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2296 amtlich geschieht, niemals wahrhaft und in strafbarer Weise beleidigen kann.» Demzufolge wurde der verklagte Heise der öffentlichen Beleidigung für nicht schuldig erachtet und von Strafe und Kosten frcigesprochen! Hiergegen beabsichtigte Schrader die Nichtigkeitsbeschwerde beim hiesigen Obertribunal cmzuführcn und wandte sich deshalb an einen der scharfsinnigsten und ge- achtctstcn Juristen, allein nur um abgewiesen zu werden. «Die Tribunals- räthe», sagte dieser Mann, «werden verdrießlich, wenn wir Sachen ein- führcn, von denen man voraussctzcn muß, daß wir die Grundsätze kennen müssen, aus denen eine Sache erfolglos bleiben muß, und in der That gibt cs nichts Trostloseres, als stets zurückgcwicsen zu werden. . . . Sie können überzeugt sein, daß kein einziger meiner Collcgcn sich mit der Sache befassen mag, und würden sie noch so gut honorirt.» Und so war es auch. Schrader muß die schwere Ehrcnkränkung hinnehmen, weil sie der Staats anwalt in seiner amtlichen Eigenschaft gethan, und damit ist ein Princip ausgesprochen, dessen Tragweite gar nicht zu ermessen ist." — Aus Breslau vom 29. Oct. schreibt die Schlesische Zeitung: „Heute Abend 6 Uhr ereignete sich in der Elisabcthkirche cin Unfall, der zwar längst vorhergcschcn, keineswegs aber in der stattgchabten Weise befürchtet werden konnte. Wir haben neulich schon über die Risse gesprochen, welche in dcr Kirche einige der Hauptpfeilcr in der letzten Zeit wahrnchmcn ließen. Diese Wahrnehmung hatte das Stützen der kranken Pfeiler zur Folge. Eß scheint indessen die Last von oben doch zu schwer und das Stützgebälk zu leicht gewesen zu sein; denn es stürzten um die oben genannte Stunde der nach der Südseite zu stehende zweite und dritte Pfeiler vom Orgelchor aus plötzlich zusammen, und risscn dieselben dabei noch cin großes Stsick des von ihnen getragenen Scitengewölbcs mit herab. Merkwürdigerweise ist der eine dieser Pfeiler ein solcher, der bisher keine Spur von Schwäche und Rissen gezeigt hatte, und den wahrscheinlich nur durch den Zusammensturz des andern und das Hcrabfallcn des Gewölbes dasselbe Schicksal ereilte. Dcr Knall und Donner, den die Katastrophe mitsichführte, war so groß, daß in den anliegenden Häuser» die Fensterscheiben klirrten und das Ge töse weithin gehört wurde. Obwol noch viele Arbeiter in der Kirche anwe send und zum Theil noch beschäftigt waren, hat doch der Himmel Alle un versehrt erhalten'und ist Niemand beschädigt worden. Ein hoher Berg von Steinen, Ziegeln und Kalk ist nunmehr , in dem betreffenden Theile der Kirche aufgcihürmt. Dieses Ereigniß macht die schöne Hoffnung, am 19. Nov. die 600jähr!gc Jubelfeier des Gotteshauses in gewünschter Weise be gehen zu können, rein unmöglich, umsomehr da durch den Unfall auch manche der renovirtcn Gegenstände gelitten haben mögen." Baiern. Alls Baiern, 29. Oct. Die Vertagung unserer Ge setzgebung sausschüsse inmitten ihrer mit Eifer fortgeführten Arbeiten, nachdem während derselben freilich sehr entscheidende principicllc Gegensätze zwischen Regierung und den Ausschüssen, wie es schien, unlösbar, sich er geben, hatte die Hoffnung auf das baldige Zustandekommen des so noth wendigen Werks einer neuen, cinheiilichen Criminalgesetzgebung bedeutend abgcschwächt. Inzwischen ist in den jüngsten Tagen unter dcr Vorstand schaft dcs Justizmimstcrs eine Commission von Staatsbeamten und Pro fessoren der juridischen Facultät ernannt worden, welche einen im Justiz ministerium ausgcarbcitcten Entwurf eines allgemeinen Civilgesctzbuchs prü fen soll, und es dürfte aus dieser neuerlichen Anordnung und aus der da mit bekundeten Fortführung des Lcgislationswcrks denn doch auf günstigere Aussichten auch für das dcr Berathrmg untcrliegende Strafgesetzbuch nicht mit Unrecht geschlossen werden. Auch die fortwährende Ausgabe der Pro tokolle dcs vertagten Ausschusses rechtfertigen diese Hoffnung, und wie diese Protokolle an sich schon von hohem Interesse sind, so wird dies durch die Aussicht noch verstärkt, daß die darin nicdcrgclegten Arbeiten denn doch nicht vergebliche waren. Das sechste Hauptstück dcs Criminalgesctzbuchs han delt von „Friedensstörung und Eigcngewalt", und es hatte der Entwurf darunter begriffen: Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, Auflehnung von Gcwerbtreibenden und Arbeitern, Störung dcs Ncligionsfriedens und den Zweikampf. Das erstere Reat, welches wegen seines Zusammenhangs mit den Artikeln über Empörung und Aufstand eine sehr weitläufige Debatte hervorrief, ward in eine „Störung dcs öffentlichen Friedens" umgewandclt; die treffendste Erörterung fanden die Bestimmungen über die Auflehnung der Gewcrbtrcibendcn und Arbeiter, welche indessen nach dem Anträge dcs Di. Weis gänzlich abgestrichcn wurden, weil cs nicht Sache der Gesetzge bung sei, bei unsern jetzigen Zuständen in die Regelung der Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einzugreifen, und weil man, wenn man die verabredete Verbindung zur Arbeitseinstellung und zur Erzwingung höher» Lohns von Seiten der Arbeiter und Gesellen mit Strafe bedrohe, man conscquentcrweise auch die Verabredungen dcr Fabrikanten und Ge- wcrbsmcistcr zur Verringerung dcs Lohns oder zur Verthcuerung ihrer Pro- ducte cntgegcntretcn müsse, man hier aber überall einen Zwang provocire, wo nur von freier Cvncurrcnz Ordnung und Regelung der Verhältnisse zu erwarten sei. Bei den Artikeln über Störung des Ncligionsfriedens setzte cs l)i-. Barth mit energischen und schlagenden Gründen durch, daß nicht nur die im Staate anerkannten vier christlichen, sondern sämmtlichc im Staate anerkannten Ncligionsgcsellschaftcn dcs Schutzes ihrer Lehren, Einrichtungen, Gebräuche oder Gegenstände dcr Verehrung gleichmäßig sollen theilhaft sein. Bezüglich der letzten Rubrik (des Zweikampfes) habe ich schon in einer früher» Nummer von den Anschauungen und Anträgen dcs Referenten vn. Paur bc- richtet. Derselbe faßt sie in dcr Verhandlung darin zusammen, daß er das gewöhnliche Duell mit. möglichster Milde zu behandeln, dem außergewöhn lichen, unter Verabredung gefährlicher Formen verkommenden dagegen mit Strenge entgegenzutreten beabsichtige. Die Regierung dagegen erklärte das System ihres Entwurfs dahin, daß derselbe die Verletzungen im Duell zwar als dolosc auffasse, andererseits aber dem cigcnthümlichen Zustande der Duellanten, dieser Vermischung von Nothwchr und Angriff, die Wirkung einer besonder» Strafmilderung beilege. Dagegen erhoben sich zwei gewich tige Stimmen, welche jeder exceptionellen Stellung dcs Duells ein Recht versagten, und. dies schon darum, weil es überall an einer Begriffsbestim mung fehlc, was denn eigentlich das Duell sei. Es könne dies kein Privi legium für Solche sein, die da glaubten, sie seien mit einer gewissen höhern Potenz von Ehrenhaftigkeit begabt, und folgerecht sei auch die Schlägerei zwischen Baucrnburschcn, wenn sic unter hergebrachten Formen vorsichgehe, cin Duell. Duellanten sollten gleich andern Personen, welche sich einer Körperverletzung schuldig gemacht, bestraft und ihnen nicht eine privilegirte Stellung im Gesetz cingcräumt werden. Gleichwol wurden zwar nicht die Bestimmungen des Entwurfs, doch aber die mildern Vorschläge des Refe renten angenommen, wonach namentlich Sccundanten, Aerzte und Zeugen, nicht aber die Cartelträger, immer straflos bleiben sollen. Bemerkenswerth ist dabei nur dcr letzte Artikel, welcher die hergebrachten Formen des Zweikampfes gleichsam sanctionirt, indem er bestimmt: Hat ein Duellant oder Secundant durch absichtliche Uebcrtrctung der üblichen Kampfregeln eine Tödtung oder Körperverletzung bewirkt, so ist er nach den Bestimmungen über Tödtung oder Körperverletzung zu behandeln. Wenn cs schon an einer Begriffsbe stimmung für das Duell selbst fehlt, wer will dann festsetzen, wo die „üblichen Kampfregeln" übertreten worden sind? Kur Hessen. Kassel, 29. Oct. In der gestrigen Sitzung dcr II. Ständekammer erstattete der Viccpräsident v. Kutzleben Namens des Ver- fassungsausschusscs Bericht über die neueste Vorlage dcr Regierung bezüg lich der Verfassungsangelcgenheit. Nach einer animirten Diskussion, an welcher sich schließlich auch der Landtagsconimissar Geheimer Rcgierungs- rath v. Stiernberg belheiligtc, genehmigte die Kammer den Ausschußantrag, dahin gehend: „an die hohe Staatsregicrung die Erklärung abzugeben, daß sie auf die in dcr Miltheilung vom 17. Oct. zu bedenken gegebenen An fragen nur eine verneinende Erwiderung geben könne, vielmehr überall bei der über die Vcrfassungsurkundc vom 13. April 1852 abgegebenen Erklä rung vom 22. Juni 1857 beharren müsse", woran noch auf Anregung des Abgeordneten Herrlein der vom Vcrfassungsausschuß der I. Kammer in sei nem (bis dahin noch nicht zur Discussion gestellt,gewesenen) Bericht sor- mulirtc Antrag geknüpft wurde, nämlich: „an hohe Staatsregierung das Ersuchen zu richten, die von beiden Kammern übereinstimmend abgegebene Erklärung über die Verfassung von 1852 baldigst dcr hohen Bundesver sammlung nach dcr Maßgabe des Bundcsbcschlusscs vom 27. März 1852 vorzulegcn." Auch dieser Zusatzantrag wurde mit derselben Majorität wie der obige Ausschußantrag, nämlich mit allen gegen 5 Stimmen angenom men. Ebenso hat auch die I. Kammer in ihrer gestern Abend gehaltenen Sitzung beide Anträge ihres Ausschusses über diese Angelegenheit mit allen gegen 2 Stimmen genehmigt. Thüringische Staaten. Weimar, 50. Oct. Es wird jetzt amt- lich gemeldet, daß Pfarrer Gustav Wilhelm Steinacker, Vorsteher einer Privattöchterschule zu Weimar, zum Pfarrer in Buttelstedt ernannt worden ist. — Die Beiträge zur Unterstützung der abgcsctzten schleswig- holsteinischen Geistlichen und Beamte», welche durch die Expedition dcr Wcimarischcn Zeitung dem Hauptvercine in Altona eingesendel wurden, betrugen seit 1855 bis Ende October 1857 über 858 Thlr. Oesterreich. **Votl der ungarischen Grenze, 25.Oct. Deut- sche Arbeiter! so tönc cs als wahrer Hülferuf wic jüngst aus Polen so jetzt aus Ungarn. Menschenhände sind in dcrThat das dringendste Be- dürfniß Ungarns. Was nützt das stolze Sprichwort: „kxtn-i Ilun^eium non est vitu, et si ent vitu, non est itu!" was nützt der fruchtbare Boden, was nützen die neuen Befreiungen und Erleichterungen des Ver kehrs, wenn aus Mangel an Arbeitskräften Hunderte von Quadratmeilen wüst liegen oder höchstens nach Nomadenart benutzt werden! Die großen Grundbesitzer sind in einer wahrhaft desperaten Lage; und welche ungeheure Gütercomplexc gibt es gerade in Ungarn. Die jetzt freien Bauern sind zu stolz, bei den ehemaligen Grundhcrren für Tagelohn zu arbeiten, und die wenigen mobilen Arbeitskräfte des Landes werden durch die vielen Eisen bahnbauten absorbirt. Colonisation durch Parcellirung dcr Latifundien und durch Verpachtung oder Verkauf der Parcellen ist ein LebcnSbedürfniß Un garns. Aber die Colonisten kommen eben nicht. Es ist eine alte Klage und Frage, warum die deutschen Auswanderer anstatt über den Ocean nicht lieber in das durch die Donau mit der Heimat verbundene Ungarn ziehen. Aber die ebenso alte Antwort ist eben die Thatsachc, daß cs nicht geschehen ist und nicht geschieht. Es wirken verschiedene Ursachen. Das politische Mo tiv möchte tnan nicht sehr hoch anschlagen, weil denn doch aus deutschen Ländern sehr viele Familien auswandern, denen cs gleichgültig wäre, ob sie in einer Republik oder in einer absoluten Monarchie ihr gesichertes Aus kommen fänden. Auch dcr nationale Hochmuth der Ungarn, die vornehm auf die Deutschen herabschen und sic mit spöttischer Betonung mit dem Gesammtnamcn „Schwab" bezeichnen, dürfte nicht als auf weile Kreise wirkend erachtet werden, da die Deutschen im Allgemeinen es ja bekanntlich leider lieben, sich fremden Nationalitäten zu assimilircn, wie man denn auch unter den in Ungarn ansässigen Deutschen nur Wenige finden würde, welche es nicht geradezu als eine Beleidigung aufnehmcn, wenn man ihnen sagte, daß sie Deutsche sind. Mächtiger wirken schon kirchliche Antipathien und Befürchtungen, und werden die Colonisirungsplane unserer Negierung durch das Concordat gewiß größtcntheils vereitelt werden. Man wünscht deutsche