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mußte in Berlin, und zwar, da auch in der Lindenoper italienischer Geist herrschte, im Schauspielhaus uraufgeführt werden (18. Juni 1821). Der große Erfolg, vor allem bei der Jugend, half Weber über die mancherlei Intrigen und Anfeindungen hinweg, denen er in Dresden ausgesetzt war und denen er oft entfloh, indem er seinen Sommersitz in Hosterwitz aufsuchte. Sein schweres Leben macht sich aber in seinem nächsten Bühnenwerk, der „Euryanthe", bemerkbar, wenn an deren Mißerfolg, der das Werk von seiner Uraufführung im Kärntnertor-Theater in Wien (1823) bis in unsere Tage beglei tete, vor allem auch der von Helmine von Chezy stammende Text schuld ist. Schwer krank (Kehlkopfschwindsucht), in Geldnöten und um auch gegen die Geringschätzung seiner Arbeit seitens des Dresdner Hofes zu protestieren, nahm Weber den Auftrag an, für das Londoner Covent Garden Theatre die Oper „Oberon" zu schreiben und selbst einzustudieren. Am 16. Februar 1826 trat er, begleitet von dem Dresdner Flötisten Fürstenau, die Reise an. Er konnte noch die ersten Aufführungen dirigieren, dann starb er am 5. Juni 1826 im Hause des Hofkapellmeisters G. Smart und wurde in der Kapelle der katholischen Haupt kirche Londons beigesetzt. Auf Richard Wagners Veranlassung wurden die Gebeine Webers 1844 nach Dresden überführt und auf dem Alten Katholischen Friedhof in der Friedrichstadt beigesetzt. Das Grabmal entwarf Gottfried Semper. Es gehört zu den wenigen durch den Krieg unbeschädigt gebliebenen Dresdner .Musikergedenkstätten. Wagner sprach damals die berühmt gewordenen Worte: „Nie hat ein deutscherer Musiker gelebt als du! . . . Sieh, nun läßt der Brite dir Gerechtigkeit widerfahren, es bewundert dich der Franzose, aber lieben kann dich nur der Deutsche; du bist sein, ein schöner Tag aus seinem Leben, ein warmer Tropfen seines Blutes, ein Stück von seinem Herzen." Mit dem „Freischütz" schuf Weber die erste deutsche Volksoper. Die Bedeutung dieses Werkes liegt nicht nur in der Entdeckung der Landschaft, in der Stellung nahme für das Gute, das über das Böse triumphiert (womit Weber die huma nistische Idee, die so oft auch in der deutschen Musikklassik gestaltet worden war, aufgreift), auch nicht nur darin, daß der Kampf gegen den Aberglauben geführt wird — auch die Musik dieser Oper hat den natürlichen Tonfall, ist von der deutschen Volksmusik beeinflußt und wurde z. T., wie etwa das Lied vom „Jungfernkranz" (über dessen Wirkung Heinrich Heine in seinen „Briefen aus Berlin" berichtet), selbst zum Volkslied. Zugleich ist diese Musik charakterisiert von einer neuartigen, z. T. auf Wagner vorausweisenden Harmonik und einer Orchesterbehandlung, die von der Klangfarbe als Mittel zur musikalischen Charakterisierung ausgeht. Diese Leistungen machen Weber zu einem „Original genie" im Sinne Goethes. Ähnliches gilt für die Oper „Abu Hassan", für „Euryanthe", die als durchkomponierte Oper und durch Verwendung von Erin nerungsmotiven auf die Leitmotivtechnik Wagners hinweist, für „Oberon", der vieles, was später bei Mendelssohn und Nicolai, auch bei Wagner von Bedeu tung ist, vorausnimmt. Um diese Operntetralogie gruppieren sich die Vokal- und Instrumentalwerke Webers als keineswegs geringzuachtende Ergänzungen. Vielfach dem Vorbild Haydns und Mozarts verpflichtet, war er dennoch auch hier ein Neuerer: vor allem im Harmonischen, in der Kunst der Instrumentation, des Erweiterns der Spielmöglichkeiten einzelner Instrumente (Klarinette), in der Farbigkeit der Klanggebung. Zu wenig gewürdigt ist bis heute die Bedeutung Webers als Musikschriftsteller; er war nicht nur ein glänzender Stilist und Schriftsteller, der ein Romanfragment „Tonkünstlers Leben" hinterlassen hat, sondern auch ein sehr verantwortungsbewußter, kulturpolitischer Kritiker. Prof. Dr. Karl Laux Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1975/76 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Die Einführung in das Klarinettenkonzert Webers schrieb Prof. Dr. Karl Laux Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-52-12 2,85 T. ItG 009-90-75