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L5L7 assen, bevor die Divan« sich selbst a«flösen. Dieser Schritt der Ge sandten kann nur dahin auSgelegt werden, daß gewisse Cabinete einen Werth darauf legen, daß der SessionSschluß der Divan« nach der Auffassung die- scr letzter» kein normaler werde. Schweiz. Bern, 19. Dee. Die Bundesversammlung hat nach zweitägiger De- batte den von Waadt erhobenen Competenzconfliet mit 70 gegen 67 Stim men ohnedie vorgeschlagene, Oron bevorrechtendeMotivirung abgewiesen. (A.Z.) Btaiie«. Kirchenstaat. Rom, 16. Dec. Der Papst hat vorgestern den Prinzen Lucian Bonaparte zum Priester geweiht. Neapel und Sicilien. Die Gazette de France erhält aus Nea- pel folgende mysteriöse Correspondenz: „Die italienische Frage ist nothwen dig auf einem Haltepunkt angelangt, den man verschiedenen Ursachen zu schreiben kann, vorzüglich aber der Verschiedenheit der Ansichten der Cabi nete von Pari« und London. Das hat an einer gewissen Stelle großen Unmulh hervorgerufen; die piemontcsischen Wahlen sind auch nicht geeignet, die üble Laune Derjenigen zu vermindern, welche einst den König Victor Ema nuel nothigten, da« Ministerium Cavour zu behalten, welches er infolge eines Briefs vom Papste entlassen wollte. Trotz aller Erwägungen scheint man doch die Dinge jetzt weiterlreiben zu wollen, und ich habe schon Nachrich ten, welche leider nur zu ernster Natur sind. Es ist mir nicht gestattet, klarer zu sein, was Sie leicht begreifen werden. Es genügt zu sagen, daß kürzlich ein geheimer Gesandter einer fremden Regierung in Nom ange- kommrn ist. Seine Mission ist doppelter Art: sie interessirt gleicherweise Rom und Neapel. Ich konnte seltsame Dinge darüber berichten. Wolle Gott, daß die Prüfung nicht über die Kraft der Betheiligten sei." LI Paris, 20. Dec. Sind die mir zugehendcn Mittheilungen begrün det, so ist eS zwischen den Cabineten von London und Paris nach zwei Richtungen hin zur Verständigung gekommen. Frankreich hätte in der Do- naufürstenthümerfrag« und England in der Suezangelegenheit nachgegeben. Das soll die Abberufung Lord Stratford de Redcliffe'« zu bedeuten haben ; denn als eine Abberufung wird dessen Urlaub allenthalben in der politi schen Welt angesehen und von dem französischen Hofe mit Freuden begrüßt. Doch soll damit nicht gesagt sein, daß die kaiserliche Regierung in der Con- ferenz nicht vielleicht zu Gunsten der Union austreten werde; doch soll sie, und mit ihr sollen die andern Unionisten entschlossen sein, dem von der Pforte au-gearbeitelen Projekte entschieden beizutreten, fall« demselben die Majorität zutheil würde. Diese Concession ist um so größer, als sie von der entgegenflehcnden Meinung nicht nur nicht gemacht, sondern ausdrück lich verweigert wurde. Die Türkei hat, wie bekannt, erklärt, daß sie sich einem Ausspruch der Mehrheit in der Pariser Confercnz nicht fügen würde, falle dieser einen Eingriff in ihre SuzeränetätSrechte enthalten sollte, und als einen solchen werde sie eine Vereinigung der Donaufürstenthümcr auf der von Frankreich vorgeschlagenen Grundlage ansehen. Welche Form von Lord Palmerston gewählt werden wird, um feinen Rückzug in Betreff des Kanaldurchbruchs zu bewerkstelligen, läßt sich noch nicht angeben ; doch denkt man, daß der edle Lord umsoweniger in Verlegenheit sein wird, als er cs schon häufig bewies, daß er gar nicht ängstlich ist, wenn eS sich für ihn darum handelt, mit sich selbst in Widerspruch zu gerathen. Der englische Premier wird jetzt manche Schwierigkeit zu überwinden haben, welche ihm der rückkeyrende Gesandte in Konstantinopel bereiten wird; doch glaubt der Viscount vollkommen auf seine durch die Verhältnisse gesicherte Stellung rechnen zu können, um einem ebenso heftigen als gefährlichen Gegner wie Lord Stratford de Rcdcliffe die Stirn bieten zu können. Man hält in der politischen Welt fest an der Meinung, daß der Abberufung Lord Stratford de Rcdcliffe'S die des Hrn. v. Thouvenel folgen werde, ja man sagt, fol gen müsse, falls die Abreise de« englischen Gesandten nicht einen baldigen Ministerwechsel in Konstantinopel zur Folge haben würde. Wie Sie se hen, erwartet man hier die erfreulichsten Nachrichten, d. h. für Frankreich erfreulich wegen der Abreise des einflußreichen englischen Diplomaten. Die jenigen Minister, welche den Kanaldurchbruch mit Eifer zu fordern suchen, befürworten die Zurückberufung des Hrn. v. Thouvenel, weil dieser Ge sandte unter den jetzigen Verhältnissen nicht der rechte Mann sei, Hrn. v. Lcsseps in seiner Unternehmung zu unterstützen. Sie machen gellend, daß Reschid-Pascha vor allen andern Rächen das Ohr des Sultans und daher die ausgedehnteste Gewalt besitzt, und daß der Großvezicr bei dem Verhältniß zwischen ihm und Hrn. v. Thouvenel wol schwerlich dem Ge sandten persönlich etwas zu Gefallen thun, sondern vielmehr entgegenzu wirken suchen wird. Großbritannien. ö London, 18. Dec. Ein bewegtes politisches Leben gestaltet sich im Moment in der Hauptstadt de« Landes. Schlag auf Schlag folgen einan der gedrängt volle Meetings, deren Object die brennenden Tagessragen: Doppelregicrung Indiens, Parlamentsreform, religiöse Emancipation, Han dels» und Zndustriekrisis, sind. Gestern Abend fanden drei große Meetings statt, zwei im Westend und eins in der City. In Martinshall wurde ein Jndia-Reformmeeting unter der Leitung liberaler Parlamentsmitglieder ab gehalten; in Exetcrhall wurde eine seit zwei Tagen geschlagene Discussions- schlacht über die exclusive Heilighaltung des Sonntags beendigt; in der City, CroSbyhall, fand ein, Reformmceiing für Indien statt, und an dem selben Tage überreichte eine Deputation in Sachen der Parlamenlsreform eine Petition an Lord Palmerston, welche zahlreiche Unterschriften von LordS, Bischöfen, Richtern, Bankier« rc. trägt. Ich wohnte dem Ne- formmeeting für Indien in der Martin-Hall bei, da« um 7 Uhr Abend« begann und kurz vor Mitternacht endigte. ES ging aufregend und stürmisch genug her, um einen Maßstab für da« tiefe Interesse zu gewinnen, wel ches Londons Bevölkerung an der Reform ihrer großen Colonie nimmt. Bei solchen Gelegenheiten senden alle politischen Parteien ihre Kontingente auf den Wahlplatz, und die aufgeregten Leidenschaften platzen in drastischer und freier Rede auseinander. Daß diese Freiheit nicht über die Grenzen der Ordnung schreiten darf, bewies der Umstand, daß ein „respektabler Gentle- man", der zu wiederholten malen die Redner unterbrach, hinauSgeworfen wurde. Jede andere Meinung durfte sich jedoch geltend machen, und al« sich auf der Galerie ein „indischer Shareholder" erhob, der in schroffer Op position gegen alle Reformredner die Interessen der Ostindischen Compagnie zu vertheidigcn suchte, wurde er auf die Platesorme berufen und versuchte dort, allerdings vergeblich, seine Meinung geltend zu machen. Der Präsi- dentenstuhl wurde von Lord Bury, Parlamentsmitglied für Norwich, ein genommen. Auf der Plateforme befanden sich etwa ein Dutzend Mitglieder des Unterhauses, die Präsidenten und Sekretäre der liberalen Clubs, viele ausgezeichnete Schriftsteller rc. Der Präsident begann mit einer Erklärung über den Zweck des Meetings. Er kündigte an, daß dem Meeting der Vor schlag gemacht werden würde, die doppelte Regierung Indiens zu verur- theilen. (Beifall.) Er bezog sich auf das kürzlich abgehaltene Meeting in der London-Tavcrn, wo nicht über die große Frage der Abolition der Ost indischen Compagnie Einigkeit geherrscht habe. (Hört, hört!) Dieses Mee ting solle jedoch den Zweck erfüllen, dem Lande zu beweisen, daß man einig darüber sei, daß die Negierung, welche solange Indien miSregiert habe, ab geschafft werden solle. (Beifall.) Der Präsident machte auf die zahlreichen, aber vergeblichen Versuche des Unterhauses aufmerksam, Reformen in In dien herbeizuführen. Es wäre schwierig gewesen, ein stimmfähiges Hau« dafür zusammenzubringcn. Die Petitionen des Volks seien unbeachtet ge blieben. Die jüngsten entsetzlichen Ereignisse hätten jedoch John Bull die Augen geöffnet. (Gelächter.) Er sehe, daß die Tage der Ostindischen Com pagnie gezählt seien, daß sie fallen und auf ihren Ruinen eine neue Regie rung errichtet werden müsse. (Beifall.) Die gegenwärtige Regierung habe durch Handlungen, welche an Verbrechen grenzen, die Eingeborenen Indiens zur Insurrektion aufgestachclt, und das Resultat habe zu dem Rachegeschrei Englands über die indischen Höllenhunde geführt, welche alle die infamen Grausamkeiten begangen,' die jedes englische Herz erzittern machten. s(Bei- fall.) Hierauf erhob sich das Parlamentsmitglied Hr. Roebuck unter stür mischen Begrüßungen und sagte, daß der Zweck des Meetings sei, die Re gierung Englands aufzufodern, ihre Angelegenheiten in ihre Hände zu neh- men. Das Volk müsse das Parlament und dieses die Minister inspiriren,- damit der doppelten Regierung Indiens ein Ende gemacht werde. (Beifall.) Hr. Roebuck warf einen geschichtlichen Blick auf die aggressive Politik England« in Indien, der ungerechten Mittel, welcher es sich bediente, und sprach in strengen Ausdrücken gegen Georg ll. und Pitt, welche die wohlgemeinte Politik Fox nicderdrückten. Folge davon wäre, daß der Prä- sident des Board of Control thun kann was ihm gefällt, und der Board of Direktors ist gezwungen ihm zu folgen. Darum soll die Ostindische Compagnie abgeschafft werden. (Beifall.) Und wenn das gethan ist, so soll auch mit dem Board of Control ein Ende gemacht werden. (Stürmischer Beifall.) Ein StaatSsecretär für Indien soll dessen Stelle einnehmen. (Bei- fall.) Das Parlament soll sich dann mit der künftigen Regierung Indiens beschäftigen. In den großen Städten mögen Municipalbchörden eingesetzt und eine verschiedene Form für die eingeborene Bevölkerung angenommen wrrden. (Beifall.) Denn dcr Tigcr ist der treue Typus der Indier — weiche Tatze, schönes Fell, graziös in seinen Bewegungen; aber der Tod droht unter seinen Tatzen und Grausamkeit bergen seine Formen. (Lauter Bei fall.) Hr. Roebuck wünscht für die Indier Freiheit der Religion ; aber England müsse es regieren und das Volk Englands sei dafür verantwort lich, daß es glücklich regiert werde. (Beifall.) Das Unterhaus werde die große Frage erörtern; aber einzelnen Mitgliedern werde es überlassen blei ben müssen, solche Anträge zu stellen, welche gleichzeitig die Interessen de« ganzen Volks Englands einschließen. Darum müsse das Gewicht der Volks- Meinung in dir Wagschal« Derer fallen, welche wollen, daß Indien für die Interessen Englands und Indiens regiert werde. (Stürmischer Beifall.) Hierauf verlas Hr. Roebuck den Vorschlag, welcher „das System der dop pelten Regierung Indiens unvereinbar mit der Sicherheit und kommerziellen Wohlfahrt des britischen Reichs hält", und daß deshalb „eine verantwort liche Rcgierungsform für Indien im Namen der Krone und mit der Con- trolc des Parlaments errichtet werden möge". (Stürmischer Beifall.) Der beschränkte Raum dieser Correspondenz gestattet uns nicht, der weitern geist reichen und treffenden Reden Erwähnung zu thun. Das System der Ver waltung, der Justiz, der Umtriebe der Missionare und namentlich die finan zielle Gcbahrung Indiens, wie sie aus dem gestern publicirten Blaubuche hcrvorgeht, boten Gelegenheit zu äußerst scharfen Bemerkungen dar. So machte das Parlamentsmitglied Otway darauf aufmerksam, daß während die Unterhaltung der Beamten cirea 148,000 Pf. St. jährlich koste, für die Cultivirung der Baumwolle in Indien die Summe von 9 Pf. St. ausge setzt wurde. (Schallendes Gelächter.) Ein anderer Redner, Hr. Mead, der Redacteur des Friend of India, wies dokumentarisch nach, daß in einem Theile Indiens von 18 Mill. Einwohnern täglich auf den Kopf 1 Penny zum Leben kommt. Ungefähr in Mitte des Abends erhoben sich neue Red ner, welche Amendement- stellten, die der Parlamentsreform galten. ES