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ZUR EINFÜHRUNG Kara Abulfas ogly Karajew stammt aus Baku, der Hauptstadt der Aserbaidshanischen SSR. 1930, mit zwölf Jahren, wurde er in die Klavierklasse der Musikschule von Baku aufgenommen, und bereits fünf Jahre später trat er als Student in die Kompositionsabteilung des Aserbaidshanischen Konserva toriums ein. Sein Lehrer war Leopold Rudolf, ein Schüler Sergej Tanejews. Von 1938 bis 1946 setzte er seine Kompositionsstudien bei Anatoli Alexandrow und Sergej Wassilenko am Moskauer Konservatorium fort. Auf der Grundlage der reichen folkloristischen Traditionen Aserbaidshans begann sich seine sehr per sönliche musikalische Handschrift herauszubilden. Vielfältige Eindrücke prägten seine Ansichten über das Wesen nationaler aserbaidshanischer Kunst, über ihren Platz innerhalb der neuen sowjetischen Musik. Diese sieht er immer im dialektischen Zusammenhang mit der internationalen Musikentwickiung. In sei nen Werken strebt er eine gültige Synthese an. Als Ergebnis intensiven Studiums von Volksliedern entstanden die 1938 während der Dekade der aserbaidshanischen Kunst in Moskau uraufgeführte Kantate „Lied des Herzens" und 1939 eine „Aserbaidshanische Suite" für Orchester. 1944 folgte die 1. Sinfonie. Während dieser Zeit lernte er die Werke Schosta- kowitschs kennen, dessen Kompositionsklasse er ebenfalls besuchte. Diese Be gegnung hatte starken Einfluß auf die konzeptionelle Gestaltung seiner 2. Sin fonie (1946). Zielstrebig setzte er seine künstlerischen Absichten und Vorstel lung in Musik um, wobei er sich in der Wahl der Genres und Sujets keines wegs beschränkte. Das Ballett „Die sieben Schönheiten (1952) ist sein bekann testes Werk geworden. Als Meister in der Gestaltung plastischer musikalischer „Bilder" von starker Ausdruckskraft erweist sich Karajew in der 1964 65 entstandenen, 1965 in Moskau uraufgeführten 3. Sinfonie für kleines Orchester. Mit sparsamen, eindeutigen Gesten entwirft und modelliert er seine Themen, umreißt er die Konturen, setzt er Kontraste und Schattierungen. Im formalen Ablauf folgt er bewährten Vorbildern, er hält sich an den vierteiligen sinfonischen Zyklus: 1. Satz — Allegro moderato, 2. Satz — Scherzo, 3. Satz — Andante, 4. Satz — Allegro. Dahinter verbirgt sich eine sehr vitale, aktive Musik, die aber auch reich an zarten Nuancen ist. Der erste Satz beginnt mit der Exposition zweier kontrastierender Themen. Das energische erste wird von den Streichern angestimmt, das kantable zweite trägt die Oboe über weichen Streicherflächen vor. Im weiteren Verlauf gesellt sich ein scherzhaftes Thema des Fagotts hinzu, das an Prokofjew erinnert. Beherrscht aber wird der ganze Satz von kurzen, scharf akzentuierten rhythmischen Akkord motiven, die sich in ihrer hartnäckig ostinaten, stampfenden Bewegung immer mehr steigern. Unwillkürlich denken wir an „Sacre du Printemps" von Stra winsky. Von Akkord zu Akkord wächst die Spannung, ein Ton nach dem anderen wird hinzugefügt, bis alle zwölf Töne der chromatischen Skala zu einem Akkord aufeinandergeschichtet sind und der Kulminationspunkt erreicht ist — ein Mittel der Steigerung, das Karajew auch im Scherzo- und Finalsatz anwendet. Auch hier dieses rhythmische Stampfen, das durch die Instrumentierung — voller Strei cherapparat und Klavierschläge — besonders hart wirkt. Den zweiten Satz eröffnen derbe Tanzrhythmen, das Spiel von Volksinstrumenten wird imitiert. Und noch ein anderes Element, das auch in den drei übrigen Sätzen, besonders aber im Finale, eine wichtige Rolle spielt, tritt in den Vorder grund: verschiedene Instrumentengruppen konzertieren miteinander. Karajew versteht es meisterhaft, Klangfarben zu mischen und auf diese Weise Kontraste zu schaffen, im zweiten Satz sind es Cembalo und Holzbläser, die ihr durch sichtiges, polyphones Spiel treiben. Darin werden sie ständig unterbrochen von den rhythmischen Akkordschlägen der tiefen Streicher und des Klaviers. Zarte Lyrik, aber auch nachdenklicher Ernst sprechen aus der Musik des dritten Satzes. Die weit ausschwingende Melodie der Violinen erstreckt sich über große Intervailräume; nacheinander schließen sich zwei Oboen an mit einer ähnlichen „unendlich" fließenden Weise, die dann vom Horn aufgefangen und weiter getragen wird. Gänzlich unabhängig von jeglicher harmonischen Stütze erheben sich diese zwölftönigen Melodien über schwebendem, dissonantem Grund, aus dem sich erst nach und nach dreiklang- oder septakkordähnliche Gebilde heraushören lassen. Ein kleines „Orchesterkonzert" für sich stellt der vierte Satz dar. Wieder das farbige, polyphone Wechselspiel zwischen den Instrumentengruppen (Streicher — Holzbläser - Streicher, Cembalo und Klavier) und den ostinaten Akkordrhythmen. Besonders interessant ist der Schlußabschnitt gestaltet. Zuerst eine gewichtige Episode der Streicher, dagegen abgesetzt ein klangschöner Bläsersatz, dessen originelle Stimmführung vorübergehend in dissonante Akkorde einmündet, die sich dann aber überraschend in die Dur-Terz auflösen. In gemessener Bewe gung. mit ernsten Akkorden der Streicher, nicht mit Dissonanzen und weder in Dur noch in Moll, sondern im Unisono, im „Einklang", schließt die Sinfonie. Die ersten wichtigen Belege für die Form des Solokonzertes, das sich im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entwickelt hatte, lieferte — neben Komponisten wie Bononcini, Torelli und Gregor! — der große italienische Meister Antonio V i v a I d i. In Venedig geboren, wurde Vivaldi zunächst gleich seinem Vater Kirchengeiger am Markusdom und war dann als Hofkapellmeister in Mantua, später als Konzertmeister bei einem venezianischen Waisenhausorchester tätig. 1703 wurde er zum Priester geweiht (als solcher erhielt er den Beinamen „II preto rosso" = der rothaarige Priester). Zwischen 1725 und 1735 wirkte er als Opern-Impresario (zum großen Teil auf Reisen) und komponierte in dieser Zeit eine große Zahl von Bühnenwerken. In ärmlichen Verhältnissen verstarb er 1741 in Wien. Vivaldis künstlerischer Rang und seine hervorragende musikgeschichtliche Bedeu tung als eine der großen universalen Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit haben in unserem Jahrhundert, insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg, eine Bewer tung erhalten, die einer Neuentdeckung gleichkommt. Jahrhundertelang war das Leben und Schaffen des außerordentlich fruchtbaren Komponisten in ziemliches Dunkel gehüllt. Sein Ruhm beruht vor allem auf seinen Instrumentalkonzerten, namentlich auf den überaus zahlreichen Violinkonzerten; daneben schrieb er u. a. Violinsonaten, Concerti grossi, zahlreiche Kammermusikkompositionen, Kirchenmusik und Opern. Von den ca. 450 erhaltenen Konzerten Vivaldis weisen 28 programmatische Titel auf, und von diesen nehmen die vier ersten Konzerte aus op. 8 „Die vier Jahreszeiten" (Le quattro Stagioni) für Violine und Streichorchester, um 1725 in Amsterdam erstmalig im Druck erschienen, eine Sonderstellung ein. Sie gehörten zu den meistgespielten Werken des Komponisten und sind - nach dem Vivaldi-Forscher Rudolf Eller — „für die Stabilisierung der Konzertform, zugleich für deren Variationsmöglichkeiten, be sonders aufschlußreich. Gegenüber den anderen Werken, bei denen die Pro gramm-Bezeichnungen allenfalls bis zum Einzelsatz reichen, enthalten sie auch Hinweise auf einzelne Motive und Satzabschnitte, sind also Programmusik im engeren Sinne. Jedoch wird auch hier die Konzertform nach Zyklus und Einzel satz gewahrt; der Zweiheit von Ritornell und wechselnden Soloepisoden ent spricht eine Zweiheit von Grundsituation und Detailschilderung." Jedem der vier Violinkonzerte des Jahreszeiten-Zyklus stellte Vivaldi ein „Sonetto dimostrativo" voran, ja er trug sogar die einzelnen Textzeilen der Gedichte in die entsprechenden Abschnitte des Notentextes ein, um die programmatische