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22V9 4 4 stationcn, die erste mit 50,000, die andere mit vielleicht einer halben Mil lion Einwohnern, und die officiellen Berichte sagen, daß Koor-Singh an der Spitze der rebellischen Truppen dahin marschirt. Zum Ucberflufse hat eine Abtheilung der Zoudpore-Legion, aus etwa 1000 Mann und 250 Reitern bestehend, rebellirt; sie ermordeten den commandirenden Offizier von des Nadschas Truppen und Capitan Mason, den politischen Agenten der Regie rung, und schlossen sich Koor-Singh an. Darüber kann kein Zweifel be stehen, und die Thatsachen in den officiellen Depeschen sowie die Zuge ständnisse der officiöscn Journale stimmen darin überein, daß ganz Central- indien, über eine Strecke von mehr als 1000 englischen Meilen, in vollem Auf ruhr ist und daß von Joudporc im Westen, bis Assam im Osten die Re bellen regieren. Nadschputana, mit dem kriegerischsten Stamme Indiens, ist voll Insurgenten. Die Joudporc-Legion schlug des Nadschas reguläre Truppen; General Lawrence griff sic an, ohne Erfolg jedoch, und scheint in einer so mislichen Lage zu sein, daß die Bombay-Negierung in aller Eile General Roberts mit europäischen Truppen sendete, um ihn zu be freien. Scindiah bemüht sich vergeblich, den Gwalior-Insurgenten einen Widerstand cntgegenzusctzcn. Es ist sogar bekannt, daß Scindiah's Leib garde zu den Rebellen überging, wahrscheinlich nicht ohne Milwisscn Scin diah's ,und dennoch schenken die Beamten der Kalkutta-Negierung dem Manne alles Zutrauen. In ihren Depeschen erzählen sie sogar, daß er eine „Trup penmacht aushcben wird", welche den Rebellen von Delhi „den Weg ab schneiden" möchte. Alles Das ist „asiatische Politik" solcher Häuptlinge, die sich nach allen Seiten hin betten wollen. Trotz der großmäuligen Verspre chungen Scindiah's hat sich bekanntlich das rebellische Gwalior-Contingcnt mit den Insurgenten von Indore und Mhow vereinigt, sie waren an der Chumbul am 6. Sept., und — was eine der Schreckensnachrichten der neue sten indischen Post bildet — in Dholepore, ungefähr 50 englische Meilen von Agra, wo bekanntlich eine große Anzahl Europäer cingeschlossen ist. Die Nachrichten von Kalkutta sagen, daß dieses Jnsurgentcncorps am 18. Sept, vor Agra erwartet wurde. Es dünkt hier ein schwacher Trost, daß die In surgenten sich anders besinnen würden, sobald sie den Fall Delhis in Er fahrung bringen; genug, Agra ist beim Abgänge der letzten Nachrichten in nicht minderer, vielleicht in größerer Gefahr als Lucknau gewesen. Weitere Nachrichten melden, daß die Verbindungen mit Benares abgeschnilten wa ren, wahrscheinlich von den Rebellen von Namghur, in Behar, und daß Assam am Vorabend eines Ausbruchs stand, die britischen Truppen sich in Vertheidigungszustand setzten und der Radscha verhaftet wurde. Zu alle dem kommt die immer mehr und mehr umfichgreisende Rebellion unter den Bombay-Truppen.' Diese wird nicht durch die officielle Depesche geleug net, obwol mit weniger Logik, als um einen Gemeinplatz zu sagen, die „Ruhe der Präsidentschaft Bombay" versichert wird. Die Bombay-Regimenter sind angesteckt. Zu den zwei Militärinsurrectioncn, welche in den südlichen Territorien der Präsidentschaft sich ereigneten, kamen vier Ausbrüche in den Nadschputanastationen, und nun melden die Depeschen den AuSbruch von drei neuen Revolten. In Schikarpore, in den obcrn Districten dieser Pro vinzen, in Kurralschi, ihren südlichen Ausläufen, in Hyderabad, deren I nen wir vor allem einer Nachricht, die-keine der bisher veröffentlichten De- peschen meldet. Des verhafteten Königs von Audh jüngster Sohn, ein Knabe von zehn Jahren,' ist auf den Thron des Königreichs Audh erho ben worden. Ein eingeborenes Ministerium wurde ernannt, dessen Präsi dent Jffamut Ohdowla, Minister des Innern Ali Nezza ist. Das Ma növer wurde von einem der Vertrauten des Königs von Audh ausgcführt, welcher der Verhaftung entging und die Kühnheit hatte, zu wiederholten malen im Fort Williams (Kalkutta) in verschiedenen Verkleidungen zu er scheinen und mit dem gefangenen König zu verkehren. Das Jnsurrections- ministcrium hat gleichzeitig mit der Proklamation des jugendlichen Königs einen dreijährigen Nachlaß aller Steuern seinen vielgetrcucn Unterthanen be willigt und einen Obcrgeneral ernannt, welcher die königlichen Rebellen ge gen die „fremden Ungläubigen" führen sollte. Der „Obcrgeneral" verfügte sich in der That nach dem Ufer des Ganges, gegenüber von Cawnpore, wo mehre Tausend Audh-Rebellen sich dem Ucberschreiten des Flusses durch die „rothen Fremden" entgegensetzen sollten. Jedenfalls war die erste Hcl- denthat des Obergenerals nicht den Wünschen des jugendlichen Königs von Audh entsprechend, denn General Havelock meldet, daß er am 19. Sept, den Ganges überschritten, und Major Eyre schlug am 11. Sept, eine Ab theilung der Audh-Truppen, welche den Ganges überschritten, um das Vorschrciten des General Outram zu hindern. Welchen Ausgang auch das neue Manöver der entthronten Königsfamilic von Audh haben mag, gewiß ist, daß die Rebellion in Audh damit eine Fahne erhielt und die Schwie rigkeiten ihrer Niederwerfung größer geworden sind. Es bestätigt sich, daß ein Shazadah oder Prinz sich an die Spitze eines Jnsurgentcncorps in Mundisorc stellte und die Negierung des Königs von Delhi proclamirlc. Der Postenlauf ist überall in jenen Districten unterbrochen, die Militär station Nutlam wurde genommen und die ganze westliche Malva ist im Aufruhr. Ein dritter Jnsurgcmcnchef, Koor-Singh, dessen Name zu wie derholten malen in indischen Journalen und Privatbriefen erschien, wird von den Regierungsdcpeschcn an die Spitze eines starken Corps gestellt und bedroht die Sangor- und Nerbuddadistricte. Er machte einen unerwarteten Angriff auf Newah, wo sich ihm des N"adscha Truppen anschlossen. Ein Regiment irregulärer Cavalerie, das ausgcschickt wurde, um ihn zu be obachten, rebellirte und schloß sich ihm an. Es scheint, daß die Dinäpore- Insurgenten gleichfalls unter dem Commando Koor-Singh's sichen, denn wir erfahren, daß sie sich gegen Nagode gewendet haben und daß sie sogar Saupore und Jubbulpore bedrohen. Beides sind die wichtigsten Militär- »Königreich Sachsen. * Leipzig, 51. Oct. Einige Mitthcilungen dec berliner Bank- und Handelszcitung über die überaus traurige Einwirkung des amerikanischen Geldmarkts auf die Fabrikvcrhält nisse unscrs Erzgebirges hatten uns veranlaßt, uns von einem der dortigen größten Fabrikanten, dessen Unbefangenheit und Rechtlichkeit notorisch außer Frage steht, nähere Auskunft zu erbitten. Folgendes ist die Antwort, die wir auf unser Schreiben er halten haben und die manchem Besorgten zur Beruhigung dienen wird: „Ich freue mich, Sie versichern zu können, daß die Notizen der berliner Bank- und Handelszcitung, obgleich vicl Wahres enthaltend, doch in zu schwarzen Farben aufgctragen sind. Unsere Gegend empfindet aller dings die Folgen der nordamcrikanischcn Krisis hart. In der Strumpf branche trifft cs Chemnitz am meisten, da dort eine Menge Fabrikanten ausschließlich für die Vereinigten Staaten arbeiten lassen. Von diesen ist ein Theil durch Capitalvcrlust, infolge erhaltener Falliten, stark mitgenom men worden. Ebenso hart trifft aber auch jene Leute das Annullircn der gehabte« Ordres. Der größere Theil der Besteller hat die Aufträge an- nullirt, und Denjenigen, welche dies nicht gethan, wird natürlich unter jetzigen Verhältnissen vorderhand auch nichts zugcsendet. Von einem gänz lichen Daniederlicgcn des Strumpfgeschäfts ist aber Gott sei Dank! noch nicht die Rede. Geht es auch in den Vereinigten Staaten herzlich schlecht, so ist doch das Geschäft in Westindien bis dato ein recht leidliches gewesen. In Brasilien, Buenos-Ayres, Montevideo rc. geht es sogar in unserer Branche recht flott, und haben wir jetzt noch Fabrikanten, welche trotz al ler Mühe Noth haben, ihren cingegangcncn Verbindlichkeiten nachzukom men, da bis zur Stunde noch über Arbeiter- und Waarenmangcl geklagt wird. Mir geht cs selbst so, deshalb kann ich es mit gutem Gewissen versichern. Nur schade, daß die für die Vereinigten Staaten gearbeiteten Waaren nur wenig für den Süden zu verwenden sind! Mir ist nicht Eine Spinnerei bekannt, welche biSjehc einen Mann entlassen hätte, der Schrei ber jenes Artikels hat jedenfalls von einem Kammgarnspinner reden hören, welcher letzthin acht Tage feiern ließ, jetzt aber wieder flott arbeitet. Daß wir im Laufe dieses Winters, wo noch dazu ein großer Theil Arbeiter, welche zeither durch andere sehr gut lohnende Beschäftigung, als Eisenbahn bau, Maurer, Zimmerleute rc., zur Maschine zurückkehrcn, schlechte Löhne haben werden, ist vorauszuschen. Wir haben aber jetzt billig Brot, die Kartoffeln sind durchschnittlich gut gerathcn, deshalb hoffe ich, die paar Wintermonatc werden besser vergehen, als jetzt manches ängstliche Gemüth fürchtet. Unsere Strumpfbranche ist aber nicht die allein betroffene! Ich möchte beinahe behaupten, daß Wcbcwaarenfabrikantcn noch übler daran sind. Glauchau, Meerane, Chemnitz hat in den letzten acht Tagen starke Verluste durch Falliten gehabt. Infolge der nordamerikanischcn Krisis haben in England und Frankreich alte gutrenommirte Häuser ihre Zahlungen ein gestellt, und durch diese werden jene hart betroffen. Die Weber, welche zeit her viel Geld verdienten, werden diesen Winter ebenfalls viel zu klagen haben. Wie sich das Geschäft im obern Gebirge, in der Spitzen- und Po samentierregion, gestaltet hat, habe ich noch nicht Gelegenheit gehabt zu hören, doch fürchte ich, daß auch dort der Einfluß nicht spurlos vorübcr- gehen wird, da auch in dieser Branche sehr viel für die Vereinigten Staa ten gearbeitet wird. Wollen wir das Beste zu Gott hoffen! Schon oft sind wir trüben Zelten entgcgcngegangen und haben dieselben glücklicher überstanden, als anfangs geglaubt wurde. So hoffe ich auch, wenn in Hauptstadt und Ahmedobad ebenfalls, brachen die Bombay-Seapoys ent weder in offene Revolte aus, oder ihre Verschwörungen wurden beizeiten vereitelt. So sehr man auf die nicdcrschlagende Wirkung des Falls von Delhi auf die zarten Gcmüther der Seapoys hofft, so ist ein allgemeiner Ausbruch der Bombay-Armee im Bereiche der Möglichkeit. Mit dem Marsche der Gwalior-, Indore- und Mhow-Insurgenten gegen Agra und der Dinapore-Rebellen gegen Jubbulpore; mit der Bildung eines neuen Jn surgentcncorps aus jenen Truppen, welche Delhi verlassen haben, und mit der Proclamation des jugendlichen Königs von Audh ist jedenfalls die Jnsur- rection in eine neue Phase getreten. Noch immer stehen 100,000 Insur genten in Waffen, und da die Nena Sahibs keine andere Wahl als zwi schen Purpur und Galgen haben, so werden sic sich bemühen, die erstere Auszeichnung zu erlangen. den Vereinigten Staaten etwas Ruhe in die Gemüthcr zurückkehrt — denn jetzt überstürzt sich dort Alles — werden die Verhältnisse sich Vielleicht eher besser gestalten, als man jetzt fürchtet; das Geld wird dann billiger, die Geldleute, welche sich jetzt aus Furcht zurückgezogen haben, erscheinen, so wie die Sonne wieder ein bischen scheint, aus Eigennutz wieder am Markt, und haben wir einmal Geld etwas flüssiger, sind bessere Zustände schon auf dem Wege." (Die neuesten Nachrichten aus Amerika lauten auch schon günstiger. D. Red.) Leipzig/ 28. Oct. In Leipzig und Umgegend gibt cs jetzt leider eine nicht geringe und jährlich wachsende Zahl von sogenannten „Gcschäftsmän- ncrn", meist ruinirtcn Oekonomen, bankrottirten Kaufleuten, rcmovirtcn Ad- vocaten und ähnlichen Personen, welche Leichtgläubige und Unerfahrene auf alle nur erdenkliche Weise, aber in der Regel in bester Form um Habe und Gut bringen, Menschen, weit gefährlicher als Räuber und Diebe, weil sie ihr betrügerisches Gebühren so wohl zu verschleiern wissen, daß das Gesetz ihnen selten ctwas anhaben kann, und weil cs sich bei ihnen meist um weil größere Summen handelt, als in der Regel für die erstere Claffe von Verbrechern zu erlangen sind. Ihre sogenannten Geschäfte bc-