbahnlinien lahmgelegt. Ueber die kommunistische Verschwörung, deren erstes Ergebnis dieser Streik ist, scheint die Negierung gut informiert zu sein. Sie wußte schon seit einiger Feit, was geplant war, wußte auch, daß sehr viel Geld für diese Zwecke von Moskau nach London kam. Schon im Jahre 1922 erhielten die englischen Kommunisten russische Gelder; damals 60 000 Pfd., die seiter auf jährlich 80 000 Pfund erhöht worden sind. Die russische Angsra-Delegaiion erstunken. ' Ihr Schiff mit Manu und Maus im Schwarzen Meer untergegangen. Das türkische Schiff, das die offizielle russische Dele gation für dis Verhandlungen mit der türkischen Negie rung in Angora über das Schwarze Meer bringen sollte, ist unterwegs gesunken. Sämtliche Mitglieder der Delegation ertranken. In Moskau be hauptet man, daß die Katastrophe auf ein Attentat, das die türkische Negierung augezettelt hätte, zurückzu- fÄhrcn fei. Dis zunehmende Spannung zwischen Moskau und Angora hat in russischen Kreisen die größte Vs- ängstigung ausgclvst. Die Sowjetpresse äußert ihre Furcht für einen türlischen Ausfall iru Kaukasus mit dem Ziele, Armenien und Georgien wiedrrzugewinnen. Behmgier Ausschluß der Kommunisten vsn sffssMchen Aemtera. Die Haltung der Kommunisten, die sich in Aemtern der Staats- oder Gemeindeverwaltung durch ihre Gebundenheit an die Instruktionen ihrer Parteileitung ganz in den Dienst des revolutionären Umsturzes gestellt haben, hat zu unerträg lichen Zuständen geführt. Der preußische Minister des Innern j hat daher die bisherigen Bestimmungen über die Bestätigung j von Mitgliedern der K. P. D. als mittelbare oder unmittel- s bare Staatsbeamte nur dann erteilt werden darf, wenn i m - Einzelfalle die pflichtmäßige Amtsfüh- ! rung im Rahmen der bestehenden Staatsordnung und un abhängig von Parteiinstuktionen als gesichert nach- gewiesen erscheint. Diese Bestimmung gilt auch für Mitglieder anderer Parteien und Gruppen, die eine gewaltsame Aenderung der Verfassung oder die Störung der öffentlichen Ordnung verfolgen, und ihre Mitglieder in dieser Richtung binden. Der Versuch der kommunistischen Vertreter in den Stndtverordnstensitzungen, sich der Ver pflichtung durch Hands chlagzu entziehen, soll jetzt durch eine Verfügung Severings unterbunden werden. Darin heißt es, daß Stadt- und Gemeindeverordncte, die diese Verpflichtung ablehnen, ihr Mandat nicht aus üben und an den Sitzungen der Gemeindevertretung nicht teilnehmen können. Die Ausübung des Mandats ruht sür die Dauer der Weiacrung. Inland und Auslind Der Verkauf der französischen Eisengruben Thyssens. Um den vor dem Kriege verkauften Besitz des Industriellen Thyssen an französische Eisengruben entspinnt sich schon seit Jahren in Frankreich ein lebhafter Kampf. Es handelt sich besonders uni die Eisengrube von Dielette bei Cher bourg. Diese wurde in der vergangenen Woche dem Pariser Industriellen Colly für über 11L Millionen Frank verkauft. Es ist aber bereits ein neuer Termin für den Verkauf dieser Grube angesetzt worden, und zwar für Mittwoch, den 27. Juni. Der Verkaufspreis ist jetzt auf 1788 000 Frank behördlicherseits festgesetzt worden. Seipels Befinden. Hofrat Eiselberg erklärte in einer Sitzung der Gesellschaft der Aerzte, daß das Befinden des Bundeskanzlers durchaus zufriedenstellend sei. Feuerkämpfe mit Schnapsschmugglern. Aus Toronto wird gemeldet, daß seit etwa 10 Tagen ein hartnäckiger s Kampf zwischen Schnapsschmugglern und amerika nischen Zollbeamten vor sich geht. Auf beiden Seiten zählt inan viele Verwundete. Gefängnisstrafen für die norwegischen Arbeiterführer. Der Vorsitzende der norwegischen Arbeiterpartei Torp ist zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil er für einen M i l i t n r st r e i k agitierte. Acht andere nor- wegische Arbeiterführer sind ebenfalls wegen staatsgefähr- ! licher Agitation zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Eine Radio-Station in den grönländischen Kolonien. Am Freitag ist das Expeditionsschiff „Franz Egede" von Kopenhagen nach Grönland abgegangen. Das Schiff führt das erste Material zur Errichtung einer Radio-Station in den grönländischen Kolonien mit sich. Revolte der portugiesischen Flieger. Exchange Telegraph meldet, daß nach Nachrichten aus Lissabon streikende Militärflieger aus ihren Flugzeugen Flugschriften abgeworfen haben, in denen sie die Gründe, derentwegen se streiken, auseiuandersetzten. Die Flieger haben ihr Lager mit Maschinengewehren umgeben. Die Regierung hat beschlossen, drei Infanterieregimenter und ein Kavallerieregiment gegen sie aufzubieten. jährliche S cki m i " d ! e r b a n d e trieb seit einiaer Feit