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schcn Verstärkungen angekommen sein werde. Da statte Garnisonen euro päischer Truppen in Kalkutta und Allahabad zurückgelaffen werden müssen, wenn überhaupt diese Plätze noch in den Händen der Europäer sein wer den, so kann den belagerten Forts kaum vor Anfang December ausrei chende Hülfe werden/ Die indessen tapfer kämpfenden Truppen der Köni gin haben leider einen mehr als precären Stand. Es fehlt ihnen an Ka nonen und an Lagergeräthschaften. Alles Das befindet sich in den Händen der Feinde oder ist zerstört worden. Den Kanonen fehlt die Bespannung, und so sah sich z. B. General Havelock gezwungen, die eroberten Kano nen zu vernageln und znrückzulassen, weil die wenigen Zugochsen, die er hatte, wegen Mangel an Nahrungsmitteln geschlachtet werden mußten. General Lloyd, der vor ein Kriegsgericht gestellt wird, erfährt harten Ta del von Seiten des Briesschreibers. „400 Mann sind zu einer Zeit durch die Feigheit dieses Mannes vernichtet worden, wo uns der Verlust jedes Mannes tief empfindlich ist. Schlimmer noch als dies sind die Eonsequenzen. Das 64. Regiment Ihrer Maj. ist dadurch nach Gaya geworfen und abgeschnittcn worden, sodaß cs in der größten Gefahr ist; die Grand Trunk-Straße ist abgespcrrt; Lucknau und Agra können nicht befreit werden; General Ha- velock'ö Truppen, anstatt vorzudringcn, müssen nach Cawnpore zurück und werden dort wahrscheinlich vom übermächtigen Feinde eingeschlossen werden. Und das Alles ist Einem Manne zu danken!" Das Schicksal Lucknaus ' und Agras scheint dem berichterstattendcn Offizier besiegelt zu sein. Er hofft nichts von den Ghorkas, auch wenn sic zur rechten Zeit kommen könn ten. Sie sind gut zu kleinen Scharmützeln, aber nicht um ein Manöver ge gen die zahlreichen Audh - Insurgenten auszuführen. Ucbcrdies hat der Briefschreiber Nachrichten von dem Arzte erhalten, welcher den gegen Luck- nau marschircnden Ghorkas beigcgebcn wurde. Er sagt, daß in den Rei hen der Ghorkas die Cholera fürchterlich ausgebrochen sei und daß Hun derte von Todesfällen sich ereignen. Es fehlt an allen Medikamenten, die Leute liegen am nassen Boden, haben nichts zu essen, nichts sich zu bedecken und keinen Beistand von den Einwohnern, die überall fliehen, wo die Ghorkas hinkommen; denn ihre Tapferkeit besteht in Plündern, Morden und Niederbrenncn, leiden von der Hitze so gut wie Europäer, tragen Son nenschirme und Fächer anstatt Gewehre und lassen ihre Kranken dort lie gen, wo sie erkrankt zusammensanken. Dem Gerücht, daß die an Hun- gersnoth leidende Garnison von Lucknaü Lebensmittcl erhalten habe, wird positiv dementirt. Die 1000 Europäer, worunter 600 Frauen und Kinder, können nicht solange aushalten, bis Verstärkungen ankommen und ihre Befreiung möglich wird. Die Nachrichten aus Delhi sind in vielen Be ziehungen befriedigend, obwol sich die officiellcn Berichterstatter Uebertrci- bungen zuschulden kommen lassen, die kaum zu rechtfertigen sind. Woher 15,000 Mann zu einem Sturm am 20. Aug. kommen sollen, ist ebenso wenig begreiflich, wie die Nachricht, daß der König von Delhi Anerbie tungen machte, sich für eine Erhöhung seiner Pension zu ergeben. Daß dieser Antrag streng zurückgewiesen wurde, das gibt der Affaire beinahe einen komischen Anstrich, obwol ein Bombay-Journal ganz ernsthaft versi cherte, daß „beispielloses Hängen, Ersäufen, Niedcrschießcn und Nicdermctzeln" die erste Pflicht Englands gegen die Rebellen von Delhi ist, und daß „ein Galgen hoch über den königlichen Palast erhoben, der König daran zuerst gehängt, sodaß die Great Exhibition rund herum vom ganzen Lande ge sehen werden sollte". Vorläufig bedankt sich das indische Journal (es ist die Bombay Times), daß „die in Lahore lebendig abgefangcncn Indier, 250 an der Zahl, hintereinander gehängt oder erschossen wurden". Um auf Delhi zurückzukommcn, so sind Details im Ueberfluffe über den Stand dcr Dinge vorhanden. Jedenfalls scheinen die Gefechte am 1., 2. und 15. Aug. die ernstesten gewesen zu sein. Die Rebellen glauben wahrscheinlich, daß sie ihre überwiegende Anzahl zu fortwährenden kleinen Angriffen anwcnden und so die Europäer nach und nach aufreiben werden; aber die Ankunft der Verstärkungen unter General Nicholson hat dcr Affaire eine andere Wendung gegeben, und wenn es auch noch nicht zur Einschließung des Platzes gekommen ist, so ist doch die defensive Stellung der Engländer stark genug geworden, um sich vor Delhi behaupten und die Laufgräben eröffnen zu können. Seit dem Beginn der (sogenannten) Belagerung Del his sind S8 Offiziere daselbst gefallen. Wir fügen noch einige Notizen aus den anglo-indischcn Blättern bei. Bei der mehrmals erwähnten Explosion in Delhi sollen 15,000 Pf. Pulver zugrunde gegangen sein. Eine andere Explosion soll in Jodhpore stattge- fundcn haben, wo der Blitz den Pulverthurm des Königs traf. 900 Men schen wurden thcils getödtet, theils verwundet, und der angerichtete Scha den wird auf 1 Mill. Pf. St. geschäht. Wir haben mehrmals gehört, daß Agra fest aushalte. Es wird jetzt berichtet: „Die Meuterer aus Nee- much und Nusserabad, welche den Ort eine zeitlang bedrohten, haben sich gegen Delhi zurückgezogen und in der ganzen Umgebung ließ sich kein Feind blicken. Es wird indessen berichtet, daß die Meuterer aus Indore, welche Gwalior erreicht hatten, nach Agra zu vorrückten. Für die Sicherheit des Fort ist trotzdem Niemand bange. Die Nachrichten aus' Kalkutta in den Bombay-Blättern erwähnen von Sir Colin Campbell nur, was schon die vorige Post erwähnt halte, daß er nämlich in Kalkutta angckommen ist. In Madras hatte die Meuterei des 8. Cavalerieregiments eine sehr un heimliche Stimmung hcrvorgeruscn. Wie die Bombay Gazette erzählt, hatte sich das Regiment freiwillig zum auswärtigen Dienst gemeldet und war schon auf dem Marsche nach Madras. 26 Meilen vor dieser Stadt verlangte es plötzlich eine Zusicherung derselben Löhnung und Pension, wie sie die Seapoys vor 1857 gehabt hatten. Die Offiziere geriethen in die peinlichste Verlegenheit; aber einige von ihnen eilten per Eisenbahn nach Madras voraus und brachten, die Nachricht zurück, daß die Negierung von Madras für die Bewilligung der verlangten Zulage sich verbürge. DaS Corps märschirte dann weiter bis Poomamallee, 15 Meilen von Madras, und da kam die Wahrheit heraus. Sic wollten unter gar keiner Bedin- gung weitermarschircn, und sie wollten sich nicht zum Krieg gegen ihre eigenen Landsleute gebrauchen lassen. Zum Glück kamen im rechten Mo ment zwei Kanonen und einige Artilleristen an und mit ihrer Hülfe nahm man den Ungehorsamen die Pferde, Pistolen, Zündhütchen und Patronen weg und ließ ihnen blos die Säbel, wozu, wissen wir nicht. In Madras herrschte die unangenehmste Aufregung. Den Freiwilligen wurde bedeutet, daß sie jeden Augenblick zum Dienst bereit sein müßten. Patrouillen ziehen Tag und Nacht durch die Straßen. Der Regierungsplatz ist von Artillerie umgeben und sicht wie ein Lager aus. Auf der Südseite des Fort gegen die muselmanische Vorstadt Taiphicane zu find Mörser ausgestellt. Aber Madras ist so weitläufig gebaut, daß das allgemeine Gefühl dcr Unsicher heit sich nicht verlieren will. —-Zwei Indo-Briten, welche früher Nena Sahib näher gekannt ha ben, geben in dcr Times ausführlichere Notizen über seine Person. Hier nach ist derselbe jetzt ein Mann von ungefähr 55 Jahren, der aber viel älter aussicht. ,,Von Gestalt ist er sehr corpulent, hat ein rundes Gesicht und ein unruhiges, glänzendes Auge von wildem und unheimlichem Aus druck. Seine Farbe ist, wie bei den meisten eingeborenen Vornehmen von hoher Kaste, nicht dunkler als die eines Südspaniers." Im Ganzen machte er den Eindruck eines jovialen, ja überlustigcn Charakters, dcr aber, wie sich's nun zeigt, unter dieser Maske sowie unter seiner dienstfertigen Freund lichkeit gegen die englischen Offiziere, mit denen er in vielfachen gesellschaft lichen Beziehungen stand, cinen grimmigen Haß und tödtliche Rachsucht verbarg. Seine Beschwerde, auf die er im Gespräch mit höhergcstcllten Eng ländern oft zurückkam, war, daß ihm die Ostindische Compagnie die Pen sion des verstorbenen Pcischwa entzogen, auf die er als dessen Adoptivsohn Anspruch zu haben glaubte. Ein Corporal des in Indien stehenden 84. englischen Infanterieregi ments schreibt nnterm 11. Aug. an cinen Kameraden: „Lieutenant San ders von unserm Regiment ward vor den Radscha Nena Sahib gebracht. Er zog seinen Revolver, erschoß fünf von den Leibwächtern Nena Sahib's und verfehlte den Radschah mit dem sechsten Schuß. Darauf ward er gekreuzigt und auf den Boden gelegt. Die ganze Reiterei ritt hierauf an ihm vorüber, und jeder einzelne Reiter führte einen Hieb auf ihn, sodaß er förmlich in Stücke gehauen wurde. Der Teufel selbst würde von Ent setzen befallen werden, wenn er das Haus beträte, in welchem 250 arme Weiber und Kinder aufs grausamste abgeschlachtct wurden. Alle ihre Klei der waren zerfetzt, sogar das Haupthaar war ihnen ausgerissen und die Körper auf das gräßlichste zerhackt und verstümmelt worden." — Die Times vom 5. Oct. veröffentlicht eine telegraphische Depesche, welche die Negierung dcr Präsidentschaft Bombay aus Punah unterm 51. Aug. (Punah liegt in dem zur Präsidentschaft Bombay gehörigen Be- zirke Anrungabad, am Zusammenflüsse dcr Ströme Mula und Muta; die Einwohnerzahl wird auf 120,000 Seelen geschätzt) erhalten hat, und die Nachrichten aus Cawnpore bis zum 18. Aug. sowie aus Lucknau bis zum 14. Aug. bringt. Am 16. Aug. war General Havelock 12 englische Mei len weit von Cawnpore mit den Aufständischen zusammcngcstoßen nnd hatte ihnen zwei Kanonen genommen. Zn Lucknau war die Cholera ausgebro chen. Im Uebrigcn stand Alles gut. China. Aus China sind in Paris Depeschen des französischen Geschäftsträ gers eingetroffen, welche die Aussicht auf eine gütliche Verständigung mit dem Hofe von Peking als ganz illusorisch darstellen sollen, indem-derselbe entschieden jede Unterhandlung mit den europäischen Mächten zurückweise. «Königreich Sachsen. Dresden, 3. Oct. Das Dresdner Journal berichtet: „Se. königl. Hoh. der Kronprinz ist heute früh 4 Uhr nach Berlin gereist." — Bei der in Bautzen am 1. Oct. stattgcfundenen Landtagswahl für den 25. bäuerlichen Wahlbezirk wurde der Gutsbesitzer Friedrich Wil helm Beeg in Wiesa bei Kamenz zum Abgeordneten und der Erbgcrichts- besitzer Jakob Peter Ziesch in Nauslitz zum Stellvertreter gewählt. - ^-Zwickau, 4. Oct. Heute Nachmittag kurz vor 2 Uhr brannten an der Werdauer Straße neun in einer Reihe stehende Scheunen. Fast zu gleicher Zeit standen sie sämmtlich in Flammen, und die Glut war so stark, daß an Rettung nicht gedacht werden konnte; man suchte nur die andern dort befindlichen Scheunen zu sichern. Dcr ziemlich starke Wind trieb die Flammen glücklicherweise von diesen hinweg; doch entzündete sich ein gegen 150 Fuß von der Brandstelle entfcrntstehender Zimmerschuppcn mit be deutenden Holzvorräthen, der in Richtung des Windes gelegen war. Die Scheunen, hiesigen Bürgern gehörig, brannten mit allen Getreidevorräthen und den darin aufbewahrten Wagen, Schlitten, Pflügen und Eggen gänzlich nieder.