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Differenzierung der musikalischen Ausdrucksmittel als auch in der reifen, souveränen Könnerschaft, mit der die klassische sinfonische Form hier gemeistert wird, müssen sie als das Höchste gelten, was uns Haydn auf diesem Gebiet hinterlassen hat. In den „Londoner Sinfonien" hat er, obwohl gerade hier eine tiefe innere Durchdringung mit Einflüssen der Sinfonik Mozarts zu spüren ist, doch seine ganz eigene, endgültige Lösung des klassischen Stils erreicht. Die 1791 entstandene Sinfonie c-Moll, nach der Gesamtausgabe als Nr. 95 gezählt, ist eine der bekanntesten Haydn-Sinfonien. Als einzige der „Lon doner Sinfonien" ohne Adagio-Einleitung beginnend, setzt der starke Kontraste aufweisende erste Satz sogleich mit dem leidenschaftlichen Hauptthema ein, das aus zwei gegensätzlichen Motiven besteht. Häufig wurde auf die nahe Verwandtschaft dieses Themas mit Mozarts c-Moll-Fantasie hingewiesen. Für die sehr lebendige, an Auseinandersetzungen reiche Entwicklung des Satzes gewinnt besonders das erste Motiv des Themas Bedeutung, daneben das schlichte, liebenswürdig-volkstümliche zweite Thema, das namentlich in der ruhigeren Reprise eine wichtige Rolle spielt. Als Variationssatz wurde das folgende Andante in Es-Dur geschrieben, dessen wiederum den Einfluß Mozart zeigendes Liedthema in vier Variationen vorüber zieht, von denen besonders die dunkel gefärbte zweite Variation in es-Moll hervorzuheben ist. Mit einer Coda wird der Satz beschlossen. — Sehr bekannt wurde das breit angelegte, wieder in c-Moll stehende Menuett mit seiner reizvollen Verbindung von Würde und Schelmerei. Unbeschwert gibt sich das C-Dur-Trio, in dem die Ländlermelodie des Sclocellos pizzikato von den übrigen Streichern begleitet wird. Feine, meisterhafte kontrapunktische Arbeit zeichnet das helle, freudige C-Dur- Finale (Vivace) aus. Homophone Teile wechseln hier mit streng polyphonen Episoden (Fugatos, Nachahmungen u. a.). Das zunächst sehr einfach erschei nende Hauptthema des in freier Rondoform aufgebauten Satzes wird dabei in vielfältigster, geistreicher Weise entwickelt. CARL MARIA VON WEBER (II) 1812 kam Weber zum erstenmal nach Berlin und fühlte sich dort, wie sein erster Biograph, sein Sohn Max Maria von Weber, feststellt, „zum erstenmal politisch als Deutscher, zum erstenmal erwärmten die Begriffe von Freiheit, Vaterland, Heldentod, Bürgertugend, Tyrannenhass seine Seele". Aus dieser Haltung entstand für Zelters Liedertafel der „Kriegseid", Webers erster Frei heitsgesang. Es sollte nicht bei diesem einen bleiben. Zunächst allerdings ging Weber 1813 als Operndirektor des Landständischen Theaters nach Prag, wo er durch die Pflege deutscher Opern (Spohrs „Faust", Beethovens „Fidelio") seine Gesinnung bekundete. 1814 weilte er wiederum in Berlin. Mitgerissen von dem nationalen Schwung jener Tage, begeistert von der Volkserhebung gegen die napoleonische Fremdherrschaft, vertonte er Theodor Körners patriotische Verse aus „Leyer und Schwert", wurde er zum Sänger des Volkes. Ein Jahr später widmete er „der Vernichtung des Feindes im Juni 1815 bei Belle-Alliance und Waterloo" die Kantate „Kampf und Sieg", ein kämpferisches Stück, etwa Tschaikowskis „Ouvertüre 1812" zu vergleichen, zugleich aber auch ein Frie denslied mit dem gewaltigen fugierten Schiußchor „Gib und erhalte den Frieden der Welt!" 1817 heiratete Weber die Sängerin Caroline Brandt und trat in Dresden die Stellung eines „Musikdirektors der Deutschen Oper“ an. Dresden wurde Höhe punkt seines Wirkens und Schaffens (begünstigt durch seine glückliche Ehe). Fr war hier als Kapellmeister, Regisseur, Musikschriftsteller tätig, der den Aufführungen zur Erziehung des Publikums (wie vorher auch schon in Prag) „Dramatisch musikalische Notizen als Versuche, durch kunstgeschichtliche Nach richten und Andeutungen die Beurteilung neu auf dem Königlichen Theater zu Dresden erscheinender Opern zu erleichtern" vorausschickte, und komponierte den „Freischütz" (Text Friedrich Kind). Gegen die vom Hof begünstigte italieni sche Oper konnte sich Weber jedoch nicht durchsetzen, und der „Freischütz" Webers Landhaus in Hosterwitz Webers Grabstätte