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223 > Kreisen bildet nicht mehr die Politik, sondern die Curse, daö Theater und die — Dogmatik. Thüringische Staaten. Die Weimarer Zeitung vom 4. Nov. ent hält folgende Erklärung: „Einige Artikel unser- Blatt- über die fremde Politik, und darunter vorzüglich derjenige in Nr. 246 gegen die Revue contemporaine — im Wesentlichen nur eine Wiederholung eine- Artikels der Neuen Preußischen Zeitung — haben, wie wir vernehmen, die Deutung er fahren, als ob darin ein verletzender Angriff gegen «ine hohe auswärtige Regierung liege. Wir erklären, daß die- unsere Absicht nicht gewesen ist, und wir erklären außerdem, daß wir eö aufrichtig bedauern, wenn durch eine nicht richtige Wahl der Ausdrücke die Möglichkeit einer solchen Deu tung darin enthalten sein sollte. Die Redaction/' Freie Städte. Hamburg, 30. Oct. Eine Beilage zur heutigen Nummer der Hamburger Nachrichten bringt unter der Ueberschrift: „Vater städtische Blätter" eine Reihe von Aktenstücken, welche sich auf die Agita tion in Betreff der Aufhebung der Accise und der Thorsperre und die Ein führung einer allgemeinen Einkommensteuer beziehen. Den Anfang macht ein von einigen dreißig hiesigen großen Kauf- und sonstigen Ge schäftsleuten, meist sehr lhätigen und einflußreichen Mitgliedern deS Vereins für Handelsfreiheit, unterzeichneter Aufruf zur Bctheiligung an einer in den nächsten Tagen dem Senat zu überreichenden Supplik, welche die Lösung der Accise- und Besteuerungsfrage in oben genanntem Sinne befürwortet. Hierauf folgt der Wortlaut dieser Supplik selbst; hieran reiht sich ein an die Unterzeichner der dasselbe Ziel verfolgenden vorjährigen Supplik (vom 16. Oct. 1854) gerichteter Rechenschaftsbericht, dann folgen drei Anlagen — 1) Denkschrift, betreffend Anbahnung einer Reform des Hamburger Steuer wesens; 2) Entwurf, betreffend Feststellung einer Einkommensteuer; 5) Ent wurf, betreffend die Organisation der Einkommensteuerbchörden —. Die zweite dieser Anlagen ist wiederum von drei Unteranlagen, zwei Entwürfen und einer Erläuterung, die sich auf die beantragte Einkommensteuer beziehen, und die dritte Anlage von einer den in derselben enthaltenen Entwurf er läuternden Unterlage begleitet. Hamburg, 31. Oct. Ein Werbebureau scheint, wenn auch mit größter Heimlichkeit, in unserer Nähe sein Unwesen zu treiben; denn seit etwa 14 Tagen sind mehre junge Leute spurlos verschwunden Unter An- derm hat ein Commis, der einzige Sohn hochbctagter Aeltcrn, am 26. Oct. heimlich seine Stell« verlassen. Ein in seiner Wohnung Vorgefundener Brief soll deutlich darauf Hinweisen, daß er sich für eine wahrscheinlich indo-ger manische Fremdenlegion hat anwerben lassen. Im Hannoverschen muß die Soldaten- oder, vielleicht richtiger gesagt, Abenteuerlust besonders stark gras- siren, da von Handwerkern aller Art fast täglich Anzeigen über Entlau fen ihrer Gesellen bei der Polizeibehörde eingehen. Auch sechs Knaben im Alter von 15 —16 Jahren sollen seit Anfang dieser Woche vermißt werden. - (Fkf. I.) Oesterreich. H Wien, 3. Nov. Die Jndependance belge läßt sich in einer ihrer letzten Nummern au- Konstantinopel telegraphiren, daß die Pforte da« geckeinschaftlich gestellte Ansuchen der dortigen französischen und russischen Gesandtschaften um Bewilligung zur nächtlichen Durchfahrt durch die Dardanellen für die Postpacketboote der MessageriesImperiales ab- schlägig beschicken habe. Erlauben Sie mir, daß ich diese telegraphische Nachricht als durchaus unrichtig bezeichne, indem die ganze Angelegenheit weder die russische noch die französische Legation in Konstantinopel im ge ringsten berührte. Die abschlägige Antwort wurde dem österreichischen Jn- ternuntius ertheilt, welcher sich längere Zeit und mit Energie dafür ver wendete, daß die Pforte den Postdampfern des Oesterreichischen Lloyd in Triest die Erlaubniß zur Durchfahrt durch die Dardanellen während der Nachtzeit crtheile, um so die frühere Austheilung der Briefschaften und Postsendungen zu ermöglichen, welche bisher immer um 12 Stunden ver zögert wird. Die Angelegenheit wurde im Pfortenministerrath zur Sprache gebracht und verworfen. Die Folge davon war, daß Ali-Pascha an Ba ton Prokesch-Osten eine Note deS Inhalts erließ, daß die Pforte zu Gun sten der Oesterreichischen Lloyd-Dampfer keine Ausnahme machen könne, wi- drigenfalls Rußland jund Frankreich gleichfalls dieselben Ansprüche wieder holen würden, die jedoch mehrmals von der Pforte als den bestehenden Verträgen zuwider zurückgewiesen wurden. Natürlich, daß von Seiten des österreichischen Jnternuntius jede weitere Intervention in dieser Angelegen heit als mit dem guten Rechte der Pforte unvereinbar aufgelassen wurde. Dies der einzig wahre Sachverhalt, wie mir von authentischer Seite durch Freundeshand aus Konstantinopel berichtet wird. — Die hier tagende Donauuferstaatencommission hat ihre letzte Arbeit, die SchiffahrtS- acte, bereits vollendet, und cS soll nun, nachdem die Arbeiten der Com mission den betreffenden Regierungen zur Prüfung vorgelegt worden sind, die Ratification erfolgen. Soviel ich vernehme, ist die Genehmigung der beiden deutschen Donauuferstaaten Baiern und Württemberg bereit- einge troffen, und jener der Pforte wird stündlich entgegengesehen. Wenn dies falls nicht unvorhergesehene Hindernisse eintreten sollten, so darf man die Ratification der vollendeten Acte bereits in den ersten Tagen der künftigen Woche erwarten. tL Wien, 3. Nov. Unsere alte Aula, die bekanntlich im Jahre 1848 das Hauptquartier der Akademischen Legion war, nach der Einnahme Wiens aber in eine Kaserne verwandelt wurde, ist jetzt endlich von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Besitz genommen worden. (Nr. 256.) Der Mu- sensih war durch die jahrelange Beherbergung der Söhne des MarS i» einen Zustand verseht worden, daß viel Zeit und Geld nöthig war, ihn für di« olympisch«« Sitzung«« d«r „Unsterblich««" der österreichischen Wissenschaft zu adaptiren. ES ist, um einen üblichen Au-druck zu gebrauchen, mit wahrhaft kaiserlicher Munificenz vollbrackt worden. Nur die ursprüngliche Dunkelheit deS Gebäudes konnte von den Tapezierern, Vergoldern und Malern nicht beseitigt werden; das ist selbstverständlich die Aufgabe der Akademiker. Bei der Uebernahmefeierlichkeit hielt der Minister deS Innern, Frhr. v.Bach, die Eröffnungsrede. Si« war kurz und nur officiellen Charakter«. Die eigentliche Festrede hielt der Vicepräsident der Akademie, Hr. v. Ka rajan, und sein Vortrag war überhaupt und besonder- unter den jetzt bei uns herrschenden Verhältnissen von höchster Bedeutung. Mit Begeisterung prieS er die Erbauerin der Aula, Maria Theresia, und ihr Wirken für die Aufklärung ihrer finstern Zeit, wobei mit besonderer Betonung de- da maligen Erzbischofs von Wien, Fürsten Trautson, gedacht wurde, als des eifrigen Gehülfen der Kaiserin bei dem zeitgemäßen Bildungswerke. Höchst interessant und glücklich gedacht war es, daß Hr. v. Karajan bei dieser Ge legenheit Joseph II. tadelte; nicht aber, wie man leicht vcrmuthen könnte, nach dem jetzt herrschenden Usus als einen von der gottlosen Philosophie des Jahrhunderts ««gesteckten Aufklärer, sondern im Gcgentheil darum, daß Joseph sein System nicht durchaus consequent ausgeführt, waS Hr. v. Karajan in kluger Beschränkung nur durch das Beispiel erhärtete, daß der philosophische Kaiser der Entwickelung der Rechtswissenschaft Fesseln angelegt habe. Mit bewunderungswürdigem Freimuth schilderte dann der Redner den tödtlichen Druck, unter welchem die Wissenschaft in Oesterreich bis zum Jahre 1835, d. i. bis zur Thronbesteigung Ferdinand's de- Gü tigen, geschmachtet, und schloß mit Aeußerungen, die nichts zu wünschen übriglassen, al- daß sie die Regel für die künftige Wirksamkeit der Aka demie werden möchten. Wahrlich, diese öffentliche Rede des Vicepräsidenten der k. k. Akademie und die unverhohlene Freude, mit der sie von der gqp.- zen, doch größtentheils aus officiellen, zum Theil sehr hochgestellten Per- sonen bestehenden Versammlung ausgenommen wurde, sind ein Beweis, daß die Dunkelmänner, ungeachtet der vielen Trümpfe, die sie schon au-gespielt haben, doch ein von vornherein verlorenes Spiel spielen. — Die «Presse» berichtet aus Wien vom 2. Nov.: ,,Jn den hiesigen evangelischen Kirchen wurde gestern das Reformationsfest mit großer Feierlichkeit und bei außerordentlichem Zuspruch begangen. Sowol die «van- gelische Stadtpfarrkirche Augsburgischer Confcssion, in welcher Superinten- dent Pauer predigte, als auch die große gumpendorfer Kirche, worin Pa stor Kanka den Gottesdienst verrichtete, waren in allen Räumen mit an dächtigen Theilnchmern gefüllt. Die abgehallenen Predigten behandelten durchwegs die Reformation und athmeten den Geist der Friedfertigkeit, christlichen Liebe und Achtung der Andersgläubigen. Die Kirchen waren festlich geschmückt, erleuchtet, und überall wurde das Lutherlied «Ein' feste Burg ist unser Gott» abgesungen. Auch die reformirte Gemeinde schloß sich dieser Feier an und verband damit gleichzeitig die in allen evangeli schen Gemeinden Oesterreichs stattfindende Collecte für das Lutherdenkmal in Worm-, Die Festpredigt, welche in der Pfarrkirche Helvetischer Confes sio« von dem Superintendenten Gottfried Franz (k. k. Consistorialrath) ab- gchalten wurde, war betitelt: «Die Reformation, ein Werk au- Gott.» Viele hochgestellte Persönlichkeiten, worunter der Armeecommandant, Feld zeugmeister Graf Wimpffen, die Mitglieder mehrer Gesandtschaften re. so wie die Gemeindevorstände wohnten der erhebenden Feier bei." Schweiz. Nach dem «Bund» sind die nun beendeten Nationalrathtwahlen dahin ausgefallen, daß 30 Conservalivc auf über 90 Liberale kommen. .Italien. Neapel und Sicilien. Der Gerichtshof von Salerno hat jetzt sein Urthcil über die Affaire des Cagliari erlassen. Der Capitän des Damps- boots, der zweite Commandant, ein anderer Offizier und 15 andere Per sonen, die infolge der Ereignisse von Ponza und Sapri angeklagt worden sind, werden auch ferner in Haft gehalten. Elf andere Gefangene sind in Freiheit gesetzt worden. Frankreich. Paris, 2. Nov. Das Auftreten der deutschen Großmächte in der dänisch-holsteinischen Angelegenheit hat hier umsomehr überrascht, als man sich berechtigt glaubte, auf die deutsche Säumigkeit und Unschlüsfigkeit zu zählen, und als der gethane Schritt insofern entscheidend ist, als er ein Zurückweichen mit der Würde der beiden betreffenden Regierungen unver träglich, folglich unmöglich macht. Man sieht nun hier ein und gesteht sich, daß diese Verwickelung im Norden, der man wol einige Aufmerksamkeit ge schenkt, der man aber in Berücksichtigung der deutschen Zustände wenig Wichtigkeit beigelegt, Umrisse anzunehmen droht, die allen Ernst der Er wägung herauSfodern. Man erzählt sich, daß Graf Walcwski in einer Um terredung mit dem dänischen Gesandten die Aeußerung gethan: „Die dä nische Regierung hat nur festzuhalten, Deutschland wird sich nicht rühren" (1.6 gouv6NN6M6Nt clnnois «'s qu'ü tenir iwn, I'^IIomkiAno N6 86 bougu« pas). Das ist die ehrenvolle Meinung, die man von uns Deutschen hegt. Es ist gar nicht zu bezweifeln, daß der Trotz in Kopenhagen, der sich über Verträge und Rechte hinwegsehen zu dürfen und zu können glaubt, zu Pa ri- seine Quelle hat. Zwar will man hier glauben machen, und eö wird in gewissen Kreisen klar genug ausgesprochen, daß man in London noch dänischer sei als in Pari-; doch hat eS meinen Erkundigungen zufolge da mit keineswegs seine Richtigkeit; im Gegenthcil soll e- da- Cabinet Pal-