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538 "Pfund nachrechncn zu können, und diese Einrichtung würde sich besonders empfehlen, wenn, wie der Landtag bereits beantragt, ein allgemeines Ge mäß im Großherzoglhum cingcführt werde. Der Landtag, von der Ansicht geleitet, daß bei der Schwierigkeit der Sache cs zweckmäßiger sei, für den Anfang das Gesetz in möglichst einfacher Weise zur Einführung zu brin gen, und daß mit dieser Einführung erst Gelegenheit gegeben werde, Er fahrungen zu machen, mit deren Benutzung ja dann Verbesserungen durch Nachträge gemacht werden könnten, trat demnach dem Antrag seines AuS- schusscS bei. Königreich Sachsen. o Dresden, 16. März. Morgen wird cs gerade ein Viertcljahrhundcrt, daß ein Gesetz über Ablösungen und Gemeinheitstheilungen erlassen wurde. BcachtcnSwerth sind die elnlcitendcn Worte dieses Gesetzes. Schon in dem wichtigen Landtagsabschiede vom 4. Sept. 1831 sagten die hoch herzigen Regenten ein die Ablösung der Frohndienste, Servituten und Gc- meinheitktheilungcn regelndes Gesetz, unter gleicher Schonung der Berech tigten und Verpflichteten, nach den Grundsätzen des RechlS und der Bil ligkeit zu; und sie ließen nicht lange darauf warten. Am 17. März 1832 erschien das Gesetz, eins der hochwichtigsten und folgenreichsten der ganzen sächsischen Gesetzgebung. „Wir erkennen", heißt cs im Eingang, „ein drin gendes Bcdürfniß der Landeswohlfahrt in der Herstellung möglichster Frei heit des ländlichen Grundbesitzes." Durch die vielen mit der Zeit einge führten Berechtigungen sei „die freiere Entwickelung der landwirthschastli- chen Betriebsamkeit verhindert und der Nationalrcichthum in einer sciner Hauptquellcn bcnachtheiligt worden". Frühere einzelne gesetzliche Anordnun gen hätten zwar denselben Zweck gehabt, hätten aber nicht zum Ziele ge führt, ein bereits einmal gefertigter Entwurf wäre vollständig-umgearbeitel worden, und so daS gedachte Gesetz, dessen Jubiläum wir heute feiern, wie das über die Errichtung einer Landrcntcnbank entstanden. Beide beruh ten auf dem Grundsatz der Gerechtigkeit, „von welchem, bei Sicherheit dcS Eigenlhums, die Ruhe und Zufriedenheit jedes Einzelnen, ja das Bestehen des ganzen Staatsvcrbandeö bedingt werde". „Werde auch erst eine spä tere Zeit die vollen Früchte dieser, mit Opfern und Anstrengungen aller Art verbundenen, neuern Gestaltung ernten, so könne doch eines großen Theils derselben schon die jetzt lebende Generation iheilhafcig werden." Wahrhaft hochherzig versicherten dabei die Gesetzgeber, daß bei Durchfüh rung des Gesetzes „das landeshoheitliche Jntcrcssc auf keinerlei Weise be rücksichtigt werden solle". Sic haben redlich Wort gehalten, und Sachsen erntet die Früchte des ebenso weisen als gerechten Gesetzes in dem Auf blühen sciner Landwirthfchaft. Berechtigte und Verpflichtete bewegen sich freier und befinden sich Wohler. Staat und Staatsbürger haben gewonnen durch die von ihren Fesseln befreite rationelle Bcwirlhschastung. Heule sind nur noch wenige Ablösungen vor der im Jahre 1832 ins Leben ge tretenen „Generalcommission" anhängig. Leipzig, 16. März. Das Bestreben, durch Vereinigungen prakti sche, materielle Vorthcile zu erlangen, so namentlich durch Ankauf im Gro ßen und möglichst billigen Verkauf den Unbemitteltcrn den Nutzen zu ge währen, den das größere Capital vor dem Von-Hand-zu-Mund-lcben voraushat, und dadurch auch der umsichgrciscnden Verarmung cntgcgcnzuwirken, hat bereits mehrfach bei uns Frucht getragen. So thciltcn wir vor acht Tagen Einzelheiten über dcn hiesigen Vorschußvcrcin mit und können heute betreffs unserer „Association zur gemeinschaftlichen Anschaffung der nö- thigstcn Lebensbedürfnisse" folgende Angaben machen. Der genannte Verein bildete sich zu Anfang des Jahres 1851 aus einer geringen An- zahl von Thcilnehmcrn (30) nach dem Vorbildc ähnlicher Gesellschaften in kleinern Städten, wie z.B. Delitzsch; im Laufe des Jahres stieg trotz mehr facher Austritte die Mitglicderzahl schon bis auf 162, hob sich 1855 bis zu 191, hat sich aber im jüngsten Jahre nicht sehr gemehrt; der Grund davon dürfte vielleicht darin zu suchen sein, daß seit Januar 1856 die Preise ! mehrer Lebensbedürfnisse sich allerdings etwa- billiger gestellt und sq wvl Manchen weniger dazu gedrängt haben, auf größere Ersparnisse bedacht zu sein. Indessen ist doch sicherlich auch die jetzige Zeit im Allgemeinen und vorzüglich die Preissteigerung z. B. bei Zucker, Brennmaterial, Butter, Eiern, Fleisch geeignet, eine größere Bctheiligung der leipziger Einwohner in ihrem eigenen Interesse wünschenswerlh zu finden, umsomehr als die Bei- tritlsbedingungen die Bctheiligung nicht erschweren; eS sind 3 Thlr. auf einmal oder nach und nach zu erlegen, und diese werden bei etwaigem Aus- tritt alsbald zurückerstattct. Ueber den Geschäftsbetrieb der Association kön nen wir folgende Zusammenstellung geben: auf gemachte Erfahrungen; der scheinbare Minderankauf von Brot liegt in 1854 1855 1856 BctricbScapital über 443 Thlr. 520 Thlr. 558 Thlr. Unkosten und Inventar . . 99 38 32 Lager- und Kassenverwaltung . 192 261 310 Umsatz an Brot 5013 // 7525 6197 // Butter und Schmalz 941 412 376 /, Eiern 5/ 61 // 43 /l 30 Honig — 60 // 30 // Fleisch // 437 515 // — // Mehl 251 // 137 // 114 /, Graupen und GrieS 97 // 85 /, 63 // Bohnen, Erbsen^ Hirse, Linsen s // 107 // 219 k/ 167 Ocl . . . . . . 310 771 842 Cigarrcn .... — 167 // 62 // /, // Seife 37 /k 46 ,/ 42 „ Pflaumen ».Pflaumenmus „ — // — // 27 Kartoffeln .... 149 123 // 12 // Zucker // 275 606 k/ 795 // // Kaffec /k 254 299 415 /, // Reis // 89 // 127 // 80 Preißclsbceren . . // —- - /k 6 Sonach betrug der Umsatz . . „ 8000 „ 11,000 9600 Die Abnahme und Zunahme bei den verschiedenen Artikeln gründen sich den nicdrigern Preisen; wären diese nicht gesunken, so hätte sich eine Zu nahme herausgestellt. Seil 1854 bis Ende 1856 hat sich ein Ueberschuß von 91 Thlr. 25 Ngr. 7 Pf. noch neben dcn sicher nicht unbedeutenden, im Haushalte gemachten Ersparnissen herausgestellt. Zur Vergleichung mit der Thätigkcit der leipziger Association führen wir an, daß die vom Kauf mann G. Krackrüggc gegründete crsurter Association anfangs mit den nur geringen Mitteln blos Heizungsmatcrial beschaffte, mit Beginn dieses Jah res aber zwei Associatiousbäckereien errichtete, die ein treffliches, reines Rog genbrot (jetzt das Pfund zu 10 Pf.) liefern; als diese vor ganz kurzem auch Weißbrot zu liefern versprachen, wuchsen über Nacht die crfurterBä- ckerscmmcln um 10—20 Proc., sodaß auch das große Publicum den Nutzen der Association mitgenoß! In den ersten drei Vierteljahren betrug der Um satz an Feuerung, Brot und Mehl bereits über 20,537 Thlr., obschon das Anlagekapital der Mitglieder nur aus 3990 Thlrn. bestand. Der Rech nungsabschluß ergab einen Ueberschuß von über 969 Thlrn. Die Endziele der crfurtcr Association sind eine großartige Brotfabrik und eine Bierbraue rei. Mögen größere.Städte sich an dcn kleinern spiegeln! — Einen ver wandten, wenn auch wieder verschiedenen Zweck verfolgt der hiesige, von Hrn. Buchhändler Gustav Mayer geleitete „Sparvereins"; dieser läßt seine Mitglieder, bedürftige, aber unbescholtene, sich alles Bettelns enthal tende Leute in den Monaten April bis November Wocheneinlagen von 2/» oder 5 Ngr. machen zum Behuf der Verthcilung von Feuerungsmattrial; er zählte im Jahre 1855 30 Sparer mit 64 Thlrn. Einlage, 1856 aber 52 Sparer mit 136 Thlr. 17 Ngr. Einlage und wird auch im jetzigen Jahre sich wieder neu bilden. utcipsig, 16. März. Die ungewöhnliche Lhcilnahmc, ^welche die Quartett soireen im Saale des Gewandhauses beim Publicum in diesem Jahre erregten, hat sich noch besonders durch das Verlangen manifestirt, die Zahl derselben noch um einige vermehrt zu sehen. Diesem Verlangen nun hat die Concertdirection Rechnung getragen, und cs sind bis Ostern noch zwei Kammcrmusikabcndc gewährt worden, deren erster am 14. März war. Daß ewig junge, gcist- und lebcnath- mcndc sogenannte Kaiser-Quartett (Oclur) von Haydn machte den Anfang und clcktrissrte besonders in seinen entzückenden Variationen über die österreichische Na tionalhymne („Gott erhalte Franz, den Kaiser") den ganzen Saal. Darauf folgte, zum ersten male vorgeführt, ein Quintett von Franz Schubert (Op. 163) für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncello. Wir müssen bekennen, daß von dcn in die sem Winter uns gebotenen Schubcrt'schen Nachlaßwerken uns das gegenwärtige am wenigsten bchagt hat. Allerdings fanden wir auch darin den Musiker von reicher Produktivität wieder, als welcher Schubert unbestritten dasteht; aber ebenso wol fanden wir auch jenes Sichgehenlasscn, jenes sozusagen Unmanierliche, welches in Schuberl's größern Sachen sich gar oft vorsindet. Es ist wahr, dem Schubert ist ungeheuer viel eingefallen; aber ebenso wahr ist cs, daß er unter seinen Einfällen nicht genug wählte und im Drange dcS Producircns Manches hinschrieb, was eine kältere Ucberlegung vielleicht als zu roh und ungehobelt, als zu wenig distinguirt verworfen hätte. Ferner ist nicht zu leugnen, daß für die Schönheit der Propor tionen Schubert nicht genug Auge gehabt und cS nicht verstanden hat, in seinen Jnstrumcntalsachcn seine Empfindungen zu conccntriren; wo nicht, wie in seinen entzückenden Liedern, der Tert ihm Maß und Ziel vorschrcibt, verliert er sich in eine unnöthige Weitschweifigkeit und Breite. Daß zeigte sich uns wiederum in dem ersten und letzten Satze des in Rede stehenden Quintetts, wo noch hinzukommt, tt. daß die Hauptmotive nicht derart sind, daß sie ein gar so weites Ausspinnen ver trugen. Mancherlei reizende Klangwirkungen und harmonische Finessen, die sich bei alledem in den Sätzen vorfindcn, entschädigen nicht hinreichend für daß nicht zu verkennende leere Stroh, daß in ihnen gedroschen wird. Vom Adagio gefällt uns nur daß erste Drittel; der Mittclsatz ist durch eine zu beharrlich bcibchaltene rum pelnde Baßfigur monoton geworden, und die Veränderungen und Auszierungen, welche bei der Wiederkehr des Anfangßstücks mit demselben vorgenommen werden, gereichen ihm gerade nicht zum großen Vortheil. DaS Scherzo ist ein flottes, recht pikantes Jagdstückchen; was aber das larmoyante Trio dazu soll, vermögen wir nicht einzuschen. Um nun mit dem Quintett abzuschließen, bemerken wir noch, daß dcn günstigsten Eindruck auf uns der erste Satz hcrvorgebracht hat, weil in ihm die meiste Noblesse sich vorfindct und der kammermusikgemäße Stil am reinsten ihm gewahrt ist; ferner wollen wir noch den Herren Concertmeister Dreyschock, Rönt gen, Herrmann, Grützmacher und Kapellmeister Rietz für ihre wackere Ausführung des Werks danken. Dcn Schluß des Abends bildete Becthoven's scchssätzigeö Quartett in ll-clur (Op. 130), eine jener großartigen Conceptioncn des Meisters, die sich aller Schilderung entziehen und die man in ihrer Kühnheit blos anstaunen und bewundern kann. * Die letzte westindische Post hat eine Bestätigung der Nachricht.gcbracht, daß der unerschrockene Nordpolreiscnde Or. Kane in der Havana gestorben ist. Elisha Kent Kane war 1822 in Philadelphia geboren. Er widmete sich auf den Universitäten von Virginia und Pennsylvania der Mcdicin und begleitete 1843 als Arzt im di plomatischen Stabe die erste amerikanische Gesandtschaft nach China und eröffnete damit seine Laufbahn als Reisender, auf der er trotz sciner kurzen Lebenszeit einen hohen und dauernden Ruf erworben hat. F e u 1 Verantwortlicher Rcdacteur: Heinrich Brockhaus. — Druck und Verlag von U. dt. Brockhaus in Leipzig.