Volltext Seite (XML)
ArK'sW-rWastvn-SchutzzM. Zur Umstellung unserer Wirtschaftspolitik. Die Beeinflussung des gesamten Wirtschaftslebens durch die Währungskrise und die Währungssanierung hat den Mick des deutschen Volkes von den meisten anderen wirt schaftlichen Problemen abgelenkt. Nachdem es jetzt aber gelungen ist, durch die Sanierung der Währung eine Grund lage für normale wirtschaftliche Entwicklung und ein Mittel zur Kalkulation und zur wirtschaftlichen planvollen Be tätigung über den Tag hinaus zu schaffen und nachdem auch die sozialpolitischen Problenre, insbesondere die Frage der Arbeit «zeit und der Betriebsverfassung, wieder in einer ruhigeren organischen Entwicklung sich befindet, gilt es auch, die allgemeine Wirtschaftspolitik wieder planvoll zu gestalten und den durch den Weltkrieg und seine Folgen veränderten Verhältnissen anzupaffen. Es kommt hinzu, daß auch gewisse, im Versailler Friedensvertrag enthaltenen Fristen demnächst ablaufen, daß ebenso eine Anzahl von Handelsverträgen zu erneuern oder überhaupt erst in der nächsten Zeit abzu- schließrn sind und daß außerdem manche, die Außenhandels beziehungen und das gollwesen betreffenden Vorschriften und Abmachungen des Versailler Vertrages erst jetzt bei stabiler Währung und normalen Handelsbeziehungen in ihren Aus wirkungen klar werden und in Erscheinung treten. Schließ lich erfordert die im Zeichen der Rentenmark klar erkenntlich gewordene Kapitalverarmung Deutschlands nach mancher Richtung eine gänzlich andere Wirtschafts- und Außenhandelspolitik, als sie früher angebracht war. Die Außenhandelskontrolle, soweit sie die Ausfuhr und die Ausfuhrpreise betraf, ist in den letzten Monaten tatsächlich bis auf gewisse Reste ab geb aut worden. Bestei-en geblieben ist aber vorläufig eine Ein fuhr k o n t r o l l e, die u. a. noch vielfache Einfuhrkontin- Lsntierungrn und Einfuhrverbote enthält. Es läßt sich nun immer deutlicher erkennen, daß die Einfuhrsperren nicht lange mehr aufrechterhalten werden können. Deutschland ist tm höchsten Grade auf Steigerung seiner Ausfuhr angewiesen, muß also bei anderen Staaten offene Türen finden. Das ist aber nur bei Gegenseitigkeit in den meisten Fällen zu erreichen, und schon augenblicklich leidet dee deutsch« Wirtschaft darunter, daß sich in einer Reihe von Füllen, wo deutscherseits Einfuhrverbots bestehen, dir Hauptliefecländer der betreffenden Waren sich ihrerseits durch besondere Zölle auf deutsche Erzeugnisse oder durch Einfuhrverbote revanchiert haben Dazu kommt ein weiterer, zweifellos gewichtiger Mißstand. Die Einfuhrverbots und Einfuhrkontingente waren zum Teil in dec gefährlichsten In flationsperiode zum Schutz einheimischer Industrien erlassen, Haban sich aber jetzt zu einer höchst schädlichen Farce auszewachsen, die unsozial wirkt und dem Preisabbau im Wege steht. Äs gibt heute Branchen, wo vor dem Kriege einer deutsclMn Ausfuhr eine erhebliche Einfuhr für den Inlandsverdrauch gegenüberstand und wo augenblicklich Ein fuhrverbote es zuwege gebracht t>aben, daß künstlich erzeugte Warsnknapplzeit die deutschen Inlandspreise bis auf das Doppelte der Weltmarktpreise und darüber getrieben hat, wo von einem Preisabbau seit der Stabilisierung also gar nicht die Reds gewesen ist. Diesen nur für die betreffenden wenigen Unternehmer erfreulichen Zustand kann sich da» verarmt« deutsch« Dol! nicht länger gestatten. Schließlich liegt für die Freigabe der Einfuhr und der Ausfuhr auf manchen Gebieten ein weiterer wesentlicher Grund darin, daß im Interesse einer gleichmäßigen, von großen Schwankungen freien Preispolitik — sind doch zwei fellos die Preisschwankungen an den deutschen Warenbörsen, wie sie in den letzten Wochen zu verzeichnen waren, für die Zeit stabiler Währung ganz anormal groß — der deutsche Warengroßhandel wieder in die Lag« versetzt werden muß, Pch am internationalen Termingeschäft zu beteiligen und da durch langfristiger zu kalkulieren und Risiken abzudecken. Die bedeutende Rolle, die Deutschland zum Vorteile der eigenen Versorgung und des Volkseinkommens hier auf ge- § wissen Märkten, namentlich für Getreide, Zuck. Seide und Zucker früher spielte, ist ganz auf ausländ'lche PGbs über- gcgaugen, ja der Lermtuyandel ist bislang immer noch ver boten. Mit diesen Uebcrresten der Zwangswirtschaft muß natürlich einmal gebrochen werden. Andererseits erfordert die Schwächung der Wirtschaft und Kapitalverarmung natürlich andere und häufigere SchikHu-sKnahmen als früher. Es gibt Wirtschaftsgruppen, . deren Erhaltung und Stärkung heute weit mehr als früher Lcbcnsintcrcsse unseres Volkes ist. Es gibt andere, dir, eins! wettbewerbsfähig, durch die Inflationsperiode verarmt sind und denen Erholungspausen geschaffen werden müssen, soll nicht das Volksvermögen durch ihren Zusammenbruch schweren Verlust erleiden. Es gilt schließlich, Verschiebungen in den Wettbewersverhältniffen und in den Absatzgebieten bei der Handelspolitik zu berücksichtigen. So braucht z. B. die in schwerer Kreditkrise befindliche deutsche Landwirt schaft, die gerade in Zeiten dieser Kreditkrise erhebliche Investierungen vornehmen soll, um den Bodenertrag stark zu steigern, wahrscheinlich Schutzzölle für verschiedene Artikel zum Ausgleich der Freigabe der Ein- und Ausfuhr. Das gleiche wird für viele Fabriken hochwertiger Fertigerzeug nisse gelten, insbesondere z. B. für Automobile und Ma schinen. Andererseits dürfen die Schutzzölle ihrer Höhe nach sich nicht zu einer Prämie für wirtschaftliche Trägheit aus wachsen. Und von Fall zu Fall wird zu prüfen sein, ob der Gesamtwirtschaft größerer Nutzen durch die Blüte des zu schützenden Gewerbezweiges oder durch die Benutzung bil ligerer ausländischer Erzeugnisse erwächst. Alls diese Dinge drängell in den nächsten Wochen zur Entscheidung. Es gilt nach der Neuordnung der Währung und der Finanzen eine Neuordnung der Wirtschaftspolitik durchzufühnn. Die Tendenz der Regierung dabei kennzeichnete der Neichswirt- schaftrminister vor einigen Tagen in seiner ersten Rede über diese Probleme als Abkehr von der Zwangswirtschaft mii len Worten: Ziel und Mittel unserer Arbeit muß die Frei- ) sit der Wirtschaft sein. 6. Äe^Zichi AsüZcmss auf Sis RLchBesetzrmg? Das Echo National stellt auch tatsächlich fest, Pasi Noincsr- gegenwärtig im Begriffe stehe, in der Nuhrfrage zu kapitulieren. Um das Ansehen wahre», würden die Sachverständigen Vorschlägen, die raazösisch-bekgiiche Militärkontrolle an der Stuhr sufrecht;nerhalte». Das bedeute aber gleichwohl, daß die Nuhrpolitik PoinearLs falliert hebe. Poinears fei jetzt bereit, sich mit bloßen Zahlungs verpflichtungen rnfriedenzuaeben. lieber die Lage inParis verlautet weiter: Dawes und Äsung haben am Dienstag mit Psincarö eine zweistündige Unterredung gehabt. Außerdem fand beim Ministerpräsidenten eine besondere interne Konfe renz statt. Dieser Besprechung wird in Parte eine ganz be sondere Bedeutung beigemessen. Gegenstand war eimnal Berichterstattung der Sachverständigen über ihre bisherigen Beratungen sowie über die Pläne vr. Schachts, seine Vorbehalte zur Schaffung der Goldnotenbank, ferner Mitteilung Poincarösan die Sachverständigen über seine Auffassung hierüber, mit anderen Worten also Richt linien für die Sa ch verständigen! Uber den Stand punkt der französischen Negierung. Hierbei hat sich heraus- gestellr, daß beide Meinungen ziemlich weü uuoeinandrrgehen. Nicht unerwähnt bleibt auch, daß er an lebhaften Be mühungen Englands nnd Amerikas nicht fehlt, Frankreich dazu zu bewegen, den, Ruhrgebiet bald seine wirtschaftliche Unabhängigkeit wie- derzu geben und die Sicherung der französischen Pfänder iiur durch die Aufrechterhaltung einer m ö g l i ch st u u s i ch t - baren militärischen Besetzung oorzunehmen. In amerikanischen Kreisen wird versichert, daß man in dieser Frage wohl mit einem Nachgeben Fr ankreichs rechnen könne, wenn ihm Garantien Fegeben würden, daß wahrend des Deutschland zu bewilligenden Moratoriums die Naturalliefe- rupgen, besonders die an..Kohlen, nicht unterbrochen würden; andernfalls aber würde ein neuer weit stär kerer Konflikt in der ganzen Ruhr: frage innerhalb der Entente ausbrschon, nnd Frankreich dann alle Pläne der Sschberständigen rundweg ver werfe n. In der Besprechung wurde auch dis Verpfändung derb s-u t s ch.e n Eisenbahnen gestreift, dir nach der Umwandlung sich sehr viel leichter bewerkstelligen ließe. Nach dem . New Jork Hsrald liegen bereits namhafte An gebote amerikanischer Banken hierüber vor. In ihrer Unterredung mit Poincarö sollen Dawes und Poung sich über ihren Schluß bericht geäußert haben. Dieser Schlußbericht der Sachverständigen soll nach der Chicago Tribune auch bereits vorliegen und dem französischen Ministerpräsidenten von dem Delegierten Par- mentier unterbreitet worden sein. Dee Beelckif dis wirt» schastltchc Räumung des Ruhrgebietes unv eine rein geschäftliche Lösung des Neparaiions- problems vor. Poincard soll sich, so behauptet das Blatt, grundsätzlich mitdenSchlußfolgerungendes Berichtes einverstanden erklärt haben. 1000 französische Krugzeuge gegen 160 englische. Erneute Bedenken im Unterhaus. Bei der Debatte über die Luftverteidigung Englands im Unterhaus erklärte der frühere Luftfahrtminister Hoare in der Begründung eines von ihm eingebcachten Antrages, in den Derlzandlungen, denen der Premierminister gegenllber- stehe, würde er es als keinen Nachteil empfinden, hinter sich eine vorherrschende Flotte zu haben, und als keinen Vorteil, eine Lust st reit macht zu haben, die, während sie an Qualität ausgezeichnet, an Quantität vollkommen ungenügend wäre. Kein Teii der Ocffentlichkeit des Landes könne mit Gleichgültigkeit die Tatsache an sehen, daß die Hauptstadt des britisch«!: Reiches und die Küste Englands in ettnr so verwundbaren Stellung gegenüber der furchtbarsten aller modernen Angriffswaffen des Krieges wären. England habe jetzt etwa 80 Frontmaschinen, die endgültig für den Heimatschutz bestimmt wären. Wenn man diese Fahl mit den entsprechenden Zahlen in Frankreich vergleiche, so sel)e nmn, daß im gegenwärtigen Augenblick in Frankreich etwa 10 0 0 Front-Flugzeuge vor handen wären. Allgemein gesprochen, befänden sich in Frankreich im gegenwärtig«» Augenblick etwa 1000 Front maschinen gegen wenig mehr als 100 Maschinen in England. Hoare erklärt unter oem Beifall der Opposition, jedes Mit glied des Hauses werde zustimnwn, daß dies eine bedenkliche Ungleichheit ist. Während des Krieges habe der größte Betrag von Bomben, der je auf England inne.halb eines einzigen Monats geworfen ward«, 12 Tonnen betragen. 800 Flug zeuge könnten 170 Tonnen auf London werfen, nicht im Lause eines Monat», sondern im Laufe von 24 Stunden, und ein Bombenangriff von 75 Tonnen täglich könne für einen unbeschränkten Zeitraum aufrechterhalten werden. Mes sei eine sehr dunkle und bezeichnende Tatsache, dis jedes Mitglied des Hauses erwägen müsse. Das liberale Mitglied Generalmajor Seely sagt, vor einem Jahre hätten die Franzosen es in ihrer Macht gehabt, bei einem einzigen Flug auf irgendeinen gewählten Punkt mehr als zehn mal sovicl als das Gewicht der Bomben zu werfen, das dir Deutschen in einem Monat auf England warfen. Wenn eim derartige Angriffsmacht benutzt würde, um Ge bäude in Brand zu setzen, so könnte ga«z London in Flam nur: aufgehen. Wenn beschlossen würde, Eisenbahnmittelpunkte anzugreifen, so würden die Züge aufhören zu gehen, und London müßte innerhalb von wenigen Tagen geräumt werden. Auf jedes feindliche Flugzeug müsse mit einem eigenen Flugzeug ge antwortet werden.