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Nr. 287 s. Dccember 1857 Deutsche Allgemeine Zeitung Wahrheit und Recht, Freiheit »vd Eeschl Smwoge)« hlen wir: 1 '1 t-. thung Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). thselspiel z (4528s » Preit für das Bierteljahr 1'/, Thir.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. ze Förde- enstüchti- delung u. düng spe- - Abbild, »lr. 1857. lsche». »he», »hem Gehalt Ostern 1858, - MMsIee, s4535-36j Ein literarisches Projekt der Kreuzzeitungspartei. ^Leipzig, 8. Dec. Die Neue Preußische Zeitizng hat bekanntlich, wie in diesen und andern Blättern schon mehrfach erwähnt worden ist, kürzlich den Prospectus eines „Staats-und Gesellschafts-Lexikon" veröffentlicht, welches der ehemalige Redakteur jener Zeitung, Hermann Wagener, der bekannte Vor- fechter der preußischen Zunkerpartei, herausgeben will. „Das Unternehmen", heißt es in diesem Prospekt, „wird seinem äußern Umfange nach mit dem Brock- haus'schen «ConvcrsationS-Lexikon» ungefähr übereinstimmen, aber nicht nur die in diesem enthaltenen Artikel behandeln, sondern auch den Plan einer staats rechtlichen Encyklopädie, wie ein solcher dem Rottcck-Welcker'schen «Staats-Lexi- kon» zugrunde liegt, durchzuführen suchen." Nach „Geist und Richtung" will Wagener dieses combinirte Conversations- und Staatslexikon betrachtet wissen „als «ine neue Waffe in dem Geisteskampse der Gegenwart und eine gemeinverständliche Zusammenfassung der schon gewonnenen Resultate jener großen Arbeit, welche nach vielfachen, wenn auch nicht fruchtlosen, doch unterbrochenen Ansätzen endlich mit der Thronbesteigung Seiner jetzt regie renden Majestät in ihre nothwendige, durch eigene Gesetze bedingte Entwi ckelung eingetretcn ist". „In den letzten Sessionen des Landtags", heißt es in dieser Beziehung weiter, „ist diese Arbeit von der konservativen Partei und zwar durch jene selben Debatten, welche den Beweis geliefert haben, daß der strengste und eifrigste Royalismus mit dem freudigsten Eifer für organische Entwickelung der Freiheit des Volks Hand in Hand gehen kann, in ihrer gewaltigen Bedeutung erkannt und unter der widerwilligen Aner kennung der Gegner selbst gefördert worden." Wenn auch die encyklopädische Belehrung nach dem Bedürfnisse der konservativen Partei, auf die cs dabei besonders abgesehen, in dem Werke ihre Berücksichtigung erfahren soll, so wird dasselbe doch hauptsächlich und vor allem ein tendenziöses und kriegerisches Rüstzeug in den Händen der Kreuz zeitungsleute selbst sein. „Denn", sagt Wagener, „die Richtungen, welche wir (nämlich Wagener und Genossen) bekämpfen, haben sich seit Menschen altern im alleinigen Besitz des ganzen literarischen Apparats befunden; sie haben durch alle Hülfsmittel der Presse die Bildung des Volks, soweit das selbe an dem literarischen Verkehr irgend thcilnehmcn konnte, gemacht und zu ihrem Vortheil ausgebeutct. Der wachsende Widerstand, der aus der Fülle und Tiefe deutschen Geistes und deutschen Gemülhs ihren revolutio nären Lehren und ihren unmöglichen und doch zerstörenden Neubauten ent- gegengcsctzt wurde, hat endlich auch Kraft und Geschick gewonnen, auf dem Gebiete den Gegner zu bestreiten, auf welchem derselbe bisher eine unbe strittene und despotische Herrschaft behauptete." Das Unternehmen wird darum „in einer Form austreten, welche den Jrrthum des Gegners bis zu den trüben Quellen seines Ursprungs verfolgt, ihm seine Fehlschlüsse von Stufe zu Stufe nachweist, keine seiner Schwächen schont und nirgends auS Rücksicht vor der Person den Kampf gegen die schlechte Sache, die oft völlig untrennbar von den einzelnen Menschen ist, vernachlässigt oder ab schwächt. Alles DieS natürlich mit objektiver Wahrheitsliebe, unter Aufstel- lung eigener positiver Vorschläge und Gedanken, in einer dem Ernst und der Würde des Gegenstandes angemessenen Sprache". Der gegenwärtige Zeitpunkt scheint Wagener für die Ausführung seines Unternehmens darum besonders „dringend und günstig", weil so eben das Rotteck-Welcker'sche „Staats-Lexikon", vor dem die Ritter an der Spree doch eine ganz besondere Scheu verrathen, in dritter Auf lage erscheine, und dann, weil ein dem Wagencr'schen ähnliches Unterneh men des „positiven Katholikismus" (wahrscheinlich das „Conversations- Lexikon für das katholische Deutschland") in seinen Kreisen einen „mehr als gewöhnlichen" Anklang gefunden haben soll. Schließlich unterläßt auch die jetzige Redaction der Kreuzzeitung nicht, ihren College» und Meister Wagener der „konservativen Partei" auf das wärmste zu empfehlen. Wenn es gelinge, versichert sie, das Werk zustande zu bringen, so „wäre damit dem nivellirenden Liberalismus eine seiner wirksamsten und gefährlichsten Waffen entwunden." Ganz in der Manier, in welcher Wagener (Abgeordneter von Neu stettin in Hinterpommern) und sein Gönner, Hr. v. Gerlach, sich von der Tribüne vernehmen lassen, in welcher sie in ihrem Organ, der Kreuz, zeitung, die Feder führen, treten sie auch bei diesem wissenschaftlichen Un- trrnehmen vor das Publicum. Hier wie dort das Hereinziehen des Kö nigs, um ihre Privatsache alS den Ausfluß der Krone und der preußischen Regierungöpolitik erscheinen zu lassen. Hier wie dort dieselbe junkermäßige Großsprecherei und Zuversichtlichkeit, dieselbe Sicgesgewißheit sogar auf einem Felde, das sie erst betreten wollen, und dieselbe Petulanz gegen Alles, was ihren socialen und politischen Sonderbestrcbungen zuwider ist. Alles ist kurzweg revolutionär, was nicht zu ihren feudalistischen Gelüsten paßt, und muß darum — ausgerottet werden. Man hört in diesem Pro gramm schon die Klinge wetzen, über die nicht nur die Ideen, Begriffe, JnsertionSgebuhr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. c Plahn'-L n BUdniß F elbe Aus- 8 e Nacht« d Rüssen F tik. Wir« l welchem« «reinigen 8 in seiner 8 S. L. Z it. Große io »lg. — Hr. ertha Nau- g mit Frl. sterberg ei» elpzig eine ein Sohn. >Zg Blaß- nann, geb. ne Glier, lie Heyne, Huhn in geb. Schu- > iß Leipzig, in Leipzig, n Chemnitz. Neukirchen. ,4470-72, HM Mehrer 7'/.Sgr» l'/. Sgr.» AM,'' S id nie - z rFa- » Thatsachen, die socialen und politischen Institutionen des Jahrhunderts springen werden, sondern mit der auch die persönlichen Träger der moder nen Geschichte und Bildung vernichtet werden sollen. Hier wie dort endlich dasselbe Herumwersen mit „patriotischem Bekenntniß", „freudig stem Eifer für organische Entwickelung des Volks", „Fülle und Tiefe dem- schen Geistes und deutschen Gemüths" — Redensarten, die sich seltsam genug ausnehmen in dem Munde von Leuten, welche gegen die deutsche Bildung unsers Zeitalters den Vernichtungskampf führen wollen; weiche die Masse des deutschen Volks zu Gunsten feudaler Sonderintcressen in die Bande socialer Knechtschaft zurückstoßcn möchten; welche bei den Vorgän gen des Jahres 1850 in die Hände geklatscht, als Preußen unterlag und die deutschen Herzogthümer an Dänemark ausgeliefert wurden; welche noch vor kurzem nicht ein deutsches, sondern nur ein russische-Interesse kannten und Rußland als den Hort, den Netter, den Wohlthäter, als das Muster bild für Deutschland hinstellten, bis sich endlich die Russen selbst die zu- dringliche Freundschaft verbeten haben. Dennoch, und eben darum, muß man wünschen, daß das Werk, wcl- ches hier angckündigt wird, zur Ausführung gelange.*) Die Conserva- tivcn, aus deren Bücherschränken ausdrücklich das Brockhaus'sche „Eon- versations-Lexikon" und das Rotteck-Welcker'sche „Staats-Lexikon" durch die projectirte Kreuzzeitungs-Encyklopädie verdrängt werden sollen, werden dann wenigstens die Herren vollständiger kennenlernen, die sich zu ihren geistigen Vormündern aufwcrfen; sie werden erfahren, wie sich Welt und Geschichte ausnehmen, wenn sie von der Flamme des Weißen Jakobinerthums beschie nen werden. Aber noch mehr: auch dje Staaisweiscn der Junkerpartei selbst können durch ihr „großartiges Unternehmen" manche heilsame Einsichten und Wandlungen erwerben. Sie werden zuvörderst, wenn sie zum Angriff schreiten, die Erfahrung machen, daß sie mit ihren parlamentarischen Sie gen, auf die sie so unvorsichtig pochen, noch lange nicht, wie sie meinen, „die Kraft und das Geschick" erlapgt haben, auf dem geistigen Gebiete ih ren Gegner — nämlich die moderne Bildung und Wissenschaft und deren Träger — zu vernichten. Vornehmlich werden die Rheioren und dilettirenden Publicisten der Kreuzzeitung sehr bald merken, daß sie, trotz ihrer Ti raden über Staat und Gesellschaft, noch immer keine Staatslehrer und Politiker sind, die, wie Wagener verheißt, „in objektiver Wahrheitsliebe eigene positive Vorschläge und Gedanken" in Bezug auf Recht, Staat und Gesellschaft ausstellen könnten. Dazu gehört der hellste Kopf, aus gebreitetes historisches Wissen und philosophische Durchbildung, Eigen schaften, die diesen Dilettanten, wie sie seit Jahren gezeigt haben, abgehen. Die ganze Kreuzzeilungspartei hat eigentlich nur einen einzigen Rechtsge lehrten aufzuweiscn, der aus gewissen Gebieten die formale Bildung für ihren projectirten literarischen Feldzug besitzt: Stahl, und außerdem einen einzigen gelehrten Historiker: Leo, der sich aber in seinem gründlichen Hasse gegen populäre Wissenschaft kaum zur Mithülfe herbeilasscn dürfte. National- okonomcn, Physiker, Chemiker -c., deren Wissenschaften gerade auf die moderne Forschung und die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft gegründet sind, möch ten sich selbstverständlich wol gar nicht zu dem Dienste hergeben, ihre Disci- plinen und deren Koryphäen in der Kreuzzeitungs-Encyklopädie zur Glorisici- rung der politisch-kirchlichen Reaktion selbstcigen mit Füßen zu treten. Es wird, um wenigstens die politische Branche des Unternehmens zustande zu bringen, den Unternehmern kaum etwas Anderes übrigbleibcn, als sich mit ernster Selbstverleugnung persönlich in den Begriff und die Geschichte des Staats- und Gesellschaftsleben zu versenken, und namentlich ein gründliches Stu dium der deutschen Ständecntwickelung, der Adelsgeschichte, der Bewegung des Grundbesitzes, der Agrargesetzgebung rc. zu beginnen. Bei ihrer ge lobten „objektiven Wahrheitsliebe" würde hier aber freilich der Fall eintrc- ten müssen, daß sie in Gleise geriethen, wo sie mit Rottcck, Welcker und andern aufgeklärten Forschern und Staatslehrern zusammenträfen. Welches *) Dies scheint den Unternehmern selbst allerdings noch keineswegs außer Zweifel zu sein, und um ganz sicher zuwerke zu gehen, wollen sie damit nicht eher beginnen, als bis — 2500 Exemplare durch Subskription gedeckt seien! Auch wird den Subskribenten anheimgestellt, „zur Vermeidung wiederholter Correspondenz" 3 Thlr. gleich mitzuschicken! Verräth dies eine ganz gute Geschäftspraris, so scheinen die Herren doch nicht besonders rechnen zu können, da sie in dem Prospekt ange ben: der Preis ihres Werks werde jedenfalls noch unter dem des Brockhaus'schen „Conversations - Lexikon" bleiben und höchstens 25 Thlr. betragen, während das Brockhaus'sche „Conversations - Lexikon", wie sie selbst wenige Zeilen weiter ganz richtig anführen, blos 20 Thlr. kostet! Und außerdem soll gegen jenen Subskrip tionspreis „bei dem demnächstigcn Vertriebe durch den Buchhandel" ein um „den entsprechenden Zuschlag" (also wol mindestens 25Proc.) erhöhter Preis eintretcn! Ein ähnlicher Widerspruch ist auch der, daß das Werk „seinem äußern Umfange nach mit dem Brockhaus'schen «Convcrsationß-Lerikon» ungefähr übereinstimmen" soll und dann auf 50 Hefte zu 10 Bogen, also 500 Bogen in 10 bis höchstens 12 Bänden berechnet wird , während das Brockhaus'sche „Conversations - Lexikon" gegen 800 Bogen in 15 oder eigentlich 16 Bänden enthält. Und in diesem engen Raume soll zugleich auch ein Staats-Lexikon geboten werden! mit dem § »yal- H icht mehr G lend e«g- * arch s liäik!* » -afferS al» * adenräth'» Mittwoch. LeiHkßib Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Sonntags täglich Nachmit tags für de» folgenden Tag.