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Sonnabend. - Nr ISS II. Juli I8S7 Die Zeitung erschein! mit Ausnahme de« Sonntags täglich Nachmit tags für den folgenden Tag. Preis für da« Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Mgemiue Zcitiiilg. .Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» Zn beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Srpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnserttonsgebübr für den Naum einer Zeile 2 Ngr. Deutschla«- Preuß^'n. t Berlin, 9. Juli. Man hege hier wenig Hoffnung, daß die deutsch-dänische Angelegenheit bereits binnen kurzem dem Bunde zur Entscheidung vorgelcgt werden wird, zumal die Ferien des Bun des bevorstehen. Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß die sich Heraus siellende Aussicht auf eine abermalige Verzögerung in dieser Sache wenig günstig auf die hiesige Stimmung wirkt. Man hatte vorausgesetzt, daß den beiden deutschen Großmächten nach ihrer Auslegung der dänischen Er klärung vom 13. Mai nur die sofortige Vorlage der Streitfrage beim Bunde übrigbleiben werde. — Die Erklärung Lord Palmerston's, daß die eng lische Regierung gegen den von Hrn. Lesseps beabsichtigten Suezkanal- bau sei (Nr. 158), hat hier, wo das großartige Unternehmen viele Theil- nahm« erweckt hat, unangenehm überrascht. Bekanntlich hat Hr. Lesseps bedeutende hiesige Personen für den Suezkanalbau cinzunehmen gewußt. Auf Grund der von der betreffenden Commission vorgenommenen Untersu chungen hat sich dieselbe für die unmittelbare Verbindung des Nöthen und Mittelmeers ausgesprochen, da sich unübersteigliche Hindernisse gefunden ha ben, den Kanal auf Alexandrien zu führen, wie es früher in Absicht stand. Ein direeter Kanal von Suez nach dem Golf von Pelusium ist von der Commission al- die einzige Lösung deS Problems der Verbindung des Rothen und Mittelmeers erkannt worden, zumal sich ganz unerwartete Erleichte rungen für die Anlage eines Hafens im Golf von Pelusium darbieten. Wie gewaltig auch die Vortheile sein mögen, welche aus diesem mit etwa 200 Mill. Fr. Kosten verknüpften Kanalbau dem Gesammthandcl der Welt erwachsen würden, so ist die Hoffnung der Verwirklichung des Baus durch das von England offen eingelegte Veto jedenfalls sehr erschüttert. Wie hier, dürfte diese Wahrnehmung leider überall gemacht werden. Greifswald, 6. Juli. Der unglückliche Ausgang eines am 4. Juli früh zwischen zwei Studenten (einem Juristen und einem Mediciner) hier siattgehabten Pistolenduells macht viel von sich reden. Der Mediciner, welcher seinen Commilitonen einer unbedeutenden Ursache wegen gefodert haben soll, fiel nach dem dritten Schuß durch die Lunge ins Rückgrath ge troffen zu Boden. Obgleich noch am Leben, soll doch keine Hoffnung vor- Händen sein, ihn zu retten, und behaupten Sachverständige, daß der Tod von heute binnen drei Tagen erfolgen müsse. Die Aellern der beide» jun gen Leute sind hier ansässig. (St. Z.) — Aus Posen vom 4. Juli berichtet di« Berliner Börsen-Zeitung: „Wäh rend der Johanniszeit pflegt sich nach uraltem Brauch der polnischeAdel aus dem ganzen Großherzogthum Posen hier zusammenzufinden und einig« Wochen zu verweilen, wobei denn ein ziemlicher LuxuS in Equipagen und Dienerschaft entfaltet wird. Unter den jetzt hier anwesenden Fremden be findet sich auch her der hohen Aristokratie angehörige Hr. v. Swinarsti, welcher in seinem Wappen «ine weiße Rose in rolhem Felde hat, und da die Familienfarben also Roth und Weiß sind, so trägt auch namentlich sein Kutscher zu seiner Livree eine rolh und wtiße Cocard« oder Schleif« an s«inem Hute. Es sind nun zufällig Roth und Weiß auch die Farben des GroßherzogthumS Posen oder, wie man zu sagen pflegt, die polnischen Farben. Gestern wird dieser unglückliche Kutscher auf das Postzridirecto- riüm geführt und ihm dort seine Livr(ecocarde abgeschnitttn. In der er sten Aufregung nach dem Bekanntwerden des Vorfall- wollten die Polen, und zwar Herren und Damen, mit rolh und weißen Schleifen und Co- carden in den Straßen der Stadt in Gruppen erscheinen. Glücklicherweise siegte die ruhige Ueberlegung über die erste Hitze und die Demonstration unterblieb." Hannover. VHannover, 8. Juli. Die Politik hält ihr« Ferien. Dafür habt« wir unsere Schützenfeste oder „Freischießen", landwirth- schaftlicht Versammlungen und Verhandlungen über Gewerbefreiheit und Zunftzwang. Boi dem Freischießen unserer Stadt fehlt seil zehn Jahren zum ersten male die Bürgerwehr, und man will bemerken, daß damit auch dem Feste der rechte innere Halt und Schwung fehle. UebrigenS wird in den Bürgern Hannovers die Erinnerung an das alte Recht der Wehr und Waffen noch immer dadurch lebendigcrhalten, daß jeder Bürger verpflich tet ist, an den drei Tagen des Freischießen- während der drei ersten Jahre seiner Bürgerschaft bewaffnet mit der Schützengilde, hier „grüne Jäger" genannt, auszumarschiren. — Der Landwirthschaft hat der König seine Theilnahm« dadurch bewiesen, daß der Minister des Innern selbst, Hr. v. BorrieS, zum Vorsitzenden der diesjährigen Sommervcrsammlung des C«n- tralausschusseS der königlichen Landwirthschaftsgesellschaft ernannt worden. Diese wird in nächster Woche ihre Sitzungen hier beginnen und in Ha meln schließen. Dort wird zugleich eine Thierschau statlfinden, welche der König durch seine Gegenwart beehren und die Verleihung der Prämien vollziehen wird. — Die Verhandlungen über die von der Regierung beab sichtigte Aenderung unserer Gewerb e gesetzgebung werden mit großem Eiser in den zahlreichen Gewerbevereinen deS Landes geführt. Ja, in rini- gen Städten sind sogar neue Vereine hervorgerufen worden, um die Frag«, in welchem Sinne jene Aeußcrnng wünschenSwerlh sei, verhandeln zu kön nen. In allen ditsen Vereinen spricht sich die Ansicht aus, daß das Ge werbe unter der jetzigen Gesetzgebung schwer leide, und daß eine Aenderung nolhwendig sei. Getheilt sind die Stimmen nur über das größere oder ge ringere Maß der freien gewerblichen Bewegungen; für die alten Zunftein- richlungen läßt sich nur höchst vereinzelt hier und dort eine schwache Stimme vernehmen. Mag der Erfolg dieser von der Regierung gegebenen Anregung in der Gesetzgebung auch kein erwünschter sein; mag sogar, wie wir fürchten, die Ab sicht der Regierung dahin gehen, den Zünften neue Stützen unterzuschieben, und mögen die Kammern dazu immerhin die Hand willig bieten: die wirthschafl- lichc Einsicht des Volks wird sich durch die im Gange befindlichen Ver handlungen der Gewerbcvcreinc außerordentlich gefördert sehen. Der An stoß zu einer entschiedenem Richtung auf Gewerbefreiheit ist nun in dem Gewerbestande selbst gegeben und wird schwerlich je seine Kraft wieder ver lieren. In der Presse des Landes wirken die Zeitung für Norddeutschland und alle besser redigirten Provinzialzeitungen und Lokalblätter in dem Sinne der Gewerbevereine und tragen deren Verhandlungen in alle Kreise des Volks. So ist an die Stelle der politischen «ine wirthschaftliche Bewe gung getreten, welche ohne Zweifel die heilsamsten Früchte tragen wird. — Sie werden die Nachricht anderer Zeitungen bemerkt haben, daß der Gene ralsekretär unserS Gesammlministeriums, Hr. Zimmermann, in Kopenha gen gewesen ist, und daß daran Andeutungen geknüpft werden, als möge dieser viclgewandte Staatsmann im dänischen Sinne in Betreff der hol- stcin-lauenburgischen Angelegenheit wirken. Freilich hat Hr. Zimmermann einst für das dänische Recht gegen die deutschen Herzogthümcr geschrieben; aber seitdem hat sich die Sachlage doch so geändert, daß derselbe, wie wir ziemlich sicher wissen, das Recht jetzt auch nicht mehr auf dänischer Seite sucht. Seine Anwesenheit in Kopenhagen, wenn sie, wie wahrscheinlich ist, mit der Sache der deutschen Herzogthümer im Zusammenhang« stand, dürfte wol den Zweck gehabt haben, dem dänischen Ministerium ernstlich zum Nachgebm zu rathen. Denn wir glauben nicht, daß überhaupt ein einziger unserer hohen Beamten in dieser Frage von dem Urtheil abweichen wird, welche- im deutschen Volke das allgemeine ist; und da- Verlangen, die deutsche Sache endlich auch zur Entscheidung an den Deutschen Bund zu bringen, ist hier wol durch alle Kreise gleich stark. Baden. * Karlsruhe, 9. Juli. Heute Mittag ist die Großher zogin Luis« von Bad«n von «inem Prinzen glücklich entbunden worden. Die hohe Wöchnerin sowie der neugeborene Prinz befinden sich den Um ständen nach wohl. KurhesstN. Marburg, 6. Juli. Nach einer Verfügung, welche da- jetzige Ministerium vor kurzem für die hiesige Universität getroffen hat, um der Ertheilung allzu vieler Benrficien und Stipendien an ein und dieselben Studirenden vorzubeugen, ist vorgeschrieben, „daß einem Einzelnen niemals «in die Summe von 200 Thlrn. übersteigender Jahresbetrag an Stipendien und Beneficiengeldern zugewendct werden solle", ausgenommen, wo der Bezug höherer Stipendien sich aus einen besonder« RechtStitel, Verwandtschaft mit Familien u. dergl. gründe. Es hat sich nämlich ge- funden, daß nicht eben wenige Sludirende auch ohne solche besondere An sprüche viel mehr an Stipendien als dieses Maximum bezogen haben. (Aklg.A.) Nassau. Bad Ems, 1-Juli. Heute wurden zwei Ordensfrauen, die da- Kleid de- heiligen Francisc»- trugen, in Heller Mittagsstunde un ter Polizeie-corte ans dem nahen Curort hinausgeschubt. Ueber die Ursache erfährt «Deutschland» au- verläßlichster Quelle: Die Geschubten seien die Oberin und eine Profeßschwester aus dem Kloster der „armen Franciscane- rinnen" im nahen Koblenz, welche heute anhergekommen, um bei mehren bekannten oder empfohlenen Cursremden einige Liebesgaben für ihre armen Kranken in Empfang zu nehmen, bei welchem frommen Werke die Schwe stern verhaftet und dem Badepolizeicommiffariat gefänglich vorgeführl wur den. „Hätte sich", sagt «Deutschland», „die vom Hrn. Grafen v. Bismark repräsentikle herzogliche Badepolizei hierauf sowie etwa auf rin Verbot sol- cher Sammlungen, selbst mit ernstester Bedrohung für zukünftiges Entgc- genhandeln, beschränkt, wir würden zu d«m Allen geschwiegen haben. Aber, das fragen sich jetzt die katholischen Cursremden, wozu die so ganz unnoth- wendige, jeden Katholiken (und deren sind viele hier, Deutsche, Franzosen, Polen, Ungarn rc. — vielfach von hoher Distinction) so tief verletzende Schubauöführung an Klosterfrauen im Ordenskleide?" Oldenburg. Oldenburg, 8. Juli. Da in der auf heute angc- setzten Landtagssihung abermals die zur Beschlußfassung nöthige Zahl von mindestens 32 (zwei Dritteln) nicht anwesend war und der Präsident mittheilte, daß die beurlaubten Abg. Brumund, Braver und Schwegmann ihr Mandat nicdergelegt hätten, so erklärte der anwesende Regicrungscom-