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bürgerlichen Welt, jener .Entwertung aller Werte' litt, die der Imperialismus herbeigeführt hatte. In seinem Werk erscheinen denn auch zunächst einmal in ganz auffälligem Maße Bilder des Schreckens und Grauens, der Verzweiflung und Seelennacht gequälter, gejagter Menschen, so wie besonders in der ins Riesige gesteigerten und dabei tragisch-erschütternden 6. Sinfonie. Das Leid zahlloser Mitmenschen leidet er mit; er empfindet die Auflösungserscheinungen einer ganzen Epoche und insbesondere der bürgerlichen humanistischen Kultur, und er empfindet auch die Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Gefühlskälte, Gleich gültigkeit, so wie er sie im Wien von damals um sich hatte" (E. H. Meyer). Speziell muß für die 6. Sinfonie auch die unmittelbare Entstehungszeit berücksichtigt werden: die Tätigkeit des Komponisten als Wiener Opern direktor neigte sich bereits ihrem Ende zu, und die damit im Zusammenhang stehenden verbitternden Kämpfe, die auf seine Gedanken und Stimmungen selbstverständlich nicht ohne Einfluß blieben, mögen hier ihren Niederschlag gefunden haben; zudem ist denn wohl auch viel intim Persönliches aus Mahlers Leben in die Sinfonie eingegangen. „Kein Werk ist ihm so unmittelbar aus dem Herzen geflossen wie dieses. Wir weinten damals beide, so tief fühlten wir diese Musik und was sie vorahnend verriet. Die .Sechste' ist sein allerper sönlichstes Werk", schrieb seine Gattin Alma dazu. Demgegenüber muß aber auch deutlich herausgestellt werden, daß die tragische Grundhaltung der 6. Sinfonie keinesfalls als abschließendes Bekenntnis des Komponisten zu werten ist, der im Grunde durchaus kein Pessimist war, sondern für den das Leben immer lebens-, immer kämpfenswert blieb. Bereits in seiner nächsten, der 7. Sinfonie, fand er wieder zu sieghafter Überwindung der dunklen Mächte, und bezeichnenderweise ist die „Sechste" überhaupt die einzige seiner Sinfonien, die derartig resignierend beschlossen wird. In seinem formalen Aufbau ist das eine ungemeine Verfeinerung des musikali schen Ausdrucks aufweisende Werk traditionell viersätzig und nicht wie andere Mahler-Sinfonien in Abteilungen gegliedert. Wesentlich erscheinen die stark erweiterte Thematik und die vielfältigen thematisch-gedanklichen Verbindungen zwischen den einzelnen Sätzen. (Hierbei sei vor allem das charakteristische symbolische „Motto" der Sinfonie erwähnt, das in Gestalt eines kurzen „Leit motivs", des nach a-Moll absinkenden A-Dur-Dreiklangs, an entscheidenden Stellen auftritt und das gewaltsame Niedergedrücktwerden symbolisieren soll.) In bezug auf die riesigen orchestralen Mittel, die Mahler wiederum einsetzte, um seine geistigen Intentionen zu verdeutlichen, wird sogar gegenüber der 5. Sinfonie noch eine Steigerung erreicht; vor allem kommt ein besonders großes Aufgebot von Schlaginstrumenten (u. a. Rute, Holzklapper, Herdenglocken, Hammer) zur Anwendung. Ein Allegro energico bildet den ersten Satz. Aus Marschrhythmen entwickelt sich das Hauptthema von trotziger Entschlossenheit, dann erklingt zum ersten mal als Trompetenmotiv das bereits genannte „Motto" der Sinfonie. Nach einem choralartigen Seitensatz in F-Dur wfird das leidenschaftliche zweite Thema (mit dem der Komponist Alma porträtieren wollte) vorgetragen. Auf dem Höhepunkt der dramatischen, erregenden Durchführung, in der das thematische Material überaus kunstvoll verarbeitet wird, erreicht plötzlich ferner Glockenklang unser Ohr. „Es ertönen inmitten wilder Leidensausbrüche für einen Augenblick vertraute Klänge von Bergesseligkeit und Weltenferne (,wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual'). Sirenenhaft lockende Vorstellungen von Gelöstheit und Freiheit nehmen Gestalt an von .Freiheit' — in Einsamkeit auf Alpengipfeln — zauberhaft in ihrer Tonwelt, in ihrer für Mahler ja fast sprichwörtlichen, unerhört diffe renzierten Orchesterbehandlung, mit hochgelegenem Streicherpianissimo, Her denglocken, pastoralen Hornrufen: ein ergreifend musiziertes .Verweile doch, du bist so schön' - doch nur, um alsbald noch abgrundtieferem Leid, noch rasenderem Kampf Platz zu machen. Denn er weiß wohl von der Kurzlebigkeit solcher Trugbilder in einem tobenden Meer brutaler Wirklichkeit" (E. H. Meyer). Erneut beginnt in der Reprise das erbitterte Ringen; doch hier erscheint der Kampf noch nicht als aussichtslos: in strahlendem A-Dur schließt der Satz mit gewaltigen, sieghaft-triumphalen Klängen. Der zweite Satz, ein typisches Mahlersches skurril-bizarres Scherzo mit dämo nisch-fantastischen Zügen, dessen Thema aus einem Paukenrhythmus entsteht, zeugt wieder von größter seelischer Zerrissenheit und Zerklüftung. Auch ein Teil mit Triocharakter, „Altväterisch, grazioso" überschrieben, trägt trotz schlichter, volks liedhafter Thematik durch seltsam schwankende Dynamik und unsteten Wechsel zwischen 3 /g- und 4 / g -Takt (womit übrigens das „arhythmische Spielen der bei den kleinen Kinder" wiedergegeben werden sollte, „die torkelnd durch den Sand laufen") zu dieser Haltung des düster verklingenden Scherzos bei. In stimmungsmäßigem Kontrast zu den vorausgehenden Sätzen wird im folgen den, in Es-Dur stehenden pastoralen Andante mit kantablen, zum Teil etwas elegischen Melodien ein Bild scheinbaren inneren Friedens gezeichnet. Ungeheure Steigerungen und Höhepunkte bringt endlich das gigantische, monumentale Finale, der eigentliche Kernsatz der Sinfonie. Nach einer mäch tigen Sostenuto-Einleitung und der nacheinander erfolgenden Aufstellung des äußerst vielfältigen thematischen Materials werden in diesem sehr umfang reichen, größte Anforderungen an den Hörer stellenden Satz, der besonders mit dem ersten Satz durch thematische Beziehungen verknüpft ist (Marschrhythmen, Choral, „Leitmotiv"), in der riesenhaften Durchführung — es handelt sich dabei im Grunde um drei Durchführungen - gewaltigste Kämpfe und Auseinander setzungen voll stärkster Kraftentfaltung ausgetragen. Doch diesem wahrhaft erbitterten, heroischen Ringen und Aufbegehren ist kein Sieg beschieden; zweimal gebietet ihm ein symbolisch aufzufassender wuchtiger Hammerschlag Halt. Dann iist die Widerstandskraft endgültig gebrochen, und in Resignation und dumpfer Hoffnungslosigkeit klingt das Werk aus. VORANKÜNDIGUNGEN: Montag, den 17. November 1975, 20.00 Uhr, Steinsaal des Deutschen Hygiene-Museums Dresden 1. SONDERKONZERT KONZERT DES PHILHARMONISCHEN CHORES DRESDEN Werke von Bach, Haydn, Mozart, Koddly, Orff und Bräutigam Kammerchor und A-cappella-Chor des Philharmonischen Chores Dresden Leitung: Hartmut Haenchen Am Klavier: Herwig Saffert Freier Kartenverkauf Sonnabend, den 29. November 1975, 20.00 Uhr, Freier Kartenverkauf Sonntag, den 30. November 1975, 20.00 Uhr, AK (J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solistin: Cecile Ousset, Frankreich, Klavier Werke von Mozart, Liszt und Beethoven Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1975/76 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,7 T. ItG 009-80-75 »Inillnamnomie^ 2. PHILHARMONISCHES KONZERT 1975/76