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Stimmungen, wobei das Hauptthema mit seinen einzelnen Teilen, dem hier kein eigentliches zweites Thema entgegengestellt wird, in wechselnder Beleuchtung, der Phantasie breitesten Spielraum gebend, den Verlauf des Satzes beherrscht. Die Reprise hat ihren Abschluß und Höhepunkt in der breit angelegten, verinner lichten Kadenz des Soloinstrumentes. Kraftvoll vorwärtsstürmend wird der Satz danach abgeschlossen. Völlig entgegengesetzt erscheint der kurze 2. Satz (Intermezzo - Andantino gra ziöse), der durch die überaus poetische, graziöse Wiedergabe ruhiger, gelöster Empfindungen gekennzeichnet wird. In feinem Dialogisieren zwischen Klavier und Orchester über ein Thema, das dem Hauptthema des 1. Satzes entstammt, entfaltet sich ein anmutiges, subtiles Spiel. Der kantable Mittelteil des Inter mezzos bringt ein ausdrucks- und gefühlvolles Thema, das zuerst von den Celli vorgetragen wird, während sich das Klavier in zarten Arabesken ergeht. Auch das schwungvolle, frische Hauptthema des unmittelbar anschließenden Finalsatzes (Allegro vivace) wurde aus dem Hauptthema des 1. Satzes gewonnen, und zwar diesmal durch eine rhythmische Verschiebung. Das sprühende, fast tänzerisch anmutende Finale nimmt einen leidenschaftlich bewegten, farbigen Verlauf und endet auch nach einer im wesentlichen vom Soloinstrument getragenen Schluß steigerung in lebensbejahender, freudig-weltzugewandter Haltung. Die am 22. November 1874 vollendete erste Gestalt der Sinfonie Nr. 4 Es-Dur, der „Romantischen Sinfonie", wie Anton Bruckner sie nannte, wurde bald vom Komponisten verworfen, der sich erst nach mehreren Umar beitungen zufriedengab. Verhältnismäßig spät, im Februar 1881, gelangte das Werk durch die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter zur Uraufführung. Heute gilt die „Vierte" als die populärste unter den Brucknerschen Sinfonien. Sie erklingt in unserer Aufführung selbstverständlich in der Originalfassung, be freit von den empfindlichen Eingriffen der verschiedenen Überarbeitungen, die der teils überkritische, teils ängstliche Bruckner, aber auch andere Bearbeiter vernahmen. Man hat das Werk nicht zu Unrecht als die „Sinfonie des deutschen Waldes" bezeichnet. Der Begriff des „Romantischen" verband sich in der Vor stellung Bruckners zweifellos mit dem Mittelalter; denn er charakterisierte die Stimmung des ersten Satzes folgendermaßen: „Mittelalterliche Stadt - Morgen dämmerung — von den Stadttürmen ertönen Morgenweckrufe — die Tore öffnen sich — auf stolzen Rossen sprengen die Ritter hinaus ins Freie — der Zauber des Waldes umfängt sie - Waldesrauschen - Vogelsang - und so entwickelt sich das romantische Bild." Doch wäre es entschieden zu weit gegangen, wollte man diese auf eine Grundstimmung verweisenden Worte als ein konkretes Programm aus legen. über dem Es-Dur-Tremolo der Streicher erhebt sich ein Hornmotiv, mit dem die erste Themengruppe des ersten Satzes (Bewegt, nicht zu schnell) beginnt. Gesanglich ist das zweite Doppel-Thema, das einen Vogelruf, den Ruf der Waldmeise, nachbildet. In der kunstvollen, hochpoetischen Durchführung wird außer einem dritten Thema noch ein feierliches Choralthema in die musikalische Entwicklung einbezogen. Das große Es-Dur-Hauptthema bestimmt mit seiner gewaltigen, lichtvollen Wirkung die Koda. Zu Beginn des zweiten Satzes (Andante quasi Allegretto) stimmen die Celli zur sordinierten Trauermarsch-Begleitung der Violinen und Bratschen einen seelen vollen, traurigen Gesang an. (Der Komponist sprach in diesem Zusammenhang von der „zurückgewiesenen Liebe eines verliebten Burschen".) Vor dem Eintritt des den Bratschen zugeteilten, an die Stimmung des ersten anknüpfenden zweiten Themas erscheint auch hier ein Choralsatz. Liedhaft, strophisch fast ist der Aufbau dieses Satzes. Klassische Formgestalt hat das Scherzo (Bewegt), dessen Hauptteil von fröhlichem Hörnerschall erfüllt ist. Rufen die Hornsignale zur Jagd, so bringen Flöte und Klarinette im Trio eine sich anmutig wiegende Ländlermelodie, die Bruckner „erläutert" hat als „Tanzweise während der Mahlzeit zur Jagd". Der Scherzo- Hauptteil wird sodann wiederholt. Sehr großflächig ist die Anlage des Finales (Bewegt, doch nicht zu schnell), dos zunächst mit einer Einleitung beginnt, über nimmermüdem Pochen der Streich bässe auf einem Ton lassen die Blechbläser schließlich nochmals das Scherzomotiv erschallen. Die in dieser Einleitung enthaltenen rhythmischen Anspielungen auf den ersten Satz lassen die Einheit des gesamten sinfonischen Zyklus spürbar wer den. Selbst im gewaltigen Es-Dur-Hauptthema ist keimhaft das Urthema der ganzen Sinfonie enthalten, das Hauptthema des ersten Satzes, das bald in origi naler Gestalt erscheint. Wähend das zweite Thema stimmungsmäßig aufhellt, beginnt das dritte Thema zunächst düster. Auch der kontrapunkt- und phantasie reichen Durchführung geht - wie dann der Coda — eine Einleitung voraus. Macht voll, mit feierlichen Choralklängen und aufrüttelnden Trompetenrufen, verklingt der Satz in strahlendem Es-Dur. Dr. habil. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: Freitag, den 13., und Sonnabend, den 14. Juni 1975, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 10. KONZERT IM ANRECHT C UND 10. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Hartmut Haenchen Solisten: Helga Termer, Dresden, Sopran Rosemarie Lang, Leipzig, Alt Armin Ude, Dresden, Tenor (13. 5.) Hans-Jürgen Wachsmuth, Halle, Tenor (14. 5.) Hermann Christian Polster, Leipzig, Baß Chöre: Kinderchor der Dresdner Philharmonie Philharmonischer Chor Dresden Werke von Bach und Bruckner Anrecht C und B Sonnabend, den 21., und Sonntag, den 22. Juni 1975, jeweils 18.00 Uhr, Schloßpark Pillnitz 1. SERENADE Dirigent: Christian Kluttig, Karl-Marx-Stadt Mitwirkende: Bläsersolisten der Dresdner Philharmonie A-cappella-Chor des Philharmonischen Chores Werke von Gabrieli, Mozart und Finke Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1974/75 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-57-75 9. KONZERT IM ANRECHT C UND 9. ZYKLUS-KONZERT 1974/75