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1582 Hannovcr. Stade, 30. Juli. Auf ein Schreiben von Hannover hin, nach welchem unter den hiesigen fremden Maurergesellen eine ver botene Verbindung stattfindcn sollte, wurden hier von der Polizcidircction Nachforschungen angestellt. Schon 1854 wurden hier einige fremde Mau rergesellen wegen jener Verbindung bestraft, und^man glaubte hiermit diese Verbindung in hiesiger Stadt ausgerottcl zu haben, die sich über ganz Deutschland verbreitet und 38 Städte umfaßt; aber man hatte sich geirrt, denn bei angestellten Nachforschungen sand man bei den Maurergesellen Karl Burghard aus Leipzig, Ernst VaSmer aus Oldenburg im Holstein- schen, Christian Körner aus Verden und August Bätje aus Burg bei Magdeburg auf jene Verbindung bezügliche Documente, und so standen dieselben heute vor Gericht, wo sie aber leugneten, Mitglieder einer sol. chen Gesellschaft zu sein, sowie sie denn auch auf eine höchst unwahr scheinliche Art in den Besitz der fraglichen Documente gekommen sein wol- len. Das Gericht hält sich von der Schuld der Bezichtigten überzeugt und verurtheilt einen Jeden zu 4 Thlrn. Geldstrafe, eventuell zu vier Ta gen Gefängniß. (Hann. C.) Baden. Karlsruhe, 5. Aug. Den einzelnen Truppenabtheilungen des großhcrzoglichenArmeccorpS ist folgende allerhöchste Eröffnung vom 31.Juli zugcgangen: „Die freudige Thcilnahme meines Armeecorps bei der geseg neten Geburt des Erben meines Throns, des Erben meiner treuen Trup pen macht mir erwünscht, beim Fest der Taufe dcS Erbgroßherzogs Zeugen von allen Truppenabtheilungen zu schen, und ich befehle: Es haben sich am 9. Aug. d. I. sämmtliche activcn Generale und die Kommandanten der Regimenter, der selbständigen Bataillone, der Pionniercompagnie und des JnvalidencorpS mit je einer aus allen Chargen ihrer unterstellten Ab- theilungen gebildeten Deputation in meiner Residenz einzufinden." Thüringische Staaten. Aus Schwarzburg-Sondershausen, 31. Juli. Die Neactionsmaschine steht bei uns noch nicht still, und zwar sind es diesmal die volkswirthschaftlichen Interessen, welche sie unter ihre Schere nimmt. In dieser Hinsicht ist cs besonders der Land mann, der kleine Gutsbesitzer, dem das Recht der freien Verfügung über seinen Besitz, der natürlichste und wohlthätigste Ausfluß der menschlichen Persönlichkeit, erschwert wird. Er soll vielmehr nach der eben ergangenen Verfügung dem zwangweiscn Tausche seines Besitzes (der sogenannten Ar- rondirung) unterworfen sein, wenn auch nur der Besitzer einer Domäne oder eines Ritterguts darauf anträgt, wogegen die durch nachmärzliche Gesetzgebung -»gelassene Thcilung des Besitzes (Zerschlagung) namhaften Beschränkungen unterworfen wird. Hingegen ist eine andere, für weitere Kreise interessante, weil den Ncalcrcdit sehr fördernde, Verordnung die, daß mit dem Schlüsse des Jahres 1856 alle stillschweigenden Hypotheken erlöschen. (H. N.) Oesterreich. 2 Wien, 6. Aug. Die Frage dec Vereinigung oder Nichtvercinigung der Donaufürstenthümer ist in den letzten Wochen wieder sehr in den Vordergrund getreten und dürfte der Diplomatie noch manche harte Kämpfe verursachen. Es ist schwer, sich aus dem tollen Wirr warr verschiedenartiger Berichte über den jetzigen Stand der Frage, seitdem der antiunionistische Ausfall der moldauischen Divanswahlen bekannt ge worden, rin richtiges Bild zusammcnzustellen. Ist gegen diese Wahlen pro- testirt worden oder soll dagegen protestirt werden? Wird die Pforte nach- gebcn und sie annulliren? Hat Frankreich eine energische Nole an die Pforte gerichtet? Haben die übrigen Mächte sie mitunterschricbcn? Ward darin die Absetzung des Fürsten Vogorides verlangt? Und vor allem, welche Stellung nimmt Preußen bei diesen neuesten Agitationen ein? In diesen Fragen möchten die wichtigsten Phasen der Angelegenheit, auf deren Ent wickelung man gespannt ist, angcdeutet sein. Daß Frankreich und Rußland mit dem Resultate der moldauischen Wahlen nicht zufrieden sind, ist gewiß, daß sie dagegen Protest erheben wollen, sicher, daß sie aber keinen erheben würden, wenn die Wahlen im Sinne ihrer Vereinigungspolitik ausgefallen wären, unzweifelhaft. Demnach müssen dieselben durch den unbequemen Fürsten Vogorides beeinflußt worden sein, und zwar ärger als im Lande Frankreich, wo sie bekanntlich weder annullirt noch beanstandet worden sind. LrZo muß Fürst Vogorides, falls er eigenmächtig gehandelt, abgesetzt wer den; wenn nicht — so ist Frankreichs Ehre beleidigt! Das ist die neueste Logik Frankreichs, dies das jüngste Paradepfcrd, welches Ludwig Napoleon, ein gewandter Reiter, Europa vorreitet! Die Nachricht der bereits erfolgten Ucbergabe eines Protestes bei der Pforte hat sich indessen noch nicht bcstä- tigt. Nur der Moniteur hat mit unvergleichlicher Ruhe wieder eine seiner berüchtigten jassyer Correspondcnzen losgelassen, und der kleinere Donner deS Pays und der Patrie hat nachgegrollt. Aber in Konstantinopel hat Hr. v. Thouvey,el der Pforte erklärt, daß er angewiesen sei, die diplomatischen Verbindungen mit ihr abzubrechen, falls der beleidigten französischen Ehre keine Gcnugthuung würde. Versteht sich, war das nur ein Schreckschuß; aber die Pforte ist darin noch etwas unerfahren, und er hat seine Wirkung gethan. Reschid-Pascha trat sein Ministerium deS Aeußern an Ali-Pascha ab, der die Pforte bekanntlich auf dem Pariser Friedenscongreffe vertreten hat und für franzosenfrcundlich gilt. Nach den neuesten Nachrichten soll dieser denn auch bereits Hrn. v. Thouvenel daS Versprechen gegeben haben, eine genaue Untersuchung in der Moldau über den Verlauf der Wahlen und den Einfluß, den sich der Kaimakam darauf erlaubt, anstellen zu wol len. Das Alles wäre nun freilich beunruhigend, wenn in der That der antiunionistische Ausfall der Wahlen nur ein durch künstliche Mittel erzeug ter wäre. Das ist er aber nicht, und man kann positiv versichern, daß, wenn auch diese Wahlen annullirt werden, die nächsten ziemlich dasselbe ! Resultat geben werden, abgesehen von den Erfolgen, die «ine erneute fran- ! zösisch-russische Agitation in der Zwischenzeit etwa erzielen möchte; denn die Moldau hat keine Lust, sich selbst politisch zu vernichten und unter die Herr- schast der Walachei bringen zu lassen. I — Au- Prag, Ende Juli, wird der angSburger Allgemeinen Zeitung ge schrieben: „Dieser Tage hat hier in der deutsch-evangelischen Kirche der k. k. Consistorialrath und Armeefeldprediger beider evangelischen Consessionen in Italien, Or. Karl Taubner, auf seiner auch Hierlands alljährlichen Dienstes- und MissionSreise für daS glaubenSverwandte k. k. Militär aus allen Truppenabtheilungen den jährlich einmal üblichen Got tesdienst mit Spendung deS Heiligen Abendmals in deutscher, magyarischer und slawischer Sprache auf die erhebendste Weise abgehalten. Die Of fiziere sowol wie die Mannschaft wohnten demselben mit gespannter Auf- mcrksamkeit und tiefer Andacht bei. Vielleicht ist er der begabteste Theolog und der ausgezeichnetste Kanzelredner der evangelischen Kirche in Oesterreich. Möge der auch in den italienischen Feldzügen treu bewährte Seelenhirt zur Ehre und zum Wohl seiner großen Gemeinde, seiner Kirche und der k. k. Armee noch lange segensreich wirken!" — Das Mainzer Journal schreibt: „Auch in diesem Jahre wird in Oesterreich die Generalversammlung der Katholischen Vereine stattfin dcn. Da nämlich die Erwartung, den Verein in Köln tagen zu sehen, sich am 31. Juli noch nicht verwirklicht hatte, so Hal der Vorort zu Linz die neunte Generalversammlung der Katholischen Vereine nach Salzburg aus geschrieben, wo dieselbe am 21., 22., 23. und 24. Sept, stattfinden wird." — Das Reichenberger Wochenblatt schreibt: „Ein Seitenstück zu dem be kannten saazer Magistratserlaß bildet nachstehende, aus dem nordöstlichen Böhmen stammende gemeindeamtliche Entscheidung, welche ihren Ursprung dem Einschreiten eines Israeliten, Namens L. V., verdankt, dessen reli giöses Gefühl dadurch verletzt zu werden scheint, daß andere Israeliten den in M. an einem Sabbath abzuhaltenden Jahrmarkt beziehen wollen, und der deshalb an das betreffende Gemeindeamt daS Ansuchen stellte, den Israe liten zu verbieten, daß sie am Rosenkranzfest-Jahrmarkt, welcher zufällig j dieses Jahr auf einen Sonnabend fällt, irgendeine Feilschaft ausbicten, weil dadurch der Sabbath entheiligt würde. Diese Entscheidung lautet wörtlich wie folgt: Herr L. B. in M. Nr. S. In Erledigung Ihres Ansuchens vom 14. Juli 1857 um Erlassung einer Kundmachung, daß am heurigen m—ner Rosenkranzfeste, wel ches auf einen Sabbathfeiertag fällt, keinem Israeliten erlaubt werde, eine Feil schaft auszubieten, noch weder einen Handel daselbst zu treiben, wird Ihnen auf Grundlage der Acußerung des löblichen Pfarramts zu M. vom 17- Juli 1857 be deutet, daß dieses Ansuchen, auf religiösem und billigem Grunde beruhend, bei fällig und lobend anerkannt werden muß, und daß, zumal irdische Zwecke religiösen Rücksichten immer nachstehen sollen, das der Sabbathfeier widerstrebende, Ansinnen einiger vom Interesse geleiteter Israeliten zum Aergerniß der Bessergesinnten füh ren muß. Ferner ist kein politisches Gesetz bekannt, welches den Israeliten den Sab- bathhandel freispricht und freigibt, und von jeher am Wallfahrtsfeste, wenn cs auf einen Samstag fiel, die Israeliten zurückblicben, ihr Zurückbleiben dem Handel der Christen nicht nur nicht Eintrag, vielmehr Vortheil brachte, so ist dieser Neuerung, da dieselbe keinen RcchtSgrund fürsichhat, mehr hindernd zu begegnen als sie zu unterstützen, und es wird den handelnden Israeliten bedeutet, daß cs bci den alten Ueblichkeitcn zu verbleiben habe. Gemeindeamt M-, 18. Juli 1857. N. N., Bür germeister. Der sonderbarste von allen Syllogismen in diesem bürgermeisteramt lichen Erlaß scheint uns derjenige zu sein, daß, «weil kein politisches Gesetz bekannt ist»*), welches den Juden den «Sabbathhandcl» freigibt, angenom men werden müsse, daß denselben ohne weiteres zu verbieten sei, am Sab bath Handel zu treiben. Es kommt uns dies gerade so vor, als wenn man behaupten wollte, darum, weil durch kein politisches Gesetz die Erlaubniß ausgesprochen wird, sich bci gewissen Vorgängen seinen Theil zu denken, das Denken selbst gesetzlich verboten sei. Bemerkenswerth bleibt übrigens immerhin der Feuereifer, mit welchem das m—ner Bürgermeisteramt der Aufrechthaltung mosaischer Glaubenssatzungen in Berücksichtigung «der Bes sergesinnten» zu Hülfe kommt." Fra« kreich. L Paris, 5. Aug. Hier glaubt man im Allgemeinen an die baldige Ein nahme von Delhi durch die Engländer, und in kommerziellen Kreisen zeigt man sich deshalb um Vieles beruhigter. Briefe aus London, welche hierherge langen, enthalten Angaben der überraschendsten Art in Bezug auf die Hal tung Lord Palmerston'S in der indischen Krisis. Es wird in diesen Schrei ben, welche von ebenso eingeweihten als achtbaren Personen herrühren, ver sichert, daß der englische Premier jetzt in dem für England schwierigen Au genblick zum ersten male Altersschwäche blicken läßt, daß ihm jetzt zum ersten male die erfoderliche Energie, die Ruhe und Festigkeit deS Geistes den Dienst versagen. Es zeigt sich, daß die Fähigkeiten des Ministers, der nun ein hal bes Jahrhundert lang im Staatsdienst wirkt, um ein Bedeutendes nachge lassen haben und nicht der großen Aufgabe des Augenblicks gewachsen sind. Besonders das Gedächtniß und die Besonnenheit des edeln Viscount haben durch die fortdauernden Anstrengungen und die Uebermühung gelitten, und seine College« im Amte sehen sich gezwungen, diesen Mängeln nachzuhcl- fen, um unheilvolle Folgen für das Land zu verhüten. In einem der er wähnten Briefe wird aufs bestimmteste versichert, daß, wenn Lord Palmer ston nicht die Seele des jetzigen Cabincts wäre und sein Austritt nicht einen *) Da das Hofdecret vom 5. Jan. 1782 dem Gemeindeamt M. nicht bekannt ist, so nehmen wir den Inhalt desselben hier wörtlich auf: „Der Judenschaft wird gestattet, gleich den Christen zu Marktzeiten in den Städten sowol bei Lag als b« Nacht (also auch an Samstagen) wohnen (also auch handeln) zu dürfen."