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L0l4 halt daselbst zielt auf nichts weiter als auf de»^ Schuh des Kirchenfürsten ab. Der Abbruch der diplomatischen Verbindung mit Neapel beweist die kaiserliche Entrüstung vor einer Willkürherrschaft und eine glühende Leiden schaft für Freiheit und Recht, und der EinigungSdranK, welchen man in den Donanfürstenthümern zeigt, hat keinen andern Grund als die Sorge für das Wohlergehen der beide» rumänischen Staaten. Kurz, das.LosungS- wort des neuen, großmülhigen Frankreich im Gegensatz zu de« alten ist: „Nichts für sich und Alles für Andere"; es sucht keine andere Größe als zu beglücken, und keinen andern Ruhm als sich aufzuopsern. In diesem Sinne fangen jetzt die kaiserlichen Zungen und Federn zu sprechen und zu schreiben an. Aus der Nothwendigkeit eine Tugend machen, ist ein uralter Kniff; wie viel aber.auf eine solche Tugend zu bauen ist, hat noch kein Architekt zu berechnen vermocht. Man erzählt sich in den obcnanstehcndcn Kreisen, daß die Unterredung oder, besser gesagt, , die Unterredungen der bei den Kaiser in Stuttgart (denn cS haben zwei längere Unterredungen statt gefunden) ein großes, des Jahrhunderts würdiges Ergcbniß geliefert; es wäre nämlich von den beiden Monarchen in der wünschenswcrthestcn Ueber- einstimmung beschlossen worden, aus allen Kräften und überall in Europa und anderswo Krieg zu verhüten, auf alle Verhältnisse versöhnend und ans gleichend einzuwirken, um den Friedenswerkcn der Kunst, Wissenschaft und Industrie eine ungestörte Entwickelung zu sichern. Und als Mittel zu die sem ruhmwürdigen Zweck wären die beiden Herrscher übereingekommen, ein oberstes europäisches Gericht ins Leben zu rufen, durch welches über alle internationalen Streitfragen, welche unsern Wcltthcil betreffen, im Osten und Westen, im Süden und Norden, entschieden werde. Der Gedanke ist nicht neu, ist zu wiederholten malen, schon vor der Existenz des Friedens- congresses und vor Emile de Girardin, ausgesprochen und anempfohlen wor den, und soll von Napoleon III. als Seitenstück der thatsächlich aufgelösten Heiligen Allianz ausgestellt worden sein. Dieser seltsame Plan, welcher sich in der Theorie so vielvcrhcißend und so glänzend ausnimmt, wird von den Politikern als gänzlich fruchtlos und seiner eigentlichen Tendenz nach als unausführbar angesehen, da er keine andere Bestimmung habe, als die letz ten Spuren der Heiligen Allianz zu verwischen. Wie die Heilige Allianz, sagen die Zweifler an der beabsichtigten Einrichtung, nicht im Stande war, den Sturz der ByurbonS, den Abfall Belgiens von Holland und Griechen lands von der Türkei zu verhüten, weil sie selbst bei allen Weltercignissen intercssirt und den verschiedenen Völkeranlicgcn gegenüber gctheilt war, ebenso müsse es mit dem europäischen Schiedsgericht kommen, das doch ebenfalls durch die Großmächte vertreten würde. Auf diese Friedensneigung, welche Frankreich zu erkennenzugcben wünscht, gründet sich das Gerücht von der Zu sammenkunft der beiden Kaiser Franz Joseph und Napoleon. Man sagt, daß dieser hierüber gegen den König von Württemberg habe einige Worte fallen lassen. Wie ernst cs übrigens mit dieser Friedcnsneigung gemeint ist, geht besonders aus der Haltung hervor, welche die kaiserliche Regierung der dänisch-holsteinischen Angelegenheit gegenüber beobachtet. Denn was auch in- und ausländische Zeitungen dagegen sagen mögen, wir glauben uns in der Lage, mit allem Nachdruck wiederholen zu können, daß sich das Tuilericncabinet- entschieden auf die Seite Dänemarks gestellt har. Es wird versichert, daß sich der Kaiser der Franzosen der Königin von Griechenland gegenüber von großer Freundlichkeit gezeigt und ihr Zusagen seiner Unter stützung bei Gelegenheit der Erbschafts- und anderer Verwickelungen ge macht habe. — Die Nachrichten aus China lauten insofern ungünstig, als sich der Oberhcrr des Ewigen Reichs durchaus nicht zu Conccssionen be wegen und den Streit mit England der Entscheidung durch das Schwert überlassen will. Frankreich werde, wenn der Kaiser von China bei diesem Widerstande beharre, sich gezwungen sehen, mit England verbunden bewaff net ciiizuschreitcn; es sollen daher Befehle an den französischen Gesandten am chinesischen Hofe abgcgangcn sein, welche diesem auftragen, neue Ver suche zu machen, um eine friedliche Ausgleichung hcrbcizuführen. — Der Moniteur meldet, daß in Betreff der Sundzollablösung in Kopenhagen ein Arrangement getroffen worden sei. Frankreich wird in 40 halbjährigen Terminen die jedesmalige Summe von 124,415 Fr. zahlen. Großbritannien. Aus London vom 3. Oct. wird berichtet: „Die ersten Truppen, welche über Suez den Ueberlandweg nach Indien nehmen werden, sind abge- segelt- Das Maß für die Rekruten ist reducirt worden. Neue 10,000 Mann Milizen werden eingcklcidet werden. Nach hier eingcgangenen Nach richten auS Kalkutta hat Lucknau sich am 14. Aug. noch gehalten. — Aus Lissabon wird gemeldet, daß das Gelbe Fieber sich daselbst wenig auSge- breilct habe." Dänemark. Kopenhagen, 2. Oct. Vier Vorsteher der Bauernfreunde haben eine Adresse an das Volksthing cingegeben. Da die Cabinetc von Wien und Berlin sowie die holsteinischen Stände die Gesammtstaalsverfassung nicht als rechtlich bestehend anerkennen, so wird die Negierung ersucht, die Verfassung aufzuheben und, mit Bezugnahme auf die früher vom Reichs tage genommenen Reservationen bei Beschränkung des Grundgesetzes vom 5. Juni 1849, das frühere dänische Grundgesetz wieder in Kraft treten zu lassen. (Hamb. C.) Rußland. Ueber Stettin wird aus Petersburg der Lübecker Zeitung ein furcht bares Unglück berichtet, welches der Sturm, der vom 21. bis 23. Sept, im Finnischen Meerbusen wüthete, veranlaßt hat. Ein von Reval ausge- gangcnes russisches Linienschiff ist unweit der Insel Hogland gekentert, ohne daß die in der Nähe befindlichen Schiffe von den 13—1500 Menschen, welche am Bord waren, einen einzigen retten konnten. Die Besatzung bestand aus 1000 Mann, wovon etwa 150 mit Familien; Alle hatten bisher in Reval gewohnt und waren im Begriff, mit dem Schiff nach Kronstadt übcrzusiedeln. Do na «fürste nth um er. Die beendigten walachischen Wahlen sind ebenfalls im unionisti- schcn Sinn ausgefallen. Der moldauische Divan tritt am 4. Oct., der walachischc am 8. Oct. zusammen. Nach dem pariser Constitutionnel sind von den Wahlen in der Walachei 23 für und 5 gegen die Union. Türkei. Wir lesen im Journal de Constantinople vom 23. Sept.: „Zwei rus sische Kanonenboote von der im Pariser Vertrage angegebenen Größe sind hier angekommen, um sich nach dem Schwarzen Meere und von dort nach der Donau zu begeben. Die drei letzthin angckommenen russischen Corvetten haben die Weisung erhalten, sich an die abchasischen Küsten be- Hufs der Handhabung einer Blockade infolge des Kriegs zwischen den Russen und Tscherkesscn zu begeben." Amerika. Walker macht aus seinen neuen Projeclen kein Gehcimniß mehr. Einer seiner Agenten, Capitän Key, hat in einem tcxicanischen Blatte fol genden Aufruf erlassen: „ES wird hiermit bekannt gemacht, daß der Un terzeichnete beauftragt ist, cine Auswandercrcompagnie für den General Walker anzuwerben, welcher die Absicht hat, an der Spitze von mindestens 5000 Mann im Beginn des Monats October von Ncuorleans nach Ni caragua abzugehen. , Alle Jene, welche sich diesen Ansiedlern anzuschließen gedenken, können dies, indem sie mich vom 26. —50. Sept, in Gonzales besuchen. Die künftigen Auswanderer haben sich auf ihre eigenen Koste» nach Neuorlea»s zu begeben; dort angclangt, übernimmt das Colonisations- comite die Deckung aller ihrer Ausgaben und die Kosten ihrer Ueberfahrt auf dem bereits gcmiethcten Dampfer. Jene, welche in die reichen Gegen den Nicaraguas auszuwandern wünschen, werden wohlthun, sich zeitig zu melden, da die Wahl der Loose im Vcrhältniß zu der Anmeldungszcit er folgt. Ich werde seinerzeit die erfolgten Ernennungen von Offizieren kund- macheu." Das Cabinet von Washington scheint diesen Jnvasionsversuchen, welche zwar die Ausdehnung der Herrschaft der Vereinigten Staaten zu fördern geeignet sind, mit den Gesetzen strenger Neutralität aber sich schwer vereinbaren lassen, keine Hindernisse in den Weg legen zu wollen. Da gegen ist die Negierung von Costa-Rica auf ihrer Hut und keineswegs ge sonnen, den Freibeutern mit offenen Armen entgegenzugehen- Sie stellt das Unternehmen der Piraterie gleich und droht alle Theilnehmer als Räu ber behandeln und hinrichten zu lassen. Ostindien. London, 2. Oct. Zahlreiche und interessante Privatbriefe aus Bombay circulirten die letzten Tage in unsern Clubs und Geschäftsloca- litäten, und wir verzeichnen den hauptsächlichsten Inhalt in Folgendem: Kein Europäer in Bombay und Madras glaubt an .die Treue der einge borenen Truppen; denn alle Anzeichen eines baldigen Ausbruchs sind vor handen. In allen Militärstationen verständigen sich die Offiziere gegenseitig theils brieflich, theils mündlich, um im Unglücksfalle sich und ihre Frauen zu retten. Die Meuterei mehrer Regimenter hat die Nothwendigkeit dieser Maßregeln unumstößlich fcstgestcllt, obwol man wissen will, daß in Kola- Hore, Belganum, Sattara rc. wieder Ruhe herrschen soll. Diese Versiche rungen konnten den panischen Schrecken nicht mindern. Man sucht Weiber, Kinder und die öffentlichen Kaffen in Sicherheit zu bringen, und es thun dies gerade Jene, welche am "meisten empfehlen, vertrauensvoll dem Kom menden cntgcgenzusehcn. Jedenfalls treiben sich bereits mehre Jnsurgenten- bandcn in der Stärke von 5—800 Mann in der Präsidentschaft Bombay herum, die jedem Kampfe sorgfältig ausweichen und es darauf abgesehen zu haben scheinen, sich mit neuen Rebellen zu verstärken. Auch erfuhr man in Bombay, daß ein Ausbruch unter den Moplatis erfolgte, cine Nachricht, die nicht unerwartet kam, weil man den Fanatismus der Mohammedaner der Malahabar-Provinzen kennt. In Madras verursachte die Emeute des 8. Cavalcrieregiments die größte Aufregung. Das Frciwilligencorps der Europäer, allerdings nur aus 200 Mann bestehend, versammelte sich sofort und patrouillirtc bei Tag und Nacht durch die Straßen, und alle Vorbe reitungen zur Vertheidigung der Stadt nach außen und innen wurden ge troffen. Die Negierung war zuerst darauf bedacht, sich mit Kanonen und Bayonncten zu umgeben; die Wälle des Forts wurden mit Mörsern be setzt rc. Doch würde Madras nicht zu halte» sein, wenn ihm irgendeine ernste Gefahr drohte. Die europäischen Truppen sind sehr schwach und wür den dem Andrange der zahlreichen Muselmanen nicht widerstehe» können. Es wird Alles davon abhängen, ob die Ansteckung in Madras und Bom bay weiter umsichgrcift oder nicht. In, letzter« Falle halten militärische Au toritäten in Indien dafür, daß die Jnsurrection trotz aller Schwierigkeiten bezwungen wird; denn vor Allem ist cs die „militärische Unfähigkeit der Rebellcnführer", welche den Sieg zur Hälfte erleichtert. Auch fechten nur wenige Rebellencorps mit einigem Muthe, und das Lager von Delhi hätte schon lange erstürmt worden sein müssen, wenn sie mit dem Bayonnet an gegriffen hätten. Ein uns vorliegender Privatbricf eines Stabsoffiziers aus Bombay schildert die Lage der Dinge in sehr trüben, Licht?. Er behauptet, daß zum tiefen Bedauern des Generals Sir John Campbell nichts für die Belagerten in Lucknau, Agra und einen, halben Dutzend anderer Plätze gerhan werde,;, könne, bis „gegen Mitte November" ein Theil der engli-