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Revolutionären wie Michail Bakunin und August Röckel, veröffentlichte u. a. poli tische Artikel und setzte beim Dresdner Maiaufstand 1849 mutig seine Existenz und sein Leben aufs Spiel. Nach dem Scheitern des Aufstandes mußte er, steck brieflich verfolgt, aus Sachsen flüchten und wendete sich nach der Schweiz. In der Dresdner Zeit entstanden und hier auch als letzte Wagner-Oper am 19. Oktober 1845 uraufgeführt (u. a. mit des Meisters Nichte Johanna Wagner als Elisabeth und der großen Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient als Venus) ist Wagners Romantische Oper „Tannhäuse r". „In dieser Oper geht es nicht etwa um liederliche Verirrung einerseits und .Wartburg-Moralität' andererseits“, stellte Hans Pischner fest. „Sinnenlust und Seelenfriede, Reinheit und Genuß sind hier vielmehr Gleichnisse für gesell schaftliche Erscheinungen. Tannhäuser (Wagner) findet in der bloßen Sinnen- haftigkeit des Venusberges, der die moderne Welt symbolisieren soll, kein Genüge. Aber die Wartburg mit ihrer feudal gebundenen, blutleeren Mora lität, diese höfische Welt der Konvention ist ebenso unbefriedigend. Die Ouvertüre, nach Liszt ,das Gedicht über denselben Gegenstand wie die Oper', veranschaulicht das Dilemma Tannhäusers, den Kampf der beiden Tendenzen in seiner Brust mit großer Bildhaftigkeit. Sie beginnt mit dem Pilger chor, der an uns vorüberzieht. Als der Gesang kaum verhallt ist, erheben sich berückende Klänge voller Sinnlichkeit und zauberischer Verführung: Der Venus berg kündet sich im Sirenenruf an. Immer verführerischer, werbender werden die Klänge (Verführungsmoliv der Venus), bis sie im Preislied des Tannhäuser gipfeln. Die Motive des Venusberges und des Tannhäuser umschlingen sich. Ein Feuerwerk des sinnlichen Taumels glitzert und glänzt. Rasch ebbt der Sturm ab. Der Pilgerchor setzt erneut ein, diesmal heilverkündend, sich zum großen Hymnus steigernd. Die ,rein menschliche Liebe' der Zukunft, wie sie Wagner sieht, hat gesiegt." Als der wegen seiner Teilnahme an der Revolution steckbrieflich gesuchte Wagner 1849 aus Dresden fliehen mußte, fand er in der Schweiz Asyl und begegnete jener Frau, der er entscheidende Schaffensimpulse verdankte, jedenfalls zu „Tristan und Isolde" und „Die Meistersinger von Nürnberg": Mathilde Wesendonk. Während seines Züricher Asyls hatte Wagner Freund schaft mit dem vermögenden Kaufmann Otto Wesendonk und seiner dreizehn Jahre jüngeren Frau geschlossen. Den Hauptwunsch des Komponisten, eine ruhige Wohnung für sich allein als Stätte ungestörter Arbeit zu gewinnen, erfüllte Otto Wesendonk, der ihm im Februar 1857 ein kleines Landhaus neben seiner Villa mit Ausblick auf See und Gebirge, das „Asyl auf dem grünen Hügel", einräumte. Im August 1857 bezogen die Wesendonks ihr Haus neben Wagners „Asyl", so daß nun der Meister und Mathilde Wesendonk in engster Nachbar schaft lebten. Die zunächst nur freundschaftlichen Bindungen zu dieser schwär merisch veranlagten, künstlerisch tief empfindenden Frau verwandelten sich bald in eine leidenschaftliche Liebe, die jedoch nach harten inneren Kämpfen in schmerzlicher Resignation ausklingen mußte. In einem Brief an seine Schwester Kläre vom 20. August 1858 berichtete Wagner über sein Verhältnis zu Mathilde Wesendonk: „Was mich seit sechs Jahren erhalten, getröstet und namentlich auch gestärkt hat, an Minnas Seite (seiner ersten Frau), trotz der enormen Differenzen unseres Charakters und Wesens, auszuhalten, ist die Liebe jener jungen Frau, die mir anfangs und lange zagend, zweifelnd, zögernd und schüch tern, dann aber immer bestimmter und sicherer sich näherte. Da zwischen uns nie von einer Vereinigung die Rede sein konnte, gewann unsere tiefe Neigung den traurig wehmütigen Charakter, der alles Gemeine und Niedere fernhält und nur in dem Wohlergehen des anderen den Quell der Freude erkennt. Sie hat seit der Zeit unserer ersten Bekanntschaft die unermüdlichste und fein fühlendste Sorge für mich getragen und alles, was mein Leben erleichtern konnte, auf die mutigste Weise ihrem Manne abgewonnen . . . Und diese Liebe, die stets unausgesprochen zwischen uns blieb, mußte sich endlich auch offen enthüllen, als ich vorm Jahre den .Tristan 1 dichtete und ihr gab . . . Doch wir erkannten sogleich, daß an eine Vereinigung zwischen uns nie gedacht werden dürfe: somit resignierten wir, jedem selbstsüchtigen Wunsche entsagend, litten, duldeten, aber — liebten uns! —" über sein Musikdrama „Tristan und Isolde" (1859), das ganz aus persönlichem Erleben herauswuchs, schrieb Wagner u. a.: „Mit . . . Zuversicht versenkte ich mich . . . in die Tiefen der inneren Seelenvorgänge und gestaltete . . . aus diesem intimsten Zentrum der Welt ihre äußere Form. Aller Leben und Tod, die ganze Bedeutung und Existenz der äußeren Welt hängt hier allein von der inneren Seelenbewegung ab." Wagners „Hypertrophie der Empfindsamkeit", seine individualistisch-psychologische Tonsprache, die aufs feinste seelische Em pfindungen und Regungen nachspürt, hat in diesem Werk unbestreitbar ihren Höhepunkt erreicht. „Innerer Seelenbewegung", unstillbarer Liebessehnsucht ver leiht auch das instrumentale Vorspiel zu „Tristan und Isolde" Ausdruck, das Wagner selbst folgendermaßen deutete: „Tristan führt als Braut werber Isolde seinem König und Oheim zu. Beide lieben sich. Von der schüchtern sten Klage des unstillbaren Verlangens, vom zartesten Erbeben bis zum furcht barsten Ausbruch des Bekenntnisses hoffnungsloser Liebe durchschreitet die Empfindung alle Phasen des sieglosen Kampfes gegen die innere Glut, bis sie, ohnmächtig in sich zurücksinkend, wie im Tode zu verlöschen scheint . . ." Das flehend-drängende Sehnsuchtsmotiv, das vielfach abgewandelt wiederholt wird, steht am Beginn des Vorspiels. Seine Chromatik, seine „seufzerischen Vorhalte", seine mehrdeutige, zerfließende Harmonik bei wenig ausgeprägter Rhythmik ist typisch für den „Tristan"-Stil. „Isoldes Liebestod", der Schluß des Musikdramas, der vorwiegend auf Motive aus dem zweiten Akt (Liebestod-Motiv und Motiv der Liebesentzückung) zurückgreift, gibt gleichsam die Antwort auf die Frage der unstillbaren Sehnsucht des Vorspiels: „Was das Schicksal trennte, lebt nun verklärt im Tod auf; die Pforte der Vereinigung ist geöffnet, über Tristans Leiche gewahrt die sterbende Isolde die seligste Erfüllung des glühenden Sehnens, ewige Vereinigung in ungemes senen Räumen, ohne Schranken, ohne Banden, unzertrennbar . . .!" (R. Wagner) Wagner hat dem Vorspiel seiner Oper „Die Meistersinger von Nürn berg" (1867), mit der er eine deutsche Volksoper von echter Volkstümlichkeit ge schaffen hatte, selbst eine Erläuterung gegeben: „Die Meistersinger ziehen in feierlichem Gepränge vor dem Volke in Nürnberg auf; sie tragen in Prozession die Jeges tabulaturae', diese sorglich bewahrten altertümlichen Gesetze einer poeti schen Form, deren Inhalt längst verschwunden war. Dem hochgetragenen Banner mit dem Bildnis des harfespielenden Königs David folgt die einzige wahrhaft volkstümliche Gestalt des Hans Sachs. Seine eigenen Lieder schallen ihm aus dem Munde des Volkes als Begrüßung entgegen. Mitten aus dem Volke entnehmen wir aber den Seufzer der Liebe, er gilt dem schönen Töchterlein eines der Meister, das, zum Preisgewinn eines Wettsingens bestellt, festlich geschmückt, aber bang und sehnsüchtig seine Blicke nach dem Geliebten aussendet, der wohl Dichter, aber nicht Meistersinger ist. Dieser bricht sich durch das Volk Bahn; seine Blicke, seine Stimme raunen der Ersehnten das alte Liebeslied der ewig neuen Jugend zu. — Eifrige Lehrbuben der Meister fahren mit kindischer Gelehrt tuerei dazwischen und stören die Herzensergießung; es entsteht Gedränge und Gewirr. Da springt Hans Sachs, der den Liebesgesang sinnig vernommen hat, dazwischen, erfaßt hilfreich den Sänger, und zwischen sich und der Geliebten gibt er ihm einen Platz an der Spitze des Festzuges der Meister. Laut begrüßt sie das Volk; das Liebeslied tönt zu den Meisterweisen. Pedanterie und Poesie sind versöhnt. .Heil Hans Sachs!" erschallt es mächtig."