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Sonntag. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Sonntag« täglich Nachmit tag- für den folgenden Tag. Preis für das Vierteljahr l^, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. - Nr. 166 — IS. Juli »8S7 Deutsche Allgemeine Zeitung. -Wahrheit o»d Recht, Freiheit und Gesetz I- Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Au«lande«, sowie durch die Vrpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). ZnsertionSgebübr für den Raum einer Zeile 2 Rgr. Deutsch!« «d Ans dem Süden, 15. Juli. Immer wieder tauchen neue Gerüchte von einer Zusammenkunft des Kaisers Napoleon mit dem Kaiser Alexander auf. Dieselben nennen jetzt Kisjingen als den Ort de-Stell dicheins und deuten zugleich, in allerdings sehr mystischer Weise, auf „neue Allianzen" hin. Jedenfalls bereiten sich, vorerst hinter den Couliffen, gar mancherlei Dinge vor, welche die politischen Gestaltungen wesentlich verändern und dem nächsten Jahrzehnd folgenschwere Entwickelungen Vorbehalten wer den. Die Ergebnisse der französischen Wahlen und die revolutionären Vor gänge in Italien haben, wie cs scheint, die Stimmung dcS französischen Herrschers verdüstert und den Wunsch in ihm frisch belebt, den russischen Selbstherrscher persönlich kennenzulernen. Vielleicht reichten die Fäden der Mazzinistischen Umtriebe bis nach Pari- und haben ihre Verbindungen in England. Alle diese Dinge waren jedenfalls nicht geeignet, auf die Be- ziehungen zwischen Frankreich und England günstig einzuwirken. An son stigen Differenzpunkten fehlt es ohnehin schon lange nicht mehr. Bereits hat da- officiöse Pays in einer Weise aus der Schule' geschwatzt, die höchst beachtenSwerth ist. Hiernach ist eine über Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, die Schweiz rc. verzweigte revolutionäre Partei sogar an dem Ausfall der pariser Wahlen schuld und England der eigentliche revo lutionäre Herd. Nur Rußland allein ist noch wenig bedroht. Es soll da her von Seiten Europa- die Foderung an England ergehen, die politischen Flüchtlinge au-zuliefern, von Seiten Frankreichs aber Nationen, die in der vollständigsten Ruhe leben und die das revolutionäre Element nur als eine ausländische Sache betrachten, von der sie nicht heimgesucht werden können, eine ausrichtige Allianz der Absichten und Ideen, ein großes Ensemble ho mogener Handlungen, zur Bewahrung der Völker vor der Revolution in mitten der moralischen Unordnungen der modernen Zeiten, vorgeschlagcn werden. Unter diesen Nationen sind offenbar zunächst die russischen ge meint, und wir haben jetzt für rin französisch-russisches Bündniß neue Grund lagen vor Augen, während die Stützpunkte deS französisch-englischen Bünd nisses, wie sie nach den öfter» Erklärungen deS französischen Kaisers (z. B. noch in der Thronrede vom 16. Febr. 1857) mit den gemeinsamen Be strebungen für die Interessen der Menschheit und der Eivilisation gegeben waren, gelockert erscheinen. Wir halten eine nähere Zukunft nicht für uu- möglich, in der die absolutistischen Principien vorherrschen und in einem großen Ensemble homogener Handlungen sich allcrwärts fühlbar machen werden. Auch solche Erfahrungen können vielleicht der Welt in Zeiten nicht erspart werden, welche sich al« UebergangSperioden erweisen, und noch immer kam der Sonnenschein nach dem Regen. Jedenfalls wird eS an Versuchungen im absolutistischen Sinne nicht fehlen, und wir wollen nur wünschen und hoffen, daß sie die deutschen Staaten nicht in ihr verhäng- ! nißvolles Bereich ziehen werden. Kaiser Napolon III. dürste übrigens — ! so will es uns wenigstens bedünken — ahnen, daß er seinen Höhepunkt be reits erreicht habe. Sicherlich fehlt es nicht an mannichfachen Anzeichen für eine solche Wendung. — Der Allgemeinen Zeitung schreibt man auS dem Großhcrzoglhum Hes sen vom 15. Juli: „Wie man nun vernimmt, kamen die Kaiser Alex ander und Napoleon vorgestern auf deutschem Boden in der Nähe von Strasburg zusammen." Frankfurt a. M., 16. Juli. Der -Zeit» schreibt man über die Entschlüsse Preußens und Oesterreichs in der Angelegenheit der Herzog- thümer: „Wie man vernimmt, sind in der Herzogthümerfrage die In structionen für die Gesandten Preußens und Oesterreichs eingetroffen. Die beiden Höfe haben sich über die von ihnen der letzten dänischen Note vom 21. Juni gegenüber einzunchmende abwartende Stellung vollständig geei nigt. Diesen Charakter tragen auch die nach Kopenhagen «nterm 6. Juli erlassenen Antwortschreiben; wie bereits die Frankfurter Postzeilung gestern bemerkte, bildet nicht der Ausdruck der Befriedigung und des Vertrauen- die Substanz derselben; man erachtet es jedoch dem Interesse der Herzog- thümer für entsprechender, bei dem nahe bevorstehenden Zusammentritt der holsteinischen Ständeversammlung die Vorlagen der dänischen Regierung und die Erklärungen der letztem abzuwarten, da nur auf diese Weise der sichert Boden eines stgtus ouuss« et oontroversiso gewonnen werden kann, dessen Feststellung für den demnächstigen Bundesbeschluß vor allem nothwendig erscheint. Ob die dem Bunde grundgesetzlich zustchrnde Ent scheidung erfoderlich sein wird, das wird von dem Resultat der im näch sten Monat beginnenden Verhandlungen zwischen der dänischen Regierung und den holsteinischen Ständen abhängen; jedenfalls aber waltet hier der feste Wille ob, eine deSfallsige Beschlußnahme möglichst zu beschleunigen, und wird daher die Bundesversammlung die jährliche Vertagung, welche nach der Geschäftsordnung in die Monate Juli bis Octobcr fällt, diesem Gesichtspunkt entsprechend bemessen. Wie man hört, wird dieselbe in der nächsten Woche beginnen und sich bis Mitte October ausdehnen, da vor diesem Zeitpunkt schwerlich die Herzogthümerfrage zur Spruchreife gelangt." Preußen, —i Berlin, 17. Juli. Schon seit dem 6. Juli ist es entschieden, daß die Einberufung der holsteinischen Stände und das Verhalten der dänischen Regierung gegen deren Wünsche abgewartet wer- den soll. In diesem Sinne find an dem genannten Tage die Antworten der beiden deutschen Großstaaten auf die Nole vom 24. Juni abgcgangcn. In gleichem Sinne sind die Bundestagsgesandteu Preußens und Oester reich- in Frankfurt instruirt worden. Die Bundestagsfcrien werden nun unverzüglich beginnen, damit die Sitzungen beizeiten, d. h. in der Mitte des Monat- October, wieder eröffnet werden können. In dieser Zeit glaubt man würde der 8tstu8 oontiov6i8ino zwischen Dänemark und Deutschland soweit sich offengelegt haben, daß man ihn der Bundesversammlung ver legen könnte. -j-Atts der Provinz Sachsen, 17. Juli. Der Aufruf, welchen nam hafte Männer aus Stadl und Land kürzlich von Halle aus erlassen, da« Jubiläum der glorreichen Schlacht bei Roßbach unter Andcrm auch durch Gründung einer Unterstützungskasse für bedürftige Veteranen unserer Provinz zu feiern, findet hier überall lebhaften Anklang. Außerdem ist in Weißenfels ein Comite zusammengetrctsn, welches sich die Aufgabe gestellt hat, zur Erinnerung an jenen berühmten Sieg Friedrich's des Großen rin patriotisches Fest zu veranstalten. Wie man hört, gedenkt man auch in Gotha, wo bekanntlich Seidlitz noch vor der Schlacht seinen „lustigen Ueber- sall" ausführte, den 5. Nov. festlich zu begehen. Baiern. Aus der Pfalz, 15. Juli. Die in diesen Tagen von Speier gemeldete Nachricht, daß die Quiescirung des Pfarrers Schmitt zurückgcnommen sei, sowie die, daß von der Vorlage des Gesangbnch- entwurfs in der nächsten Generalsynode Umgang genommen werden solle, entbehren, nach einer neuern Mittheilung der Pfälzer Zeitung, jeder Be gründung. Die Diocesansynoden, welche über den Gesangbuchentwurf zuerst b^ri'hen und ihr Unheil abgeben sollen, werden in allen Dekanaten am 26. Juli zusammentreten. Württemberg. ^Stuttgart, 17. Juli. vr. Schnitzer, Rc- dacteur des Beobachter, zeigt an, daß er, „anderer dringender Geschäfte halber", zur Besorgung dieses BlattS vorerst für daS laufende Halbjahr und nach Umständen auch über die Dauer des nächst bevorstehenden Land tags einen Stellvertreter suche, welcher die in der königlichen Verordnung vom 7. Jan. 1856 bezeichneten Eigenschaften (namentlich Rechts- und Cau- tionsfähigkeit) besitzt, um die Verantwortlichkeit der Redaction übernehmen zu ckönncn. Bei den gegenwärtigen Preßvcrhältniffen Württembergs und bei der eigenthümlichen journalistischen Stellung, die der Beobachter ein- nimmt, dürfte sich ein solcher Stellvertreter nicht leicht finden lassen. Hannover. ^Hannover, 16. Juli. Die Frage, ob die Kirchen- und Schullasten dingliche oder persönliche seien, ob also namentlich Der- jenige, welcher in einer Kirchen- und Schulgemeinde mit einem Grundstück angesessen ist, aber nicht persönlich dieser Gemeinde angehört, doch zu de- rcn Bestem beisteuern müsse? Diese Frage ist überall, wo sie noch aufge worfen worden, im Interesse der Schule und Kirche, für die erste Alter native entschieden worden. So mußten Katholiken zu den protestantischen, Protestanten zu den katholischen und Juden zu den protestantischen und ka tholischen Schul, und Kirchenlasten beitragen, ohne irgendwelchen Nutzen von diesen Instituten zu haben und ohne Rücksicht darauf, ob sie durch eine solche Steuer sich etwa in ihrem Gewissen verletzt fühlten. Bei uns wurde bisher diese Frage stets im Wege der Verwaltung, und zwar in dem angegebenen Sinne entschieden. Eine Ausnahme davon machte nnserS Wissen- di« Verwaltung nur vor einigen Jahren in Bezug auf die wegen ihres wohlfeilen Verkaufs an den Minister v. Lüicken vielberusene Elbinsel Kahlesand. Hr. v. Lütcken weigerte sich für diese Insel zu den Schul- und Kirchenlasten der betreffenden Gemeinde beizusteuern, und die Regierung fand diese Weigerung gerechtfertigt. Doch da« war ein vereinzelter Fall. Viel wichtiger ist, daß jetzt sowol das Obergericht in Osnabrück und daö Otcrappellalionsgerichl in Celle einen gleichen Fall in gleicher Weise ent schieden und damit ein Präjudiz ausgestellt hat, dat hoffentlich und vor aussichtlich für die ganz« Frage wenigstens in unserm Land« entschtidrnd und auch für die Rechisanschauung über diese Materie in andern deutschen Ländern nicht ohne Rückwirkung bleiben wird. Für den Bestand mancher Kirchen und Schulen, namentlich in den Landestheilen mit einer Bevölke rung von verschiedenen Confessionen, ist freilich die Entscheidung der Ge richte nicht ohne Gefahr. Aber es ist doch rin Sieg deS vernünftigen und auch des wahrhaft historischen Reckt«, daß Institute, welche nur für einen Theil der politischen Gemeinde bestehen, auch von diesem Theile, aber nicht auf fremde Kosten erhalten werden. — Für die Hcraostimmung des politi schen Lebens scheint man daS Land durch Forderung der materiellen In-