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Nr. 219 IS. September 1857 Deutsche MMeiue Zeitung «-Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» Preis für das Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzetue Nummer 3 Ngr. Zu beziehen durch alle Postämter des In- unv Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Sonnabend. tOpiPzib Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des GonNtagS täglich Nachmit tags für den folgenden Tag. JnsertionSgebühr für de» Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Preußen, t Berlin, 17. Sept. Von Wien wird gemeldet, daß in nächster Zeit ein österreichischer Diplomat in einer besonder» Mission nach Kopenhagen werde gesandt werden. Wi« man hört, ist hier von einer solchen beabsichtigten außerordentlichen Sendung des wiener Cabincts noch nichts bekannt. Eine Andeutung in dieser Beziehung soll das hiesige Cabinet noch nicht erhalten haben. Allem Anschein nach ruht die Angele genheit hier wie auch in Wien, bis das dänische Eabinet sich über den Beschluß der holsteinischen Ständeversammlung ausgesprochen hat. Dieses Abwarten der Entwickelung wird vielfach angefochten, indem hervorgchoben wird, daß mit der von der dänischen Regierung durch den Entwurf des holsteinischen VerfassungsgesctzcS eingenommenen Stellung einerseits und den von den Ständen Holsteins gefaßten Beschlüssen andererseits die Si tuation so klar und bestimmt gezeichnet sei, daß ein längeres Warten nur alS ein« Eoneession an Dänemark erkannt werden könne. -«-Der Kaiser voN Rußland hat gestern auf der Anhaltischcn Bahn Berlin verlassen. Der russische Gesandte am preußischen Hofe, Baron v, Brunkow, ist dem Kaiser Alexander nach Weimar und Darmstadt ge folgt. Er wird, wie die «Zeit» hört, in 14 Tagen wieder nach Berlin zu- rüÄehren. Die Weimarer Zeitung berichtet aus Weimar vom 17. Sept., daß der Kaiser von Rußland am. 16. Sept. Abends 10 Uhr daselbst eingSttoffen Uttb nach einstündigcm Aufenthalt am größhcrzoglichen Hofe nach Darmstadt weitergercist sei. -^Berlin, 16. Sept. In der heutigenAbcndsitzung der Versammlung von evangelischen Christen stand auf der Tagesordnung: Berichte g) über die biblischen Länder und die Türkei; b) die Donaufürstenthümer. Ein Bericht de- Predigers l)r. Schauffler wird von dem Prediger Schlims vor gelesen. Die Türkei gehe am Koran zugrunde. Schon lange stehe der Koran in dem alten Ansehen nicht mehr. Die Türken tränken Wein, und mehr noch gebe ihnen der Umstand zu denken, daß es christliche Mächte gewesen seien, die den Großherrn im letzten Kriege gerettet. Der Minister dcS Auswärtigen, ja der Padischah selbst habe von dem amerikanischen Ge sandten eine Bibel angenommen. Wie sehr der neue Hattischerif dem We sen des alten Türkenthums cnlgcgenstehe, brauche wol nicht erst noch gesagt zu werden. An eine konsequente Ausführung des Hattischerif sei fürs erste wol noch nicht zu denken; aber das Tansimat mache die Ausführung doch möglich, und die Hauptsache sei für jetzt doch vor allem die, daß der Hatti scherif überhaupt haben erlassen werden können. Die Verbreitung der Heiligen Schrift, die man mit Eifer lese, habe außerordentlich zugcnommcn. Die mohammedanischen Priester sehnten sich zu Hunderten danach, das Evan- gelittm, wie jetzt heimlich, so auch bald offen zu bekennen. Man vergleiche die Bestimmungen des Korans mit der Lehre des Evangeliums, und man finde oft 36—-10 Türken vereinigt das Evangelium lesen. Mit einem Wort: Der Sauerteig sei am Gähren. Die slawischen Türken in Bulga rien und Bösnien nehmen das Wort Gottes mit besonderer Freude auf. Für die Albanesen werde das Neue Testament jetzt in ihrer Landessprache gedruckt. Was von der englischen Bibelgesellschaft in. dieser Beziehung ge schehe, möge unter Andcrm auch daraus hervorgehcn, daß sich, für die Tür kei, in diesem Augenblick wieder 90,000 Exemplare der Bibel im Druck befänden. Die Hoffnungen auf die Türkei seien die besten. Prediger Dwight aus Konstantinopel: von Konstantinopel, Smyrna und acht andern Städten der Türkei bringe er, seitens der dortigen Christengemeinden, Briefe an die Versammlung. Redner gibt hierauf eine Darstellung von der Lage der Protestanten in der Türkei, die jetzt kaum noch etwas zu wünschen übriglasse. Die von der armenischen Geistlichkeit früher so häufig angezettelten Verfolgungen seien jetzt kaum noch möglich. In der Türkxi gebe eS jetzt 20 protestantische Kirchen mit organisirten Gemeinden; protestantischer Gottesdienst werde in mehr als 100 Orten gehalten und betkagen die eingeschriebenen Gemeindcmitgliedcr über 5000. Cs seien aber noch viel mehr Protestanten vorhanden als eingeschrieben seien. Das pro testantische MifffoNSpersonal bestehe aus 125 Personen. Der Redner legt bei dieser Gelegenheit eine soeben fertig gewordene Bibel, sowie auch einen Psalter 'and ein Gesangbuch in neuromanischer Sprache vor. Die Nach frage nach diesen Büchern sei so groß, daß die Missionen das sich kUNd- gedende Bedürfuiß kaum befriedigen könnten. Anknüpfcnd an die eben be merkte Zahl« der itt der Türkei vorhandenen protestantischen Kirchen bemerkt der Redner, daß viel mehr Kirchen vorhanden sein würden, wenn nur Geld vorhanden wäre. Die Versammlung möge darum den anwesenden armenischen Geistlichen, welcher im Begriff stehe, für seine Gemeinde eine Kirche zu machen, unterstützen. Was die Ausführung des Hattischerif betreffe, so bemerkt der Redner beispielsweise, daß gegenwärtig in Konstan- tinoopel das Evangelium sogar von einem früher« Türken, der jetzt eine wahre Zierde des ChristenlhumS sei, offen und frei gepredigt würde und > daß alle Ncclamation türkischer Familien an die Obrigkeit, um ihre getauf- ! ten Familiengliedcr mit Gewalt zum Mohammcdanismus zurückzuführen, unbeachtet blieben. Der Redner führt mehre derartige cclatante Fälle aus der jüngsten Zeit an, und schließt aus allem Diesem, daß es der türkischen Negierung mit der Aufrcchthaltung der religiösen Freiheit wirklich Ernst sei. Groß seien die Erfolge der Mission, was Konstantinopel selbst betreffe, zwar noch nicht, cs sei aber das Beste zu hoffen. Unter den Inden in Kon stantinopel sei die Mission in gleicher Weise thätig, namentlich auch durch Unterricht an die Kinder. Prediger l)i-. Ring aus Athen: Die Griechen stieN ein sehr religiöses, aber abergläubisches Volk. Sie hätten einen großen Marien» cultus, verwürfen übrigens das neue päpstliche Dogma von der unbefleck ten Empfängniß. Sie glaubten an die Inspiration der Heiligen Schrift und an die Dreieinigkeit. Die Sündhaftigkeit des Menschen bekennten sie, glaubten aber, daß die Taufe von der Erbsünde reinigt. Die Vermittelung durch Zcsum Christum glaubten sie, nähmen auch die heiligt Jungfrau zu Hülfe. Sie glaubten ferner die göttliche Einsetzung des PrirsteramtS und behaupteten, daß die apostolische Nachfolge sich allein und ausschließlich in der griechischen Kirche befinde. Der Redner knüpft hieran «ine Darstel lung des vorzüglichen Standes dcS griechischen Schulwesens. Die Otto- Universität zu Athen sei sehr besucht; talentvolle junge Leut« studirten auf Kosten der Negierung im Auslande. Dazu komme di« freie Presse, die ungehinderte Circulation der Bibel ic. An all dieser Entwickelung habe die protestantische Mission ihren großen Antheil, und es sei denn in der That auch das Beste in Bezug auf Griechenland zu hoffen. Wie Paulus könne man von den Griechen sagen; daß sic dürstend nach Weisheit seien. Es sei Alles vortrefflich vorbereitet, und der Tag werde kommen, wo über Griechenland, in dessen herrlicher Sprache das Evangelium geschrieben sei, ein großes Licht leuchten werde. Mit Segenswünschen für den König von Preußen, der die Evangelische Allianz unter seinen hohen Schutz genommen, schließt der Redner. Heuser aus Elberfeld bringt Grüße von der dortigen Brüdergemeinde. Er freut sich über den Evangelischen Bund, dem cs um die Fundamentalwahrheiten des Evangeliums zu thun sei, und der den con- sessioncllen Streitigkeiten ein Ende machen wolle. Prediger Hoffmann aus Speier bringt Grüße der Protestanten in der Pfalz. Schließlich fodert der Redner zu Beiträgen für die aus dem Rctscherplahe zu Speier zum An denken an die Protestatio» von 1529 zu erbauende protestantische Kirche auf. Der Präsident, Prediger Kuntze, bemerkt, daß das Comitö des Evan gelischen Bundes zur Entgegennahme von Beiträgen für die Retscherkirche bereit sei. Prediger van der Linden bringt Grüße aus Holland. Nach Ge sang und Gebet wird die Sitzung sodann geschlossen. -j-Berlin, 17. Sept. I» der heutigen Vormittags- und vorletzten Sitzung der Versammlung von evangelischen Christen auS allen Ländern stand auf der Tagesordnung: „Der wahrscheinliche Einfluß, welchen die Ver- einigung deutscher und britischer Christen auf wissenschaftlichem und reli giösem Gebiete auszuübcn vermag/' Prediger Cairns aus Berwick upcn Twend. Hierauf »och Berichterstattung über die kirchlichen Zustände ver schiedener Länder. Mit Gesang und Gebet wird die Sitzung cingeleitct. Prediger Cairns: Die Allianz sei nicht aufgeblasen; sie glaube nicht, daß sic auf wissenschaftlichem und religiösem Gebiete nun der tragende Factor sein werde; sie betrachte sich nur als einen kleinen Theil in der Entwicke lung des Ganzen. In theologisch-wissenschaftlicher Beziehung könne aller dings Manches geschehen, wenn Männer, welche beider Sprachen, der deut schen und englischen, mächtig, sich verbänden. Das theologisch-journali stische Feld liege fast noch ganz brach. Das beiderseitige Studium der resp. Sprächen müsse darum ernstlich gepflegt werden. Die englische Theologie habe von dem deutschen Scharfsinn die größten Vorchcile zu erwarten, und schon aus diesem Grunde hätten die Gegner der Allianz sich eines Andern besinnen sollen. Auch Deutschland werde seinen Vorthcil haben durch die wechselseitige Umbildung und Durchdringung des Geistes. Deutschland spc- culire, England gehe von praktischen Resultaten aus. Leider seien in Deutsch land untergeordnete dogmatische Fragen vielfach der Hauptbestandlheil der Theologie geworden. Hier auszugleichc», zu vermittel», zu einigen sei Aufgabe der Allianz. Es komme darauf an, daß die zerstreuten lebendigen Kräfte der Kirche endlich einmal ihren Schwerpunkt fänden, um demnach eine Theologie zu schaffen, bei welcher die Fundamcntalpunkte eben die Haupt sache seien. In religiöser Beziehung würden die Folgen der Allianz gewiß segensreich sein. Die Wohlthätigkcit sei in England oft sporadischer Na tur, und die so schön organisirte Innere Mission in Deutschland stehe darum als großes Beispiel da. Die in Deutschland noch so vielfach ver nachlässigte Sonntagsfeicr finde in den Bestrebungen des deutschen Kirchen tags Besserung, und das Beispiel Englands werde weiter von gutem Ein fluß sein. Gleichgültigkeit, schnöde Gewinnsucht re. finde man leider in